(AG WELT) In Baden-Württemberg (BW) hat sich unter dem Dach des eingetragenen Vereins „Esoterik- und Religionsinfo BW“, eine neue „Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen“ mit dem Namen „ZEBRA“ etabliert. Auf der Internetseite des Vereins heißt es u.a.:
Wir bieten eine religiös neutrale … Beratung für Menschen, die Orientierung auf dem Markt der Weltanschauungen suchen. Unser Ziel ist es, Menschen zu unterstützen, die Fragen zu diversen Gruppierungen, sog. Sekten und esoterischen Angeboten haben. Wir sind keinem religiösen Bekenntnis verpflichtet und bieten eine weltanschaulich neutrale Beratung an. Dabei sind wir bemüht, statt polarisierendem schwarz-weiß Denken eine interessierte und offene Haltung gegenüber den verschiedensten Weltanschauungen und Angeboten einzunehmen. Die unveräußerlichen Persönlichkeits- und Freiheitsrechte jedes Einzelnen bilden die Grundlage unserer Arbeit. Dennoch warnen wir auch vor Angeboten, welche wichtige Grundrechte einschränken oder Menschen- und Kindesrechte verletzen. (Stand: 28.02.2020, 12 Uhr)
Doch eine „weltanschaulich neutrale Beratung“ gibt es nicht. Das dürfte nicht nur dem Kultusministerium, sondern auch der Vereinsmannschaft von „ZEBRA“ allgemein bekannt sein. Jeder Mensch, auch ein Beratender, hat eine Weltanschauung.
Persönliche Vorstellungen, Wertungen und Sichtweisen haben ihr Fundament im Wissen, in der Lebenserfahrung, im Glauben und auch im menschlichen Empfinden. Diese beeinflussen nicht nur die Deutung der Welt insgesamt, sondern auch die Bewertung von Individuen, Gruppen und Organisationen, gleich welcher Prägung. Die Vorstellungen und Erwartungen eines Menschen zu bestimmten Werten und zum Sinn des Lebens haben erheblichen Einfluss auf seine Weltsicht.
Entgegen der Natur des tierischen Zebras, das ohne sein schwarz-weißes Streifenmuster kaum vorstellbar wäre, will der Verein „ZEBRA“ eine Beratung ohne „schwarz-weiß Denken“ und offen sein für alle, „
Unser Anspruch ist es, diese farbenfrohe Entwicklung des religiösen Marktes zu beobachten, darüber zu informieren und gegebenenfalls dazu zu beraten.
Wir urteilen nicht über gute oder schlechte Religion, unterteilen nicht zwischen Kirche oder Sekte.
Wir wollen Menschen dabei begleiten, eigene spirituelle Wege zu gehen.
Wir wollen eine interessierte und offene Haltung gegenüber den verschiedensten Weltanschauungen und Angeboten des Lebenshilfemarktes einnehmen.
Die vom Kultusministerium in BW finanzierte Beratungsstelle besteht nach Vereinsangaben aus einem „multiprofessionellen Team erfahrener BeraterInnen aus den Bereichen Psychologie, Pädagogik und Ethnologie.“
Die Leitung von „ZEBRA“ hat die 42-jährige Sarah Pohl, Dipl.- Pädagogin, systemische Paar- und Familienberaterin im Freiburger Familientherapeutischen Arbeitskreis und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Sie promovierte an der Pädagogischen Hochschule Freiburg mit der Arbeit „Externe und interne Beobachtungen und Aussagen zur Erziehung in einem geschlossenen religiösen System am Beispiel der Zeugen Jehovas“. Auffällig ist, dass „ZEBRA“ unter der Rubrik „Veröffentlichungen“ fast ausschließlich Einzelschriften sowie Zeitschriften- und Buchbeiträge von Pohl anbietet. Pohl publizierte u.a. auch bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) unter . Die EZW ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Pohl ist ebenfalls Mitarbeiterin der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. Leiter ist Dr. Dr. Walter von Lucadou. Dieser gibt auf seiner Internetseite bekannt:
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport von Baden-Württemberg hat die institutionelle Förderung der „Parapsychologischen Beratungsstelle“ mit Ablauf des Jahres 2019 eingestellt. Als Grund hierfür wurde mitgeteilt, dass keine Haushaltsmittel mehr zur Verfügung stünden, weil eine „Ressortzuständigkeit“ für die gegebenen Fragestellungen nicht mehr vorhanden sei. Alle bisherigen Versuche, die konstruktive und auf gegenseitigem Vertrauen beruhende, erfolgreiche Kooperation mit dem Ministerium, die seit 30 Jahren unzähligen Menschen in schwierigen Lebenssituationen wirkungsvolle Hilfe ermöglichte, aufrecht zu erhalten, hat sich als fruchtlos erwiesen.
Scheinbar konnte Pohl das Kultusministerium davon überzeugen, eine neue Beratungsstelle mit dem Namen „ZEBRA“ zu finanzieren. Mit den beliebten Schlagwörtern wie „Toleranz“, „Persönlichkeits- und Freiheitsrechte“, „Menschen- und Kinderrechte“, „Grundrechte“ u.a.m. dürfte die Überzeugungsarbeit nicht schwer gefallen sein.
Pohls Stellvertreterin ist die Hebamme Yvonne Künstle. Sie ist ausgebildet in Traditioneller Chinesischer Medizin und Homöopathie. Gemeinsam mit einer anderen Hebamme plante sie die Gründung einer Elternschule, in der auch Referenten über Yoga informieren sollten.
Zum „ZEBRA“-Team gehört auch Ricarda Zöhn, Master of Science, Klinische Neuropsychologin, systemische Beraterin und Trauerbegleiterin. Sie ist die Vorsitzende des „Vereins Esoterik- und Religionsinfo BW“ und gehört gleichzeitig zum Beratungsteam des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene. Dieser eingetragene Verein beschäftigt sich nach eigenen Angaben „mit der systematischen und interdisziplinären Erforschung von bisher unzureichend verstandenen Phänomenen und Anomalien an den Grenzen unseres Wissens. Dazu zählen veränderte Bewusstseinszustände, außergewöhnliche menschliche Erfahrungen, psychophysische Beziehungen…“
Immer wieder werden Zöhn und Pohl auch von der Evangelischen Akademie Baden eingeladen.
Damit dürfte offensichtlich sein, dass auch von „ZEBRA“ eine weltanschauliche Beeinflussung ausgeht und nicht – wie vom Verein nach außen hin dargestellt – eine weltanschaulich neutrale Beratung stattfindet.