Quelle: bibelundbekenntnis.de
(28.11.2016) Die Kasseler Tageszeitung „Hessische Allgemeine“ (HNA) präsentierte am 24.11.2016 in großer Aufmachung ein Interview mit Bischof Martin Hein von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKK). Dessen Botschaft war eindeutig: Juden, Christen und Muslime beten zu demselben Gott. Das lese ich als Kasseler morgens nach dem Frühstück und bin erstaunt, wie klar und geradezu schroff der Bischof seine Meinung kundgibt. Oder bin ich erschrocken?
Da es ein wörtlich wiedergegebenes Interview ist, kann ich nicht annehmen, dass der Bischof falsch zitiert wurde. Zur Sicherheit schaue ich nach, was auf der Internetseite der Landeskirche über die Aussagen des Bischofs steht. Auch da die klare Aussage des Bischofs: „Meine Überlegungen zur Barmherzigkeit als einer Eigenschaft bzw. als einer Handlungsweise Gottes lassen eigentlich keine andere Antwort zu als ein klares Ja: Wir beten zu demselben Gott. Aber wir tun es auf verschiedene Weise.“
Der Bischof weiß natürlich, dass viele Gemeindeglieder seine Meinung nicht teilen. Wahrscheinlich ist auch bei einigen Synodalen seiner Kirche der Blutdruck gestiegen, als er ihnen auf der Landessynode seine Ansicht vortrug. Aber bei diesem und anderen heiß umstrittenen Themen wie der kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare halten etliche Bischöfe, nicht nur Hein, Rücksichtnahme auf einen großen Teil der Gemeindeglieder offensichtlich nicht für angebracht. Mit starker medialer Unterstützung können sie für ihre Ansichten rechnen. Und die nutzen sie gekonnt.
Warum geht Hein bei diesem Thema so rigoros vor? Setzen wir beste Absichten voraus. Es geht ihm darum, gesellschaftlichen Frieden zu stiften. Bischof Hein in dem Zeitungsinterview: „Wenn wir uns vom Terror lähmen lassen, dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht. Sicher macht es die angespannte Situation voller Gewalt nicht leichter, dass sich die drei monotheistischen Religionen aufeinander zubewegen. Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass die besonnenen Kräfte des Islam, aber auch des Judentums und des Christentums einen kühlen Kopf bewahren und fragen: Was verbindet uns? Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam für Frieden und Versöhnung einzutreten.“
Selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, uns um ein friedliches Zusammenleben zu mühen. Aber wie? Befremdlich finde ich, dass der Bischof Judentum und Islam gleich behandelt. Selbstverständlich beten Christen und Juden zu demselben Gott, nämlich dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Allerdings ist für viele Juden nicht akzeptabel ist, wenn Jesus als Messias und Sohn Gottes angebetet wird. Die Juden Petrus, Johannes und Paulus haben das mit vielen anderen Juden und dann auch Nichtjuden getan. Wir tun es auch heute.
Aber den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Vater des Messias Jesus mit Allah, dem Gott, wie er im Koran gelehrt wird, zu identifizieren, ist ein dreistes Stück.
Die Redakteurin der HNA fragt den Bischof: „Sie gehen bei der Suche nach Gemeinsamkeit sehr weit und sagen, dass wir alle denselben Gott anbeten. Wie ist das gemeint?“
Hein antwortet: „Das zentrale verbindende Element zwischen den drei Religionen habe ich im Verständnis der Barmherzigkeit Gottes gefunden. Diese Vorstellung teilen Christen, Juden und Muslime. Aber unsere Erfahrungen Gottes sind unterschiedlich. Ein häufiger Vorwurf der Muslime lautet, wir Christen würden drei Götter anbeten. Da erwarte ich, dass sie sich mit dem Verständnis der Dreieinigkeit auseinandersetzen. Uns begegnet Gott in Jesus Christus. Solche Unterschiede bedeuten aber nicht, dass jede Religion im Himmel ihren eigenen Gott hat.“
Begegnet Gott nur uns in Jesus Christus? Ist Gott in Jesus nicht für alle Menschen gekommen? War nicht Gott in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst? (2.Korinther 5,19) Der Bischof meint wohl, man dürfe das nicht als Tatsache hinstellen, es sei ja nur die christliche Vorstellung.
Hein scheint auch ein merkwürdig abstraktes Verständnis von Barmherzigkeit Gottes zu haben. Die Bibel, Altes und Neues Testament, dokumentiert, dass Gott seine Barmherzigkeit in seinen Taten für Israel und in Leben, Sterben und Auferweckung von Jesus der ganzen Welt offenbart: So sehr hat Gott die Welt geliebt! (Johannes 3,16) Zentrum dieses Geschehens sind Kreuzigung und Auferweckung von Jesus.
Aber genau diese Kreuzigung Jesu bezeichnet der Koran als Lüge (Sura 4). Der Prophet Isa (Jesus) kann nach dem Koran nicht getötet worden sein, denn Gott ist allmächtig und weise. Und wer Jesus als Sohn Gottes anbetet, begeht die unvergebbare Sünde (Shirk).
Hein wird gefragt: „Was folgt daraus für das Verhältnis der Religionen?“ Er antwortet: „Es führt zu Toleranz, ohne die Berechtigung der einzelnen Religionen zu relativieren. Ich bin mit Begeisterung Christ und werde es auch bleiben. Aber durch den gemeinsamen Glauben an einen barmherzigen Gott können wir uns trotz aller Unterschiedlichkeiten näherkommen.“
Es gibt nach Meinung des Bischofs offenbar nur verschiedene Vorstellungen von Gott in den Religionen, wobei niemand weiß, wer Gott wirklich ist. Die Aussagen der Bibel über Gott sind nach dieser Auffassung nur menschliche religiöse Vorstellungen, „Glaubenszeugnisse“ heißt das im Theologenjargon. Die Bibel ist nicht Urkunde der Offenbarung Gottes. Die kritische Relativierung der Bibel führt dazu, dass aus dem klaren Bekenntnis zum lebendigen Gott menschliche Gottesvorstellungen werden, über die wir dann mit den Vertretern anderer religiöser Vorstellungen verhandeln können.
Hein geht es gar nicht um theologische Klärung, auch nicht um die Wahrheitsfrage, sondern um pragmatische Integrationsschritte z.B. in den Schulen: „Man wird nur Schritt für Schritt aufeinander zugehen können. Das beginnt bei gegenseitigen Einladungen in den Gottesdienst oder zum Freitagsgebet, nach dessen Ende der Gast seinerseits ein Gebet spricht – man könnte das spirituelle Gastfreundschaft nennen. Der zweite Schritt ist eine multireligiöse Feier, die von allen Teilnehmern zusammen gestaltet wird – wie bei dem gemeinsamen Gottesdienst zum 25-jährigen Gedenken des Grubenunglücks von Stolzenbach geschehen. Und als drittes stellt sich die Frage nach dem gemeinsamen Gebet. Dabei gilt es, Formen des Gebets zu finden, in denen sich alle drei Religionen wiederfinden, ohne dass sie ihre eigenen religiösen Anliegen aufgeben müssen.“
Der Bischof sagt dann noch „Mir geht es darum, dass wir intensiver über diese Fragen nachdenken.“ Das halte ich auch für dringend geboten. Nötig ist auch, dass dem Bischof offen und mit biblisch-theologischen Gründen widersprochen wird. „Das tut man nicht, jedenfalls nicht öffentlich“, höre ich schon wieder manche raunen.
Zum Widerspruch in der Zeitung bleibt uns die Nische der Leserbriefe, weil die Redaktion sich nicht vorschreiben lässt, die Gegenposition an vergleichbar prominenter Stelle im Blatt zu präsentieren. Der in Kassel lebende Theologe, Pfarrer und Dozent Dr. Wolfgang Reinhardt hat versucht, diese Möglichkeit zu nutzen. Nachstehend sein Leserbrief, von dem ich noch nicht weiß, ob und in welchem Umfang er veröffentlich wird. Dr. Wolfgang Reinhardt ist Mitglied des Netzwerkes Bibel und Bekenntnis.
Ulrich Parzany