von Johann Hesse
Am 1. November ist das am 12. April 2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) verabschiedet worden. Erklärtes Ziel des SBGG ist es, „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen zu lösen und die Selbstbestimmung der betroffenen Person zu stärken“ (§1). Um dieses Ziel zu erreichen, kann „jede Person, deren Geschlechtsidentität von ihrem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister abweicht, gegenüber dem Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Personenstandseintrag geändert werden soll“ (§2, Abs. 1) und „die Vornamen bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.“ (§2, Abs. 3)
„Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (1. Mose 1,27)
Das dreimalige „er schuf“ (hebr.: bara) betont, dass Gott den Menschen erdacht und erschaffen hat. Gott selbst stellt seiner Schöpfung das Gütesiegel aus (1. Mose 1,31). Damit ist auch die Geschlechtszuordnung eines jeden Menschen unlösbar im Willen Gottes verortet und als „sehr gut“ qualifiziert. Sie wird nicht etwa von Dritten (Eltern, Hebammen, Ärzten) willkürlich „eingeschätzt“ oder gar „zugewiesen“, sondern sie kann nur anhand offenkundiger äußerer oder innerer (z.B. genetischer) Merkmale festgestellt und dokumentiert werden. Weil sie eine Vorgabe des Schöpfers ist, entzieht sie sich jeder menschlichen Verfügung. Die Selbstbestimmung des Menschen endet am Schöpferwillen Gottes.
Gott erschuf den Menschen als „männlich“ (hebr.: sachar) und „weiblich“ (hebr.: nekevah). Diese zweipolige Geschlechtlichkeit ist ein wesentlicher Aspekt der Gottebenbildlichkeit. Gott erschafft sein Abbild auf Erden in komplementären Teilen, also als Bausteine, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen und entsprechen. Gerade in dieser binären Komplementarität der Geschlechter sollte Gottes Ebenbild sichtbar werden.
Die dem SBGG zu Grunde liegende Gender-Theorie versucht die beiden Begriffe „männlich“ und „weiblich“ als zwei Pole eines fluiden Spektrums (oder Kontinuums) vieler Geschlechtsidentitäten darzustellen, auf dem ein Mensch sich auf Grund eines „tief empfundenen inneren und persönlichen Gefühls der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht (gender), das mit dem Geschlecht (sex), das dem betroffenen Menschen bei seiner Geburt zugewiesen wurde, übereinstimmt oder nicht übereinstimmt“[1] selbstbestimmt einordnen könne. Dies schließe „die Wahrnehmung des eigenen Körpers mit ein (darunter auch die freiwillige Veränderung des äußeren körperlichen Erscheinungsbildes oder der Funktionen des Körpers durch medizinische, chirurgische oder andere Eingriffe) sowie andere Ausdrucksformen des Geschlechts (gender), z.B. durch Kleidung, Sprache und Verhaltensweisen.“[2]
Doch 1. Mose 1,27 kennt ausschließlich zwei Geschlechter. Die hier verwendeten hebräischen Begriffe „männlich“ (hebr.: sachar) und „weiblich“ (hebr.: nekevah) signalisieren nicht etwa eine Offenheit für andere Geschlechtsidentitäten, sondern haben die Funktion, den Geschlechtsunterschied von Mann und Frau zu betonen.[3] Bezieht man den größeren Zusammenhang ein (1. Mose 2,22–23), wird das erste Menschenpaar auch dort eindeutig als „Mann“ (hebr.: isch) und „Frau“ (hebr.: ischah) bezeichnet. Diese beiden Begriffe betonen den Paar-Aspekt[4]. Die Bibel stellt klar: Der Mensch existiert entweder als Mann oder als Frau. Menschliche Existenz kennt nur binäre, also zweipolige Geschlechtlichkeit.
Dies deckt sich mit den Befunden der Wissenschaft:
„Das Geschlecht wird genetisch determiniert durch die Geschlechtschromosomen X und Y. XX ist weiblich, XY ist männlich. … Die Fortpflanzungsbiologen unterscheiden zwei Geschlechter – und zwar genau zwei Geschlechter, das weibliche und das männliche Geschlecht. Weitere biologische Geschlechter sind nicht bekannt, weder beim Menschen noch bei sexuell sich fortpflanzenden Tieren noch bei Pflanzen.“[5]
Das SBGG fördert die Auflösung der zweipoligen Geschlechtlichkeit in ein angeblich fluides Spektrum von gefühlten und veränderbaren Geschlechtsidentitäten. Entstellung und Auflösung der binären Geschlechterordnung zielen im Grunde auf die Entstellung und Auflösung der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Sie ist ein Angriff auf Gottes Repräsentanz auf Erden und kann damit nur teuflischen Ursprungs sein.
„Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde“ (1. Mose 1,28).
Die komplementäre Zweigeschlechtlichkeit ist Grundvoraussetzung für die Fruchtbarkeit des Menschen und damit für Gottes Auftrag an den Menschen, sich zu vermehren und die Erde zu besiedeln. Genetik, Hormonhaushalt, Anatomie und die Geschlechtsorgane von Mann und Frau sind so aufeinander bezogen, dass eine geschlechtliche Vereinigung und damit die Weitergabe des Samens an die Frau, die Befruchtung des Eis, dessen Einnistung in der Gebärmutter und die Heranreifung eines Kindes im Leib der Mutter möglich ist.
Das SBGG regelt zwar keine medizinischen Maßnahmen (§ 1 Abs. 2), fördert aber die soziale Transition vom biologischen Geschlecht (Sex) zu einem gefühlten Geschlecht (Gender) und legt damit die Grundlagen für die hormonelle und chirurgische Transition, die zur Rückbildung, Entfernung oder Umformung der primären und sekundären Geschlechtsorgane führt. Diese Transition wird auch mit dem euphemistisch-verlogenen Begriff „hormonelle bzw. operative Geschlechtsangleichung“ bezeichnet. Dieser Ausdruck ist in mehrfacher Hinsicht irreführend. Zum einen macht er unabhängig vom genetisch-hormonellen Befund das „gefühlte Geschlecht“ zum maßgeblichen Kriterium für die geschlechtliche Identität des Menschen. Zum anderen gibt er vor, es sei medizinisch möglich, den Körper so zu transformieren, dass er dem gefühlten Geschlecht entspreche. Das ist aber unwissenschaftlich, denn genetisch, neurologisch und auch – wenngleich eingeschränkt – anatomisch bleibt der Mann ein Mann, die Frau eine Frau. Der Begriff verschleiert die Tatsache, dass die sog. Geschlechtsangleichung zur lebenslangen Hormonabhängigkeit führt, die primären Geschlechtsorgane zerstört und verbunden mit vielen Komplikationen und Schmerzen sterile Nachbildungen formt, die oftmals viele Nachfolgeoperationen erforderlich machen. Das SBGG verführt Menschen dazu, ihre von Gott geschenkten Geschlechtsorgane zu verstümmeln und irreversibel zu zerstören. Es zielt auf die Zerstörung der Fruchtbarkeit und ersetzt eine Gott und dem Nächsten zugewandte „Kultur des Lebens“ durch eine dem selbstbestimmten Ich verfallene „Kultur des Todes“.
„Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind“ (Eph 4,25).
Das Offenbarungsverbot (SBGG, § 13) untersagt die Erforschung oder Offenbarung eines früheren Geschlechtseintrages oder Namen eines Menschen. Es ist mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro bewehrt (SBGG, § 14). Auf diese Weise werden z.B. Lehrer gezwungen, wider besseres Wissen einen männlichen Schüler mit einem weiblichen Vornamen anzusprechen und wie eine weibliche Schülerin zu behandeln. Christen sind der Wahrheit verpflichtet. Sie können der Forderung, einen Mann als Frau und eine Frau als Mann anzusprechen, nicht nachkommen. Die Liebe gebietet es, bei der Wahrheit zu bleiben (1. Kor 13,4-6; Eph 4,15).
Anfang September 2024 wurde der irische Lehrer Enoch Burke zum dritten Mal verhaftet, weil er gegen gerichtliche Auflagen verstoßen hatte. Diese waren verhängt worden, weil er sich weigerte, einen männlichen Schüler mit dem verlangten weiblichen Geschlechtspronomen anzusprechen. Burke unterrichtet an der Wilson’s Hospital School, einer Schule der anglikanischen Kirche von Irland. Laut Burke habe Gott die Menschen als Mann und Frau geschaffen. „Transgenderismus ist mit meinem christlichen Glauben nicht vereinbar“, sagt Burke: „Er widerspricht der Bibel, dem Ethos der Church of Ireland und den moralischen Grundsätzen meiner Schule.“ Auch wenn die Schule darauf besteht, dass Burke nur wegen des Verstoßes gerichtlicher Auflagen im Gefängnis sitze, stellt Burke klar: „Ich bin im Gefängnis, weil ich gesagt habe, dass ich einen Jungen nicht Mädchen nennen kann.“
Unabhängig von den Details dieses speziellen Falles wird ersichtlich, dass das SBGG das Potential hat, Christen nicht nur in schwerste Gewissenskonflikte, sondern auch in direkte Konfrontation mit Behörden und Gerichten zu bringen.
„Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so?“ (Röm 9,20).
Die Frage, die der Apostel Paulus im Brief an die Römer mit Blick auf Gottes freie Gnadenwahl stellt, passt auch in diesem Zusammenhang. Es ist eine rhetorische Frage und die Antwort darauf lautet: Nein, natürlich nicht! Darum müssen Christen mit dem Wissen, dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist, und um der Wahrheit willen, dem SBGG und der ihm zu Grunde liegenden Selbstbestimmungs- und Genderideologie entschieden entgegentreten und vor seinen zerstörerischen Folgen warnen.
„Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24).
Doch das allein reicht nicht. Wir müssen auch eine Alternative aufzeigen. Dem Wunsch nach einem Geschlechts- und Identitätswechsel liegt die nachvollziehbare und tiefsitzende Sehnsucht nach einer heilen Identität und einem vorbehaltlosen Angenommensein zu Grunde. Zeigen wir den Betroffenen im Evangelium auf, dass sie bei Jesus Christus ihr altes, zerbrochenes, abgelehntes und sündiges Leben ablegen und ein neues Leben anziehen dürfen (Eph 4,22–23). In der Begegnung mit Jesus Christus findet der Mensch eine neue, geheilte Identität: „Eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden (2. Kor 5,17). Hier allein wird die Sehnsucht gestillt. Machen wir Menschen Mut, die von Gott erschaffene (Geschlechts-)identität als „sehr gut“ anzunehmen, so dass sie als Werk zu ihrem Meister sprechen können: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele“ (Psalm 139,14).
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Quelle: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes November 2024
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[1] Die Yogyakarta Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität, Schriftenreihe der Hirschfeld-Eddy-Stiftung Präambel, Band 1, Schriftenreihe der Hirschfeld-Eddy-Stiftung, Berlin 2008, S. 13.
[2] Ebenda.
[3] Hansjörg Bräumer, Das erste Buch Mose, Wuppertaler Studienbibel, R. Brochkaus, Witten 2008, S. 58.
[4] Ebenda.
[5] Gender und biologisches Geschlecht – ein Interview mit Siegfried Scherer, Erschienen in: PRO-Das christliche Medienmagazin, am 02.08.2022, https://www.iguw.de/site/assets/files/4173/scherer_siegfried_pro-interview_gender-und-biologisches-geschlecht_iguw.pdf (abgerufen am 27.9.2024).