von Thomas Schneider
Es lohnt sich, das Buch von Winrich und Beate Scheffbuch mit dem Titel „Den Kummer vom Herzen singen & Dennoch fröhlich singen“ zu lesen. Meine liebe Ehefrau hat es regelrecht verschlungen. Es sind Lebensbilder von weniger bekannten und sehr bekannten Liederdichtern, von Heinrich Albert bis Johannes Zwick, von Christian Fürchtegott Gellert bis Martin Luther.
Einer unter den mehr als 130 Dichtern und Komponisten ist der am 11. Oktober 1585 in Niederschlesien geborene Pfarrer Johann Heermann, der seit dem Jahr 1611 in dem schlesischen Städtchen Köben an der Oder wirkte und im Alter von 62 Jahren heimgerufen wurde. Bereits als Kind stand Heermann mehrmals am Rand des Todes. Mit 23 Jahren war er unter Kaiser Rudolf II. kaiserlicher Dichter. Von schwerer Krankheit gezeichnet verlor er zudem nach fünf Jahren Ehe seine Frau. In den Kriegsjahren musste er Schlimmes erleben. In seinem Lebensbild heißt es:
„In den schrecklichen Jahren des Dreißigjährigen Krieges zogen nun plündernde und mordende Horden von Soldaten durch… Niemand kann beschreiben, wie furchtbar die hilflosen und wehrlosen Bürger litten. Heermann floh und versteckte sich 17 Wochen in der Fremde. Wer geblieben war, wurde zwangsweise zum Übertritt in die katholische Kirche genötigt. In diesem Krieg ging es aber schon längst nicht mehr um ein christliches Bekenntnis. In diesen Jahren des Schreckens betete Johann Heermann voll Liebe für die Verirrten und Verblendeten, dass doch ihre Sinne durch Gottes Geist hell erleuchtet werden und sie zur Erkennstnis von Jesus Christus kommen. Seine Friedensherrschaft muss doch endlich über Leiden und Schrecken, Krieg und Elend siegen.“
Heermann dichtete in dieser Zeit das Lied „O Jesu Christe, wahres Licht“, wo es heißt:
O Jesu Christe, wahres Licht,
erleuchte, die dich kennen nicht,
und bringe sie zu deiner Herd,
dass ihre Seel auch selig werd.
Erfülle mit dem Gnadenschein,
die in Irrtum verführet sein,
auch die, so heimlich ficht noch an
in ihrem Sinn ein falscher Wahn;
und was sich sonst verlaufen hat
von dir, das suche du mit Gnad
und ihr verwundt Gewissen heil;
lass sie am Himmel haben teil.
Erleuchte, die da sind verblendt,
bring her, die sich von uns getrennt,
versammle, die zerstreuet gehn,
mach feste, die im Zweifel stehn.
Auch das Leben und Wirken von Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, 1906 im schlesischen Breslau geboren und nur wenige Tage vor Kriegende, am 9. April 1945, im Konzentrationslager Flossenbürg von Nationalsozialisten hingerichtet, wird im Buch von Winrich und Beate Scheffbuch schlaglichthaft beleuchtet. So heißt es:
„Für Bonhoeffer bedeutete Nachfolge Jesu angesichts der Machtansprüche der Naziherrschaft über die Kirche ganz konkret: aktiver Widerstand. Er schrieb: ‚Nachfolge ist Bindung an den leidenden Christus. Darum ist das Leiden der Christen nichts Befremdliches. Es ist vielmehr lauter Gnade und Freude‘.“
Bonhoeffer schrieb das Lied „Von guten Mächten treu und still umgeben“, wo es in der zweiten, dritten und letzten Strophe heißt:
Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Muss es erst wieder soweit kommen, dass Menschen Krieg und damit verbundenes Leid und Elend erleben, dass Väter und Söhne in den Krieg ziehen müssen? Angesichts der fürchterlichen Kriegstreiberei in unseren Tagen, angezettelt von Reichen und Mächtigen dieser Welt, könnte jeder normal Denkende und gut Informierte wissen, wohin die Reise gehen soll, wohin man die Menschen führen will und dabei unschuldiges Blut vergossen wird.
Wer heute allein schon die Frage „Muss es erst wieder soweit kommen?“ mit Rückschau auf verheerende Kriege in den Mund nimmt, muss auch in unserem Land – dessen Freiheit und Demokratie auf dem Spiel stehen – damit rechnen, angezeigt, verhört, verhaftet, inhaftiert und zu Unrecht verurteilt zu werden.
Es bleibt des Christen Aufgabe, wie es Johann Heermann vorgelebt hat und es im Buch heißt „voll Liebe für die Verirrten und Verblendeten“ zu beten. Da haben Christen tagtäglich genügend zu tun, denn verirrte und verblendete Menschen gibt es in großer Zahl – sowohl in Kirchen, als auch in der Regierung.
Es bleibt aber auch des Christen Aufgabe, wie es Dietrich Bonhoeffer vorgelebt hat, angesichts der Machtansprüche von Mächtigen und Gewaltigen über die Gemeinde Jesu Christi, Widerstand zu leisten: über die Verbreitung der rettenden Botschaft von Jesus Christus und durch Aufklärung über staatlich gelenkte Gehirnwäsche. Machtansprüche beginnen nicht erst im Krieg mit Panzern und Raketen, sondern zeigen sich auch im schonungslosen Werbefeldzug für Abtreibung und aktive Sterbehilfe, für die Verabreichung todbringender Medizin und für eine Sexualisierung unserer Kinder und Enkelkinder. Wehret den Anfängen!
Sollte es – was sich wohl keiner wünscht – doch wieder soweit kommen, dass Millionen Menschen unter Krieg und Elend zu leiden haben, steht der allmächtige Gott denen zur Seite, die ihn fürchten und lieben. Die Lebensbilder der Dichter und Komponisten geben Einblick in vieles, was sie im Leben durchmachen mussten. In den größten Nöten haben sie ihre Lieder und Gedichte verfasst, die seither vielen Menschen in Trübsal, Angst, Bedrängnis und Verfolgung zum Trost geworden sind. Und sie werden es auch dann sein, wenn große Not über unsere Familien, über unser Land und über die ganze Welt hereinbrechen sollte. „Erwarten wir“ – wie es in Bonhoeffers Lied heißt – „getrost was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“.
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