Von Michael Kotsch
Auf den Fluch des Tutanchamun kann ich verzichten. Schon an sich sind Flüche keine angenehme Sache, doch der Fluch dieses längst verstorbenen ägyptischen Herrschers soll es ganz besonders in sich haben.
Nachdem Howard Carter 1922 unverhofft auf das Grab des geheimnisvollen Königs stieß, verbreite zuerst der Korrespondent des „Daily Express“ die Geschichte vom „Fluch des Pharao“. Demnach solle im Grab des Tutanchamun eine Inschrift hängen, die unliebsame Eindringlinge warnt: „Wer dieses geheiligte Grab betritt, soll rasch von den Schwingen des Todes heimgesucht werden“.
Als Lord Carnarvon, der Finanzier der Ausgrabung, kurze Zeit später plötzlich starb, wurde das als Beleg für den „Fluch des Pharao“ betrachtet. Insbesondere die damals bekannte Sensationsautorin Marie Corelli nahm sich des Themas an und spekulierte über eine Verschwörung aus dem Alten Ägypten. Ärzte konnten bei Lord Carnarvon allerdings lediglich eine Sepsis feststellen, die er sich durch einen infizierten Mückenstich zugezogen hatte.
Auch Sir Arthur Conan Doyle, der Erfinder des Superdetektivs Sherlock Holmes, hielt den „Fluch des Pharaos“ durchaus für real. Schon vor den Grabungen Carters im Tal der Könige wurden literarische Bedrohungen aus der Welt des Alten Ägypten entworfen. Die englische Schriftstellerin Jane Webb Loudon beispielsweise erfand in ihrem Roman „The Mummy“ („Die Mumie“) 1828 das Motiv der wieder zum Leben erwachenden Mumie, die sich an den Grabschändern rächte. Seitdem wurde die Mumienstory jedes Jahrzehnt erneut aufgewärmt und neu zum Leben erweckt.
Horror-Abenteuerfilm „Die Mumie“
„Die Mumie“ heißt dann auch ein von Karl Freund gedrehter Horrorfilm aus dem Jahr 1932. Darin erweckt der Archäologe Sir Joseph Whemple ungewollt die Mumie des ägyptischen Hohepriesters Im-Ho-Tep (gespielt von Boris Karloff) zum Leben. Der Archäologe wird daraufhin verrückt und die Mumie stiftet allerlei Unheil. Der amerikanische Horror-Abenteuerfilm „Die Mumie“ greift 1999 das Thema erneut auf. Wieder ist es die Leiche des Hohepriesters Im-Ho-Tep, die durch das rezitieren magischer Formeln versehentlich wieder lebendig wird. Die Mumie saugt den Teilnehmern der Grabungs-Expedition das Leben aus, bringt einige der zehn biblischen Plagen über das Land und versucht die schöne amerikanische Wissenschaftlerin Evelyn zu kidnappen. Letztendlich wird der größenwahnsinnige Im-Ho-Tep natürlich auch hier wieder in die Welt der Toten zurückgeschickt.
Fluch-Text nie gefunden
In geheimnisvollen Büchern über paranormale Phänomene und globale Verschwörungstheorien ist bis heute zu lesen, dass der „Fluch des Pharao“ 26 Menschen das Leben gekostet haben soll. Noch bei einer Ausstellung der Funde aus Tutanchamus Grab in den USA (1970) berichte einer der wachhabenden Polizisten er habe durch den „Fluch der Mumie“ einen Schlaganfall erlitten. Die Wirklichkeit sieht auch hier wieder ganz anders aus als der Mythos. Obwohl die Geschichte vom „Fluch des Pharao“ später sogar von der „Daily Mail“ und der „New York Times“ aufgegriffen wurde, ist bis heute ein solcher Fluch-Text in keinem einzigen ägyptischen Pharaonengrab gefunden worden. Ähnlich lautet höchstens der Text auf einem dem Gott Anubis geweihten Schrein: „Ich bin es, der den Sand daran hindert, die geheime Kammer zu verschütten. Ich bin zum Schutz der Verstorbenen da.“ Das klingt zwar auch etwas unheimlich, von einem Archäologen verfolgenden-Geist oder Fluch aber ist hier nicht die Rede.
Nach den im „British Medical Journal“ 2002 publizierten Untersuchungen sind von den 26 „Opfern“ des Pharaonen-Fluchs nur sechs in den ersten zehn Jahren nach Öffnung des Grabes gestorben. Obwohl sich „Tutanchamuns Fluch“ doch zuerst gegen den Hauptverantwortlichen, Howard Carter, wenden müsste, lebte der noch weitere 17 Jahre und starb relativ unspektakulär an einem Hodgkin-Lymphom. Bei einer erneuten gründlichen Untersuchung der Mumie Tutanchamus wurden keine geheimnisvollen Krankheitserreger gefunden, auch starben die daran beteiligten Wissenschaftler nicht unverhofft. Stattdessen fand man heraus, dass der 19-Jährige Pharao nur 1,70 Meter groß und sehr dünn war. Er starb offensichtlich an einem infizierten Knie.
Gott zieht Menschen zur Rechenschaft
Die Relevanz des Fluches ist offensichtlich von dem abhängig, der flucht, und davon inwieweit er die Möglichkeit und den Willen hat seine Ankündigungen wahr zu machen. Ein längst verstorbener Pharao hat offensichtlich in der Gegenwart keinerlei Macht mehr, außer über diejenigen, die sich in ihre magischen Ideen versteigen. Ein Chef, der flucht, weil er sauer auf einen ist, hat schon mehr Möglichkeiten einem das Leben schwer zu machen. Übernatürliche Wesen, die einem Böses wollen, sind da wohl noch gefährlicher – weshalb man sich tunlichst nicht mit echten okkulten Mächten einlassen sollte.
Gott ist zwar noch mächtiger, flucht aber nicht willkürlich. Trotzdem zieht er manche Menschen schon während ihres Erdenlebens zur Rechenschaft, wenn sie sich immer wieder gegen ihn wenden oder ihn herausfordern.