Quelle: bibelundbekenntnis.de
Bei einer öffentlichen Diskussion am 18. November 2016 in Freiburg forderte Pfarrer Dr. Werner Neuer die Rücknahme des Beschlusses der Badischen Synode vom 23.4.2016, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen. Prälatin Dagmar Zobel verteidigte den Beschluss.
Dr. Werner Neuer ist evangelischer Pfarrer und seit 2000 Dozent für Dogmatik, Ethik, Ökumenische Theologie und Theologie der Religionen am Theologischen Seminar St. Chrischona (TSC) in Bettingen bei Basel. Besonders bekannt wurde seine große Biographie über den Professor für Neues Testament, Adolf Schlatter (Adolf Schlatter, Ein Leben für Theologie und Kirche, 1996). Er war auch wesentlich an der Formulierung der „Salzburger Erklärung“ beteiligt. https://www.bibelundbekenntnis.de/bekenntnisse/ Dr. Neuer ist Mitglied des Netzwerks Bibel und Bekenntnis.
Die öffentliche Stellungnahme von Dr. Werner Neuer ist von besonderer Bedeutung, weil sich damit ein prominenter theologischer Lehrer einer als evangelikal geltenden Ausbildungsstätte, des Theologischen Seminars St. Chrischona (TSC), öffentlich positioniert. Ich hoffe, dass er damit im TSC nicht allein steht. Gemeinden und Gemeinschaften müssen ein großes Interesse daran haben zu wissen, was an den Ausbildungsstätten über die aktuell umstrittenen Themen gelehrt wird. Von diesen Ausbildungsstätten kommen ihre zukünftigen hauptamtlichen Mitarbeiter.
Die Ausbildungsstätten können durchaus kirchlichem und staatlichem Druck ausgesetzt sein. Von kirchlicher Anerkennung hängt ab, ob die Absolventen in den Landeskirchen Arbeit finden. Manche Ausbildungsstätten erhalten auch finanzielle Unterstützung von den Landeskirchen. Damit müssen keine inhaltlichen Bedingungen verbunden sein. Angesichts der schroffen Entscheidungen der meisten Kirchenleitungen in der Frage der Segnung homosexueller Paare sind aber Einflussnahmen der Kirchen oder Rücksichtsnahmen der Ausbildungsstätten nicht länger ausgeschlossen.
Der staatliche Einfluss kann spürbar werden, wenn die Akkreditierung als staatlich anerkannte Fachhochschule angestrebt wird oder erworben wurde. Nach dem Wissenschaftsverständnis des anerkennenden staatlichen Wissenschaftsrates sollen theologische Fachhochschulen die Methode der historisch-kritischen Bibelauslegung lehren. Informieren soll man ja über alles, aber werden dann die bibelkritischen Positionen an den Ausbildungsstätten auch vertreten, deren verheerende Auswirkungen wir in der Pfarrerausbildung seit langen beklagen müssen? Bei allem Verständnis für schwierige Finanzierungen und wichtige Anerkennungen – es kann nicht nach dem Motto gehen „Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing“.
Wir haben im Zusammenhang der Herausgabe des Buches „Homosexualität – Biblische Leitlinien, ethische Überzeugungen, seelsorgerliche Perspektiven“, Andrew Goddard/Don Horrocks (Hg.), die vorzügliche Arbeit der Professoren Dr. Christoph Raedel, Dr. Armin Baum und des Rektors Prof. Dr. Stephan Holthaus erlebt und gewürdigt. Man hört, es würden an Ausbildungsstätten, die zum evangelikalen Spektrum gezählt werden, auch andere Positionen vertreten. Das sollte transparent werden. Privat, vertraulich und geheim können solche Meinungen ja nicht sein, weil sie regelmäßig in Lehrveranstaltungen den Studenten vermittelt und damit später in die Gemeinden transportiert werden.
Vielleicht sind ja die Thesen von Dr. Werner Neuer ein geeigneter Anlass, zu öffentlichen Erörterungen der Positionen zu kommen. Vertrauliche Konsultationen hat es in der Vergangenheit ja wohl gegeben. Einigende Ergebnisse sind öffentlich nicht bekannt geworden. Vielleicht regt uns das Reformationsgedenken 2017 ja an, die damals beliebte Form der Disputation wieder zu praktizieren.
Ulrich Parzany