von Sebastian Gruner
In Psalm 13, 6 finden wir folgende Aussage:
Ich aber vertraue auf deine Gnade; mein Herz soll frohlocken in deinem Heil. Ich will dem Herrn singen, weil er mir wohlgetan hat!
Das ist der letzte Vers dieses mit nur 6 Versen ziemlich kurzen Psalms. David gibt hier ein klares und unerschütterliches Bekenntnis voller Zuversicht ab.
Doch war das immer so? Keineswegs! Denn vor Vers 6 kommen noch 5 andere Verse. Und wenn man diese liest, wird klar, dass es nicht immer so positiv aussah, wie am Ende des Psalms.
In der Lutherbibel ist der Psalm mit „Hilferuf eines Angefochtenen“ überschrieben. Es ist ein typischer Klagepsalm. Während des Psalms vollzieht sich bei David ein Wandel im Denken und Fühlen.
Charles Haddon Spurgeon (*1834 †1892) schreibt in seiner Einleitung zu Psalm 13: „Der Psalm kann nicht auf eine besondere Begebenheit oder Zeit in Davids Geschichte zurückgeführt werden. Alle Versuche, seine Geburtsstätte ausfindig zu machen, sind nur Mutmaßungen. Was er sagt, ist ohne Zweifel mehr als einmal die Sprache dieses vielgeprüften Gottesmannes gewesen und will den Gefühlen des Volkes Gottes in den stets wiederkehrenden Anfechtungen Ausdruck geben. Wenn der Leser noch nie Anlass gefunden hat, sich die Sprache dieses kurzen Liedes zu eigen zu machen, so wird es nicht lange währen, bis er dazu Gelegenheit hat, wenn anders er ein Mann nach dem Herzen Gottes ist. Das Stichwort des Psalms ist: Wie lange?“
David stellt vier Mal die Frage „Wie lange?“. Er hält die Situation nur noch schwer aus und möchte, dass sie beendet wird. Er hat den Eindruck, Gott vergisst ihn derzeit absichtlich bzw. Gott verstecke sich. David braucht Geduld. Wir heute ganz sicher auch!
Natürlich hat David objektiv gesehen einen falschen Eindruck, da Gott niemals vergisst (Jes 49,14+15). Allerdings kann Gott sein Antlitz eine Zeit lang verbergen; z.B. als Erziehungsmaßnahme (siehe Jes 54,7). Auf alle Fälle wendet sich David mit seinem Problem an die richtige Adresse.
In Vers 3 lesen wir, dass David sich sorgt. Die Elberfelder-Übersetzung schreibt, dass er „Ratschläge hegt“. Dies zeigt, dass er in Gedanken kreist und eigene Auswege sucht. Er hat täglich Kummer. Vieles klingt nach einer Form von Depression, bei der das Grübeln typisches Symptom ist.
Es ist auch von „Feinden“ die Rede. Diese hatte David wohl viele. Zu dem Aspekt des „Wie lange?“ schreibt der baptistische Pastor Andrew Fuller (*1754 †1815): „Die Heftigkeit unserer Trübsal macht sie zu einer Versuchung für unsere Geistesstärke; aber erst durch ihre Dauer wird diese auf die schwerste Probe gestellt. Nicht in den schärfsten, sondern in den langwierigsten Prüfungen sind wir am meisten in der Gefahr, zu erliegen. Im ersteren Falle nimmt die Seele ihre ganze Kraft zusammen und erfleht inbrünstig die Hilfe von oben; im letzteren aber ermattet das Herz und versinkt in Mutlosigkeit. Als Hiob mit schlimmen Nachrichten in rascher Folge überschüttet ward, trug er es mit bewundernswerter Geistesstärke; als er aber kein Ende seines Leidens sehen konnte, da brach er zusammen.“
Ab Vers 4 tritt eine erste Veränderung in den Worten Davids ein. Er geht vom Fragen zum Bitten bzw. besser zum Flehen über. Er spricht Gott direkt an; denn er ist SEIN Gott. Ein Vertrauensverhältnis ist vorhanden. David bittet Gott um Dinge, die kein Mensch geben kann. „Erleuchte meine Augen“ übersetzt die NGÜ mit „Gibt mir neuen Mut und lass meine Augen wieder leuchten!“ Das enthält auch den Gedanken: Mach mich wachsam, dass ich Fallstricke und Gefahren sehe! Hier ist sowohl das innere als auch das äußere Auge gemeint. Und dann spricht David vom Tod. Angst vor dem Tod ist etwas Menschliches. David will hier (noch) nicht sterben – Warum? Vers 5 gibt die Antwort: Weil sonst sein Feind gesiegt hätte! Das hätte dann wohl auch Gottes Macht nach außen hin geschmälert. Es geht David um die Ehre Gottes. Umso mehr die gottlosen Feinde die Überhand haben, desto übermütiger werden sie.
Jetzt erst kommt unser Vers 6. Es ist wichtig, die Vorgeschichte zu kennen. Diese war alles andere als erfreulich. Aber nun erleben wir den totalen Umschwung. Das ist ein typischer Wandel in vielen Psalmen, wo es von der Klage zur Freude kommt. Gott verändert im Gebet die Sichtweise Davids. Die Situation ist die gleiche, aber der Blickwinkel ein anderer. Spurgeon schreibt: „Der Schlussgedanke des Psalms nimmt den Vorwurf der Vergesslichkeit zurück, den David im ersten Vers geäußert hatte.“
In Vers 5 könnten die Feinde frohlocken; jetzt frohlockt David. Frohlocken kann auch mit „freuen“ (Luther) oder „jauchzen“ (Elberfelder, Menge) übersetzt werden. Das ist eine Wende um 180 Grad.
Und dann spricht David davon, dass er dem Herrn singen will. Gesang ist schon immer Ausdruck von Freude und Gotteslob. Im persönlichen Bereich, aber auch in christlichen Versammlungen. Darauf dürfen wir als Gemeinde Jesu nicht verzichten!
Ich wünsche allen Lesern, dass sie gerade in Zeiten von Sorge, Unsicherheit und Druck zu diesem Bekenntnis des Psalmisten durchdringen und Gottes Gnade und Treue erfahren.
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