Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V. zur Annäherung der Evangelischen Allianz an die katholische Kirche
(AG WELT) In jüngster Vergangenheit suchen führende Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), wie deren Generalsekretär Geoff Tunnicliffe, zunehmend die Nähe zur Katholischen Kirche. Einerseits ist das verständlich und wünschenswert. Immerhin gibt es eine theologische und lebenspraktische Schnittmenge zwischen beiden Gruppen: ähnliche ethische Einschätzungen bei Konfliktthemen wie Abtreibung und Ehe, Skepsis gegenüber historisch- kritischer Bibelauslegung, soziales und missionarisches Engagement usw. Andererseits stehen tiefgreifende theologische Differenzen und negative Erfahrungen aus der Vergangenheit im Hintergrund, die nicht einfach vergessen werden dürfen.
1. Im Gegensatz zur katholischen Kirche betonen evangelikale Christen die absolute Gültigkeit der Bibel allein, gegen ihre Gleichstellung mit Konzilien und päpstlichen Beschlüssen. 2. Sie setzen sich ein für ein allgemeines Priestertum, gegen kirchliche Hierarchie. 3. Evangelikale predigen die Erlösung durch eine bewusste Entscheidung (Bekehrung) des Menschen, gegen eine Taufwiedergeburtslehre und eine Mitwirkung der Kirche bei der Erlösung. 4. Sie stellen den Glauben in den Mittelpunkt und lehnen eine Vermittlung des Heils durch Sakramente ab. 5. Evangelikale akzeptieren Christen aus verschiedenem konfessionellem Hintergrund und widersprechen dem Gedanken einer einzigen seligmachenden, irdischen Kirche. 6. Sie betrachten alle wahrhaft Gläubigen als Heilige und kritisieren die kultische Verehrung ausgesuchter, irdischer Personen (katholische Heilige). 7. Bei evangelikalen Christen steht Jesus Christus allein im Mittelpunkt ihres Glaubens, sie kennen keine Miterlöserin (Maria) und keinen Stellvertreter Christi auf Erden (Papst).
Evangelikale sollten auch nicht vergessen, dass sie durch die katholische Kirche über Jahrhunderte hinweg diffamiert, verfolgt und getötet worden sind, solange diese mächtig genug dazu war. Diese Handlungen wurden von katholischer Seite aus weder deutlich beim Namen genannt noch ernsthaft bereut. Noch immer gelten die wegweisenden Aussagen der katholischen Erklärung Dominus Iesus, die durch Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 autoritativ veröffentlicht wurde. Demnach werden evangelische und evangelikale Gruppen vom Vatikan weder als Kirchen noch als gleichrangige Gesprächspartner akzeptiert. Die katholische Kirche mit all ihren Dogmen wird in diesem Dokument erneut als die einzig wahre Kirche Christi festgeschrieben.
Zweifellos ist es in einer pluralistischen und im Westen zunehmend säkularisierten Welt sinnvoll, wenn christliche Gruppen sich miteinander austauschen und ihre gemeinsamen Interessen formulieren. Um überhaupt noch gehört zu werden kann es beispielsweise auch hilfreich sein, wenn sich Evangelikale und Katholiken gemeinsam für den Schutz der Ehe oder für das ungeborene Leben engagieren. Gemeinsame ethische und soziale Interessen sind jedoch bei Weitem zu wenig, um auf geistlich theologischer Ebene eng zusammenzuarbeiten.
So sehr eine punktuelle Zusammenarbeit zum Schutz christlicher Werte auch wünschenswert erscheint, darf auf der anderen Seite eine deutliche theologische Abgrenzung nicht fehlen. Anderenfalls stehen grundlegende Glaubensaussagen und die evangelikale Identität auf dem Spiel. Evangelikale Christen sollten deshalb eine deutliche Distanz zur offiziellen katholischen Kirche als Institution wahren.
Michael Kotsch (Vorsitzender der AG Welt) und Thomas Schneider (Referent der AG Welt)
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Lesen Sie dazu die Meldung der Evangelischen Nachrichtenagentur idea unter dem Titel
„Für ´deutliche Distanz´ zur katholischen Kirche“