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Anpassung oder Widerstand?

Prof. Dr. Friedhelm Jung, Foto: privat

von Prof. Dr. Friedhelm Jung

In den vergangenen 50 Jahren haben sich die 20 in der Evangelischen Kirche von Deutschland (EKD) zusammengeschlossenen Landeskirchen immer weiter von der biblischen Wahrheit und ihren eigenen Bekenntnisgrundlagen entfernt. Anfangs leugneten Theologieprofessoren wie Rudolf Bultmann (1884–1976), Willi Marxen (1919–1993) und Herbert Braun (1903–1991) den Sühnetod Jesu, seine leibliche Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft. Später wurde Jesus als einziger Heilsweg abgelehnt und humanitäre Hilfe an die Stelle von Mission gesetzt, und aktuell behaupten die Landeskirchen, dass die gottesdienstliche Segnung und Trauung von Homosexuellen ein Gott wohlgefälliger Akt sei.

Kampf von Anfang an

Der Bibel verpflichtete Christen aus den Landeskirchen, die auch als „Evangelikale“ bezeichnet werden, haben gegen diese Verirrungen von Anfang an gekämpft. So hat die Mitte der 1960er Jahre gegründete Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ mit viel Elan und großer Sachkompetenz den theologischen Niedergang der Landeskirchen aufzuhalten versucht – leider ohne Erfolg. In der Folge haben zahlreiche Mitglieder der Landeskirchen resigniert einen Wechsel in die Freikirchen vollzogen. Inzwischen hat aber auch die einst klar evangelikal orientierten Freikirchen und den Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverband ein kräftiger Säkularisierungsschub erreicht:

1. Unter dem Druck des Zeitgeistes wurde in den letzten Jahren die Frauenordination von vielen Freikirchen und verschiedenen Gemeinschaften des Gnadauer Verbandes eingeführt, was vor 40 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Obwohl einschlägige Bibelstellen ein klares Lehrverbot für Frauen aussprechen und es im Alten Testament keine Priesterinnen gab, Jesus selbst nur Männer unter seine 12 Apostel berief und die neutestamentlichen Briefe nur von Ältesten sprechen, hat man sich den Landeskirchen angepasst.

2. Erste freikirchliche Pastoren leugnen die Jungfrauengeburt Christi und seinen Sühnetod. Selbst in einer eher konservativ evangelikal geprägten Freikirche wie dem Bund Freier evangelischer Gemeinden gibt es inzwischen Beispiele dafür.

3. Einige Freikirchen sind nicht mehr sicher, ob praktizierte Homosexualität überhaupt Sünde ist. Sie diskutieren über den Umgang mit praktizierenden Homosexuellen in ihren Reihen. Dürfen sie Mitglieder der Gemeinde sein und in ihr auch mitarbeiten? Darf eine gottesdienstliche Segnung gleichgeschlechtlicher Partner vorgenommen werden?

4. Junge Evangelikale sind heute weniger an biblischer Lehre als vielmehr an charismatisch geprägtem Lobpreis interessiert. Ökumenische Umarmungen stehen höher im Kurs als Abgrenzungen von Konfessionen, die unbiblische Lehren vertreten.

5. Neben und teilweise auch anstelle von Mission ist die Gesellschaftstransformation getreten. Evangelikale erkennen die großen sozialen Herausforderungen und Missstände und möchten – was grundsätzlich zu begrüßen ist – im Sinne Jesu Christi Nächstenliebe und humanitäre Hilfe weitergeben sowie negative Strukturen verändern. Doch leider wird dabei das Zeugnis von Jesus als dem einzigen Weg zu Gott zeitweise an die zweite Stelle gerückt, obwohl der Missionsbefehl oberste Priorität haben sollte. Die Beobachtung, dass liberale Entwicklungen der Landeskirchen mit zeitlicher Verzögerung auch die Freikirchen erreichen, ist somit an mehreren Beispielen zu belegen.

Liberalisierung führt zu Spannungen

Die Liberalisierung der evangelikalen Bewegung, die im Übrigen auch in den USA zu beobachten ist, führt zu Spannungen. Hauptstreitpunkt bleibt das Schriftverständnis. Ist die Bibel Gottes Wort ohne Wenn und Aber? Oder enthält sie nur Gottes Wort? Während sich konservative Evangelikale zur Irrtumslosigkeit der ganzen Heiligen Schrift bekennen, vertreten progressive Evangelikale die Meinung, dass die Bibel nur in ihren theologischen Aussagen zuverlässig ist.

Ob die überkonfessionelle evangelikale Bewegung, der man momentan über eine Million Christen zurechnet, die Kraft haben wird, dem Zeitgeist zu widerstehen und mit einheitlicher Stimme biblische Positionen zu vertreten, ist mehr denn je fraglich. Entweder sie wird sich im Stil der Landeskirchen der Mehrheitsgesellschaft anpassen und dadurch ihre Kraft und auch Bedeutung verlieren, oder sie wird im Sinne Jesu Christi gegen den Strom schwimmen und als prophetische Stimme Licht und Salz sowie ein Stachel in einer säkularen Gesellschaft sein.

Prof. Dr. Friedhelm Jung lehrt am Bibelseminar Bonn sowie am Southwestern Baptist Theological Seminary
in Fort Worth (Texas) in den Fachbereichen Dogmatik, Konfessionskunde und Praktische Theologie.

Erstveröffentlichung in ideaSpektrum Nr. 18, 2.Mai 2019.

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