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Das banalisierte Christentum

Dr. Werner Gitt, Foto: privat

von Werner Gitt

Welchen Eindruck gewinnt ein Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser, wenn er auf das „Wort zum Sonntag“ schaltet oder in einer Tageszeitung das „Geistliche Wort“ liest? Achselzuckend wird er denken: „Auch nichts Neues; bleib wie du bist!“ Die vermittelten Belanglosigkeiten lassen sich schnell zusammenfassen: „Übe dich in ein bisschen Mitmenschlichkeit und gewähre alle Toleranz gegenüber jeder Religion. Gottes weiter Mantel der Liebe reicht aus, um alle zu umhüllen.“ Wenn unsere Zeitgenossen eine derart homöopathisch verdünnte Botschaft als Christentum angeboten bekommen, wird sich nichts in ihrem Leben ändern, und sie marschieren getrost und unwissend weiter auf der breiten Straße, die bekanntlich zur Hölle führt, weil sie Christus, den Erlöser, nicht kennen gelernt haben.

Vor dem Hintergrund eines durch Humanismus und Aufklärung geprägten Umfeldes ist das Christentum nur eine unter vielen Religionen, die Bibel nur eine unter vielen heiligen Schriften, der Gott der Bibel nur ein Gott unter vielen anderen, und Jesus rangiert als einer unter vielen anderen Religionsstiftern.

Dennoch kommt es bei all diesen Relativierungen und Marginalisierungen zu so kämpferischen Schriften, wie sie etwa der streitbare englische Evolutionsbiologe Richard Dawkins mit seinem Bestseller „Der Gotteswahn“ vorgelegt hat. Auf 575 Seiten schlägt er wild um sich. Er möchte mit seiner Mission eine atheistische Weltrevolution auslösen und kämpft gegen jede Form des Gottglaubens, wobei er es auf den biblischen Gott in besonderer Weise abgesehen hat. Hier fährt er seine schändlichsten Wortgeschütze auf; ihm ist kein Mittel giftig genug, wenn er ihn diffamiert als „die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf, ein kleinlicher, ungerechter, blutrünstiger ethnischer Säuberer, ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder und Völker mordender, ekeliger, größenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann.“ Nach diesem Rundumschlag schwingt Dawkins seine Keule gegen die Kreationisten, die diesem Gott in allem vertrauen und ihm sogar zutrauen, dass er die ganze Welt und alles Leben in nur sechs Tagen geschaffen hat.

Als Dawkins im deutschen Fernsehen (ZDF) bei Kerner zum Streitgespräch eingeladen war, hatte er als Gegenüber den Ratsvorsitzenden der EKD und evangelischen Bischof von Berlin-Brandenburg Wolfgang Huber, den katholischen Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und den jesuitisch geprägten Politiker Heiner Geißler. Hatte Dawkins es hier mit handfesten bibelorientierten Christen zu tun? Der Kommentator Alan Posener beschrieb in der Tageszeitung „DIE WELT“ (16.11.2007) treffend die Haltung dieser drei „Christen“: „Mit weichgespülten westeuropäischen Theologen, die in schöner Einmütigkeit erklären, die Hölle habe für sie ‚keine große Bedeutung’, ihre Existenz werde von der Kirche ‚eigentlich nicht’ gelehrt (Jaschke), die ‚Kritik der Höllenforschung’ sei eine der Stärken der modernen Theologie (Huber) und überhaupt sei ‚die Existenz der Hölle unvereinbar mit der Existenz eines gütigen Gottes’ (Geißler) hatte Dawkins sichtlich seine Schwierigkeiten.“ Posener zog das Fazit: „Die Ausführungen der Dawkins-Gegner haben klar gemacht, wie sehr die christliche Religion in Deutschland heute einerseits zur reinen Lebensphilosophie, andererseits zur Magd der Politik verkommen ist.“ Am Schluss der Sendung fragte der Moderator den Vertreter des Atheismus: „Was passiert denn mit Ihnen nach dem Tod?“ Dawkins antwortete darauf: „Ich verrotte.“

Dort hätte ihn jemand unerschrocken ermahnen müssen: „Wenn Sie bei Ihrer gottlosen Anschauung bleiben, gilt für Sie das Gerichtswort Jesu: ‚Wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden’ (Markus 16,16). Die Hölle, die Sie für nicht existent halten und die diese ‚weichgespülten’ Theologen wegerklärt haben, wird in Ewigkeit Ihr realer Aufenthaltsort sein, aus dem es kein Zurück mehr gibt.“

Posener kommentierte weiterhin: „Schließlich ist Dawkins Buch vor allem geschrieben für den amerikanischen Markt, wo Glaube noch Glaube ist und wo das Wort der Bibel noch Gewicht hat.“ Als Evolutionsbiologe basiert Dawkins aggressiver Atheismus auf der Evolutionslehre. Diejenigen, die aus wissenschaftlichen und biblischen Gründen diese Lehre als Irrtum entlarven, sind seine ärgsten Feinde, denn sie entziehen ihm sein „Glaubensfundament“. Da wiedergeborene Christen „allem glauben, was geschrieben steht“ (Apg 24,14), verwerfen sie folgerichtig alle bibelkritischen Theologien und auch alle Welt- und Lebensentstehungstheorien, die dem Schöpfungsbericht der Bibel widersprechen. In diesem Sinne versucht man Bibelgläubige als Fundamendalisten und Kreationisten zu brandmarken. Man möchte sie am liebsten in dieselbe Schublade mit den islamischen Fundamentalisten und Terroristen stecken.

Liest man die Stellungnahmen von Bischöfen, Weltanschauungsbeauftragten oder liberalen Theologen zu dem Stichwort „Kreationismus“ oder „Intelligent Design“, so fällt auf, dass es überhaupt nicht um die unterschiedliche Deutung der Fossilien oder kosmologischer Prozesse geht. Zur Debatte steht einzig die Lesart der Bibel. Ist die Bibel nicht ernst zu nehmen, dann kann man auch an Evolution glauben und die Hölle wegretuschieren. Stimmt die Bibel aber doch, dann hat Gott wirklich in sechs Tagen die komplette Schöpfung vollendet, dann gibt es Himmel und Hölle, dann sind alle Religionen nur schillernde Fata Morganen einer verlorenen Welt, und dann ist Jesus auch der einzige Retter vor ewiger Verlorenheit.

 


Der Kolumnist Dr.-Ing. Werner Gitt leitete bis 2002 als Direktor und Professor bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig den Fachbereich Informationstechnologie. In seinen Studien, Büchern und Vorträgen befasst er sich vorwiegend mit der Verbindung zwischen biblischen Leitlinien und wissenschaftlichen Fragestellungen. Von seiner Homepage www.wernergitt.de sind div. Bücher und Aufsätze in Deutsch und etlichen anderen Sprachen herunterladbar.

 

 

 

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