In mehreren Interviews hatte sich Mitte Dezember 2015 der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz und Mitglied des Rates der EKD, Michael Diener, zu einer von ihm angestrebten Veränderung evangelikaler Gemeinden geäußert.
Der Bibelbund mit einem Freundeskreis von 4000 evangelikalen Christen stimmt einigen Aussagen Dieners weitgehend zu:
1. Es gibt keine biblische Legitimation für die in den meisten evangelischen Landeskirchen praktizierten Segnungs- und Trauungs- Gottesdienste für homosexuelle Paare, so Diener. Kirchlicherseits dürfe es keine vollkommene Gleichstellung homosexueller Beziehungen mit der Ehe zwischen Mann und Frau geben.
2. Evangelikale Christen sollten nach Diener im Umgang mit ihren Gegnern auf Polemik und Selbstgerechtigkeit verzichten. Menschen von denen man sich abgrenzt oder die man für Gott gewinnen will, sollte man in Klarheit und Liebe begegnen.
3. Im Gegensatz zur offiziellen Haltung der EKD hält Diener die Mission unter Juden und Muslimen auch heute noch für geboten. Große Teile der biblischen Urgemeinde waren Juden, die zum christlichen Glauben konvertierten.
Der Bibelbund distanziert sich deutlich
Auf der anderen Seite distanziert sich der Bibelbund deutlich von den relativierenden Aussagen Michael Dieners. Es steht im offenen Gegensatz zu evangelikalem Selbstverständnis, wenn einer ihrer prominenten Vertreter zwar die eindeutigen Aussagen der Bibel nennt, sie dann aber sofort wieder als subjektive Meinung einschränkt.
1. Christen müssen keine „gespaltenen Persönlichkeiten“ sein. Evangelikales, bibelorientiertes Leben ist nicht in erster Linie das Ergebnis einer pietistischen Sozialisation in einer gesellschaftlichen Subkultur, wie Diener suggeriert. Der Heilige Geist verändert das Denken, Reden und Handeln des Menschen, der sich Gott ganz ausliefert (vgl. Röm 12, 2). Eine fromme Erziehung produziert keine an der Bibel orientierten Gläubigen. Nur die Umkehr zu Gott und die bewusste Unterstellung unter seinen Willen, machen einen Menschen zum lebendigen Christen.
2. Evangelikale Christen sind in erster Linie Gott und seiner in der Bibel mitgeteilten Wahrheit verpflichtet und nicht, wie Diener behauptet, der Evangelischen Kirche. In einer von Meinungs- und Religionsfreiheit geprägten Demokratie sind evangelikale Christen glücklicherweise nicht auf das Wohlwollen der großen Kirchen angewiesen. Statt der Akzeptanz unstrittig bibelkritischer Positionen um des theologischen Friedens willen, haben evangelikale Christen der Kirche immer dann am meisten geholfen, wenn sie deren Defizite benannten.
3. Christen sollen sich eindeutig und unverschnörkelt zu den Aussagen Gottes in der Bibel stellen, gerade auch in Gesprächen mit den Vertretern anderer Religionen. Eine aktive Förderung islamischen Glaubens gehört nicht zu den Aufgaben eines gläubigen Christen. Dieners Werbung für die Beteiligung des EKD- Ratsvorsitzenden Bedford- Strohm an der Gründung einer Münchener Großmoschee kann aus Sicht des Bibelbundes nicht als Meinung „der Evangelikalen“ angesehen werden. Nach den eindeutigen Aussagen der Bibel führen andere Religionen den Menschen in die Irre und nicht zu Gott. Im Gegensatz zu einem evangelikalen Glaubensverständnis verteidigt Diener den Münchener Bischof, wenn dieser äußerte, die „Begegnung mit dem Reichtum anderer Glaubenstraditionen“ mache ihn zu „einem glücklicheren Menschen“ und, es könne „berührend und bereichernd sein (…), wenn man sich vom Ruf des Muezzins mit hineinnehmen lässt in dessen Gottesdienst“. Solche Meinungsäußerungen führen nicht zu einem klaren Bekenntnis des christlichen Glaubens, sondern weit eher zu einer fatalen Religionsvermischung.
4. Nicht alle Interpretationen der Bibel sind gleich gültig und akzeptabel, wie in Dieners Äußerungen vorausgesetzt. Es ist falsch, jede subjektive und häufig interessengeleitete Deutung der Bibel als legitim und gleichwertig zu betrachten. Zwar treten durch einen solchen Umgang mit Wahrheit Konflikte und Differenzen in den Hintergrund. Gleichzeitig aber führt diese Auffassung zu einer generellen Relativierung göttlicher Aussagen. Die Bibel mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch wird hier ohne Not dem Diktat der Postmoderne und des Konstruktivismus ausgeliefert. Gottes Massstäbe entstehen eben nicht erst in der jeweils subjektiven Interpretation des Menschen, wie Diener nahelegt. Biblische Aussagen sind auch losgelöst von eigenen Prägungen und Meinungen erkennbar. Ob Gott beispielsweise Homosexualität ablehnt oder gutheißt, darf nicht auf die Ebene persönlicher Meinungen oder unterschiedlicher Lebensumstände reduziert werden. Pluralität und Meinungsvielfalt sind, im Gegensatz zu Dieners Äußerungen, keine christlichen Werte an sich.
Gottes biblische Aussagen nicht verwässern
Der Bibelbund fordert Christen auf, sich eindeutig von einer weiteren Relativierung der Bibel zu distanzieren. Gottes Mitteilungen bieten nicht nur die Grundlage für subjektive, religiöse Meinungen und randständige Lebensweisen. Gottes Wort hat eine überzeitliche Gültigkeit, die über alle privaten Interpretationen und Prägungen hinausgeht. Gerade darin liegt die außerordentliche Kraft der Bibel, dass sie ideologiekritisch jedem vorläufigen Zeitgeist und jeder Modetheologie korrigierend entgegentritt. Es ist unzulässig und anmaßend, Gottes biblische Aussagen zu verwässern oder durch strategische Kompromisse einzuschränken nur um einen vorläufigen kirchlichen Konsens zu erreichen.
„Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.“ (3. These der Barmer Theologischen Erklärung 1934)
Michael Kotsch (Vorsitzender des Bibelbundes)
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Michael Kotsch ist zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V.