Stellungnahme des 1. Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V., Michael Kotsch, zum Beitrag „Mission unter falscher Flagge – Radikale Christen in Deutschland“ im Ersten Deutschen Fernsehen (ARD):
Evangelikale Christen sind geldgierig, machthungrig, hinterwäldlerisch, leichtgläubig, dumm und gefährlich. So könnte man die ARD-Dokumentation vom Montag dem 4.August 2014 zusammenfassen.
Schwerpunktmäßig geht es hier um das Stuttgarter Gospel Forum mit Peter Wenz, um Gabriele Wentlands „Mission Freedom“, um Jobst Bittner und die TOS Gemeinde in Tübingen, um Jörg Kohlhepps Verein „Zukunft für Dich“ und um Walter Heidenreich mit seiner „Freien Christlichen Jugendgemeinschaft“ (FCJG).
Sympathie kann man erfahrungsgemäß bei ARD-Berichten über evangelikale Christen nicht erwarten. Aber ein bisschen mehr Objektivität könnten die selbsternannten Tugendwächter schon an den Tag legen. So ist es nur schwer verständlich, dass man sich fast ausschließlich über Sexthemen und Okkultismus auslässt. Aussteiger unreflektiert als Quelle über die wahren Zustände in einer christlichen Organisation zu präsentieren ist zweifelhaft, da oftmals verzerrte Erinnerungen und menschliche Konflikte dominieren. Die Schnitte der Interviews wirken oftmals bewusst entstellend. Es ist auch höchst problematisch, dass in der ARD-Dokumentation mehrfach Mitglieder der Partei „Die Linke“ als scheinbar neutrale Sachverständige interviewt wurden, obwohl deren Partei in der DDR über Jahrzehnte Christen unterdrückt und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten hat. Eine objektive Information ist von eingeschworenen Religionskritikern kaum zu erwarten.
Offensichtlich ist den kommentierenden Journalisten jede Art engagierter Religiosität ein Dorn im Auge. Es wird in den betreffenden Beitrag nicht einmal der Versuch gemacht, die positiven Erfahrungen evangelikaler Christen und ihre Weltanschauung einfach stehenzulassen oder gar zu würdigen.
Nach der Dokumentation ist vor der Dokumentation. – Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die nächste kritisch-diskriminierende Fernseh-Reportage über Evangelikale gesendet wird. Einige führende Journalisten der staatlichen Medien-Anstalten sind offenbar fest entschlossen, evangelikale Christen zu den religiösen Hauptfeinden der modernen Gesellschaft zu stilisieren. Dabei geben sie sich als weltanschauliche Gesinnungswächter, die jede Abweichung von ihrer eigenen, säkularen Weltsicht strikt verurteilen und lächerlich machen.
Fehlentwicklungen erkennen und korrigieren
Trotz aller Kritik an einer bewusst verzerrenden Darstellung evangelikaler Christen in dieser ARD-Dokumentation müssen von Gemeinden und Werken eigene Missstände selbstkritisch wahrgenommen werden: Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren mehrfach Probleme mit geschönten oder ganz erfundenen Bekehrungs- und Heilungsgeschichten, die werbend in der Öffentlichkeit verbreitet wurden. Tatsächlich gibt es in manchen christlichen Kreisen einen nicht akzeptablen Macht- und Geldmissbrauch. Tatsächlich ist in einigen charismatischen Gruppen eine unbiblisch verkürzte Wirklichkeitswahrnehmung zu beobachten, bei der vorschnell rein irdische Probleme auf Dämonen und Teufel zurückgeführt werden. Tatsächlich gibt es Manipulationsversuche von Gemeindegliedern durch vorgeblich göttliche Offenbarungen, Prophetien oder „gesalbte Führer“. Tatsächlich dominiert in manchen Kreisen eine problematische emotionale Stimulation, die fälschlich als Wirken des Heiligen Geistes ausgegeben wird.
Die polemische Einseitigkeit religionskritischer Journalisten darf nicht über vollkommen berechtigte Hinweise auf interne Schwächen hinwegsehen lassen. Christen sollten gerade nach solch einer verzerrten Darstellung eigene Fehlentwicklungen erkennen und korrigieren.
Alex Kmoch meint
Dass die falschen Propheten und Wölfe im Schafspelz mit den wahren Schafen des guten Hirten in einen Topf geworfen werden, finde ich schon traurig. Aber das zeigt nur, dass der natürliche Mensch geistliche Dinge nicht beurteilen kann.
Dass wir als Christen hier im Westen nicht verfolgt werden bzw. wurden finde ich schon unnormal. Jetzt wird auch hier der Spreu vom Weizen getrennt.
Jesus Christus sagt: „Dann wird man euch der Drangsal preisgeben und euch töten; und ihr werdet gehasst sein von allen Heidenvölkern um meines Namens willen“ (Mt. 24,9).
„Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wärt, so hätte die Welt das Ihre lieb; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt heraus erwählt habe, darum hasst euch die Welt. Gedenkt an das Wort, das ich zu euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen; haben sie auf mein Wort [argwöhnisch] achtgehabt, so werden sie auch auf das eure [argwöhnisch] achthaben. Aber das alles werden sie euch antun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat“ (Joh. 15,18-21).
„Glückselig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Reich der Himmel! Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch jegliches böse Wort gegen euch reden um meinetwillen! Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß im Himmel; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind“ (Mt. 5,10-12).
Gisa Harnack meint
Sehr geehrter Herr Kotsch,
leider kann kann ich dem nicht zustimmen. Das, was man sah, war explizit. Wenn sich Gläubige so darstellen (und damit muss man ja rechnen, dass das merkwürdig ankommt! – und damit ALLEN Christen geschadet wird – also quasi ’selber schuld‘), dann muss man sich nicht wundern, WIE das aufgenommen wird. Hier ein klärender Link über das Gospel Forum: http://www.cleansed.de/doku.php?id=bgg:hildegard
Mit freundlichen Grüßen
Gisa Harnack
Gisa Harnack meint
Nachtrag – auch ein Reflektion auf Alex Kmochs Kommentar, den ich im Prinzip als richtig ansehe, aber doch etwas hinzufügen bzw. auseinanderhalten möchte.
Verfolgung – gut und schön, das geschieht schon seit 2000 Jahren, das Christen verfolgt werden. Aber damit kann man das Gebaren der gezeigten Gemeinden nicht rechtfertigen oder so tun, als wäre das koscher.
Nur ein Beispiel dazu: Im Interview mit Mareike Fuchs kam zum Ausdruck: „Auf einer Heilungsveranstaltung der TOS Gemeinde Tübingen beteten ehrenamtliche Mitarbeiter für Menschen, damit Jesus sie wieder gesund mache. Was ich persönlich schlimm fand, war, dass gleich zu Anfang gesagt wurde, Krankheiten kämen vom Teufel, denn Gott wolle, dass der Mensch gesund sei. …“
Diese Lehrmeinung ist völlig absurd, denn die Bibel und auch Paulus beschreiben es völlig anders:
Dagegen steht in der Bibel – nicht nur einmal – zB. in den Mosebüchern, dass Gott selber Krankheiten auferlegt. Und Paulus sagt in 2. Kor. 12/7-9: „Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.“
Kein Wunder, dass sich aussenstehende Medien für dies Seltsame interessierten. Ich bin der Meinung, nicht der Sender und diese Berichterstattung schadet dem christlichen Glauben, sondern die ‚Akteure‘ selber sorgen schon dafür…
Nochmals mit frdl. Grüßen!
Gisa Harnack
Jost Kegel meint
Sehr geehrte Frau Harnack, eine Erläuterung zur Verständlichkeit des Themas Krankheiten sei gestattet:
Gott lässt zu, er macht nicht „aktiv“ krank. So ist zu verstehen, das der Teufel als „Durcheinanderbringer“ sehr wohl die Krankheit bringt. Es ist allein dem ständigen Eingreifen Gottes zu verdanken, das Menschen nicht krank werden. Das Normale dieser Welt ist nicht Gesundheit sondern Krankheit. Das Normale von Gottes Welt ist Gesundheit. Würde Gott nicht ständig und überall Eingreifen, wäre diese Welt schon den Bach hinunter! Wann und wie Gott eingreift verbleibt seinem Willen und ganzheitlicher Sicht vorbehalten. Daher ist es wichtig, die Welt und unseren Nächsten mit „Gottes Augen“ zu sehen … wie Gott Ihn gemeint hat.
Liebe Grüße, Jost
Thomas Wust meint
Also ich war schon über drei Jahre im Gospelforum und finde die Pastoren sind ein gutes Team. Es gab in dem Bericht kaum Interviews mit Menschen, die konkret Hilfe oder Heilung erfahren haben, obwohl es viele gibt, denen geholfen wird. Interessanter Weise kommen gerade die Menschen zu Wort, die der Gemeinde den Rücken gekehrt haben, und von denen kaum eine objektive Meinungsäußerung zu erwarten ist. Auffällig ist, dass gerade die Gemeinden, die sehr offensiv sind, besonders kritisiert werden. Aber umstritten waren auch die Jünger vor 2000 Jahren, und ganz besonders Jesus selbst. Umstritten zu sein ist also kein Indikator dafür auf dem falschen Weg zu sein, eher, dass man wohl einiges richtig macht.
gerhard krauch meint
Da kann man nur die Worte von Jesus wiederholen: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Nemo Udeis meint
Seien wir doch mal ehrlich: Hätten die NDR-Redakteure gewusst, was sonst noch so alles abläuft in der frommen Szene, dann wäre die Doku noch viel schlimmer geworden. Umso unverschämter eigentlich von christlichen Leitern, sich als beleidigte Leberwürste aufzuspielen 😉
Elisabeth Ru meint
Was anderes war von dieser Leiterschaft nicht zu erwarten, als dass sie prima einheitlich aufgestellt sind und dementieren! Und die Leute mit ihren Kollateralschäden werden das Trauma lebenslang nicht los, Rehabilitierung wird es für sie nicht geben. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Sowas bleibt haften.
Elisabeth Ru meint
….wenn meine Meinung wichtig ist: hier ist sie!:
Ich habe versucht an diese „Allianzfunktionäre“ heran zu kommen, um ihnen etwas zu vermitteln, ihnen, die nie zuhören: Aber: man kann ja bekanntlich mit Fundamentalisten nicht „diskutieren“….Schlimm finde ich jenes „Überläuferstatement“ eines Weltanschauungsbeauftragten! Angeblich im Dienste der Objektivität. Nach dem inzwischen hier zu Lande üblichen Muster: Bloß nicht auf Opfer hören, wie es die Justiz ewig mit Vergewaltigten betrieben hat. Aussteiger bagatellisieren, eben TÄTERSCHUTZ!, Mißbrauchsopfer vom Runden Tisch fernhalten.
„Die Kirche“ hat sich in diesen Fragen strategisch zurück gehalten und nicht mit Engagement bekleckert. Man läßt lieber die Horden hampeln und glaubt „den unglücklichen Aussteigern“ nicht.
Traurig!
Elisabeth Ru meint
Ich nenne es sehr wohl seelische Gewalt! Milder ausgedrückt Instrumentalisierung. Auf jeden Fall: Abhängigmachung. Scheinbar gefällt das vielen Menschen!
Hans-Werner Georg meint
Der Bericht war sachlich, und er war nötig. Ich bin in einer von Evangelikalen geprägten Umgebung aufgewachsen und habe mich als Student in einer wissenschaftlichen Arbeit vor 40 Jahren bereits mit dieser Gruppierung beschäftigt. Es erstaunt mich daher heute, dass sich an ihrer Strategie nichts geändert hat. Christliches Bekenntnis wird auf Verkündigung verkürzt, man veranstaltet christliche Heerschauen, vor allem aber man urteilt darüber, was biblisch sei oder nicht. Sie selbst aber stehen außerhalb jeder Kritik, haben sie doch die (biblische) Wahrheit für sich gepachtet. Theologisch fragwürdig finde ich Inanspruchnahme von Jesus Christus für die eigene Sache, verwies Jesus selbst doch immer auf Gott. Und er verpflichtete die Seinen auf eine Handlungsethik. Die freilich bedarf keines verbalen Getöses, sondern tätiger Nächstenliebe.