Wider die Diktatur des Toleranten
Ein Einwurf von Lothar Klein, einem ernsthaft besorgten Glied der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens
Als noch Frieden war
Um der Einheit der Kirche willen hatte sich die Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens am 29. August 2001 u. A. darauf verständigt, dass „eine homosexuelle Beziehung nicht im Pfarrhaus gelebt und nicht zum Inhalt der Verkündigung gemacht wird, …“. Zuvor, am 11. Dezember 2000, hatte sie in der Auseinandersetzung mit dem so genannten Lebenspartnerschaftsgesetz bereits eine Erklärung veröffentlicht, in der es u. A. hieß: „Die Kirchenleitung begrüßt es, dass die Staatsregierung des Freistaates Sachsen erwägt, die getroffene gesetzliche Regelung auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Gleichzeitig bittet die Kirchenleitung den Freistaat Sachsen, bei den weiteren
gesetzlichen Ausgestaltungen und den dazu erforderlichen Beratungen im Bundesrat einer weiteren Nivellierung der Ehe und ihrer familienrechtlichen Bedeutung entgegenzuwirken.“ So weit, so gut!
Es ist kein Geheimnis, dass ich 2000 an einem Antrag des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der Dresdner CDU mitgewirkt habe, der von der im selben Jahr tagenden Landesversammlung des EAK Sachsens beschlossen wurde. Mit diesem Antrag wurde die Staatsregierung des Freistaates Sachsen beauftragt, das Lebenspartnerschaftsgesetz beim Bundesverfassungsgericht dahingehend überprüfen zu lassen, ob es nicht das Abstandsgebot zwischen den durch Art. 6 GG unter den besonderen Schutz des Staates gestellten Ehe und Familie zu anderen Formen des Zusammenlebens verletzt. Es besagt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Leider wurde die Klage abschlägig beschieden. Dennoch war das für den Freistaat Sachsen kein Grund, sich mit wehenden bunten Fahnen zum Wasserträger der Schwulen- und Lesbenlobby zu machen, sondern so viel Zurückhaltung an den Tag zu legen, wie es nach geltendem Recht möglich ist. Und das ist auch gut so!
Fragwürdige Privilegierung
Es ist selbstverständlich, dass Homosexuelle in Sachsen nicht diskriminiert oder gar wie in früheren Zeiten verfolgt werden. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde, wie sie unser Grundgesetz festschreibt, gilt auch für sie. Doch für eine Privilegierung besteht ebenso wenig Anlass. Denn auch die verbietet das Grundgesetz. Aber genau eine solche ist in unserer Gesellschaft in vollem Gange. Und das hat Ursachen: Im Grunde würdigen sich viele Homosexuelle selbst herab, indem sie ihre Identität als Menschen auf ihre sexuelle Orientierung reduzieren. Um dies auszugleichen, fordern sie dann umso mehr an Beachtung und Anerkennung von ihrem Umfeld ein. In der „Welt“ vom 17.10.2009 stand ein Artikel von Philip Gut, dem Kultur- und Gesellschaftschef des Schweizer Magazins „Weltwoche“, aus dem ich einige bemerkenswerte Sätze zitieren will:
„Die Homosexualisierung der Gegenwart erreicht Rekordwerte. Mehr noch: Es scheint ein irritierender Kult um die Schwulen entstanden zu sein, Homosexualität ist zu einer Art Religion geworden. Wer sich outet, wird zum leuchtenden Märtyrer einer bekennenden Kirche. Wer sich dem Kult widersetzt, den trifft der Bannstrahl. (…) Der Staat fördert sie, die Gesellschaft buhlt um ihre Gunst. Die Schwulen bestimmen heute, wie über Schwule zu denken und zu sprechen ist – und vor allem, worüber man nicht sprechen darf. Der Punkt scheint erreicht, wo die Propagierung des eigenen Lebensstils auf Kosten der Meinungsäußerungsfreiheit ins Intolerante kippt. (…) Von der Unterstufe bis zum Militär, vom Erstklässler bis zum Armeeoffizier: `Homosexualität´ soll lebensbegleitender Pflichtstoff werden. (…) Bei solcher, pardon: Penetrierung des öffentlichen Lebens mit der Homosexualität geht es längst nicht mehr um rechtliche Gleichstellung – eine Selbstverständlichkeit in jedem liberalen Gemeinwesen – oder darum, ob Schwule und Lesben ihre Sexualität praktizieren dürfen. Die Frage stellt sich: Wo ist der Punkt, an dem der berechtigte Protest gegen Unterdrückung, Verkennung und Diskriminierung umschlägt in peinliche Propaganda für persönliche Vorlieben? (…)
Eigentlich haben die Homosexuellen mit der rechtlichen Gleichstellung und der gesellschaftlichen Akzeptanz ihre Ziele erreicht. Sie befänden sich in einer „sehr privilegierten Lage“, die Politik sei ihnen „sehr wohlgesinnt“, hieß es im Begleitheft zur `EuroPride´. Die Gegnerschaft sei `unbedeutend´. Wenn Schwule und Lesben derart `privilegiert´ sind, wofür kämpfen sie dann noch?“
Diese hier benannte und kritisch hinterfragte Privilegierung von Schwulen und Lesben, die konsequente Umsetzung dieses politischen Programms, ist derzeit auch in der sächsischen Landeskirche in vollem Gange. Und sie findet statt im krassen Widerspruch zu den eingangs zitierten Beschlüssen der Kirchleitung von 2001, mit denen sich die sächsische Landeskirche bisher von der in der EKD üblichen Praxis abgesetzt hat. Wieso jetzt diese radikale Kursänderung? Darauf werde ich noch eingehen. Doch zunächst möchte ich die Behandlung des Themas durch die derzeitige Kirchenleitung reflektieren.
Theologische Defizite
Das Liebesgebot Christi, auf das der Landesbischof in seiner Rede vor der Synode verwiesen hat, bezieht sich jedoch auf den Sünder, nicht auf die Sünde. Ebenso gilt die Rechtfertigung aus dem Glauben an die Erlösungstat Jesu am Kreuz dem Sünder, der seine Sünde als solche bekennt und bereut, weil das Wort Gottes diese als Sünde benennt. Es geht um Rechtfertigung des Sünders, nicht der Sünde! Das ist es, „was Christum treibet“, „zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ (Lukas 19,10).
Landesbischof Bohl hat dargelegt: „In aller Offenheit, es irritiert mich sehr, wenn in Zuschriften mit großer, geradezu mit letzter Sicherheit gewusst wird, welche Übel der Zeitgeist bewirkt. Nach meiner Erkenntnis leben wir aber in einer widersprüchlichen Zeit, in der wir sowohl gute als auch schlechte Entwicklungen beobachten.“
Diese Feststellung steht außer Zweifel, auch wenn Herr Bohl mit rhetorischen Tricks den Eindruck des Gegenteils erwecken wollte. Entscheidend ist doch, – bei aller notwendigen Reflexion des Zeitgeistes zur Bewertung der missionarischen Situation – dass Kirche nicht eine Getriebene des Zeitgeistes ist, sondern „welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“ (Römer 8,14). Nichts beschreibt die Irritationen Jochen Bohls über die biblische Gewissheit von Schwestern und Brüdern im Gauben treffender, – die er erst rhetorisch als „letzte Sicherheit“ überhöht, um sie dann zu hinterfragen – als die von Professor Johannes Berthold vor der Landessynode zitierten Sätze von Simone Weil: „Ihm war die Sprache der Gewissheit verloren gegangen, nun verdächtigte er sie bei anderen. `Wer selbst entwurzelt ist, entwurzelt!´ Das Umschlagen bereichernder Pluralität in einen Pluralismus unvereinbarer Positionen macht Kirche zu einem getreuen Spiegelbild der Gesellschaft.“ Und was wird in unserer orientierungslosen Gesellschaft nicht alles unter „Liebe“ missverstanden?! Die Verwirrungen der Definition des Begriffes Liebe hat eine dunkle Tradition.
In dem NS-Propagandafilm „Ich klage an“ lässt der Regisseur Wolfgang Liebeneiner den wegen Mordes an seiner schwerkranken Frau angeklagten Ehemann sagen: „Ich habe meine Frau sehr geliebt.“ Er hatte sie getötet, um sie von ihrem schmerzhaften Leiden zu „erlösen“. Es ging darum, sich im Namen der Liebe nicht nur über menschliche Gesetze sondern auch über die auf den Zehn Geboten basierende christliche Ethik – hier konkret das 5. Gebot, „Du sollst nicht morden!“ – hinwegzusetzen. Damit sollte das Volk „moralisch“ auf die Ermordung „unwerten“ Lebens, das NS-„Euthanasie“-Programm zur Vernichtung geistig Behinderter vorbereitet werden, die dann im industriell organisierten Massenmord an 6 Millionen Juden mündete.
Wenn „Liebe“ nicht mehr an die Wahrheit des Wortes Gottes gebunden ist (1. Korinther 13,6), läuft sie Gefahr zu pervertieren! Ja, nimmt der Herr Landesbischof denn nicht wahr, welcher Dreck heutzutage unter dem Etikett „Liebe“ – im wahrsten Sinne des Wortes – verkauft wird?! Es geht mir ausdrücklich nicht darum, das, was derzeit in unserer Landeskirche geschieht, in irgendeiner Weise mit Vorgängen in der NS-Zeit in Verbindung zu bringen. Das wäre vollkommen abwegig und würde die unvergleichlichen Verbrechen der National-Sozialisten verharmlosen! Es geht darum, aufzuzeigen, zu welchen Fehlentwicklungen das fragwürdige Prinzip führen kann, Gottes Wort im Namen der Liebe infrage zu stellen. Dies kann zum Einfallstor des Diabolos, des Durcheinanderwerfers werden. Es ist kein Zufall, dass das Motto des Satanisten Aleister Crowley lautete: „Liebe, und tue, was Du willst!“
Aber genau hier scheiden sich die Geister! Denn es geht letztlich nicht um die Frage des möglichen oder unmöglichen Wohnens homosexueller Pfarrer mit ihren Lebenspartnern in sächsischen Pfarrhäusern. Es geht um das Schriftverständnis, mit dem alles steht oder fällt. Wie Eva im Paradies die Frage der Schlange, „Sollte Gott gesagt haben, …?“ beantwortet hat und welche Folgen das nach sich zog, wissen wir. Entscheidend ist, wie wir diese Frage heute beantworten! In Johannes 14,23 sagt Jesus: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Ideologischer Amtsmissbrauch
Warum wird seit Jahren in der EKD und jetzt auch in Sachsen mit Übereifer für die Akzeptanz homosexueller Lebensart gestritten? Warum wird gegen abweichende Meinungen gekämpft und diese als intolerant stigmatisiert? Es geht vielen Ideologen um das Ziel der Überwindung der „kapitalistisch“- bürgerlichen Gesellschaft, deren Keimzelle die traditionelle Vater-Mutter-Kind(er)-Familie ist. Es geht bei der Förderung von Formen des Zusammenlebens, die die Familie relativieren, um Klassenkampf, um Macht über Menschen. Und leider geht es manchen kirchenleitenden Leuten noch mehr darum, die Anerkennung der Welt zu erheischen, als in den Augen Gottes zu bestehen und dem Maßstab seines Wortes zu entsprechen. Jakobus schreibt dazu in Kapitel 4, Vers 4: „Ihr Abtrünnigen, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“ Und Apostelgeschichte 20,28-30 warnt: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen.“
Auch heute bereiten Schriftgelehrte manchen Nachfolgern Jesu Christi großen Ärger. Zurzeit geschieht das in Sachsen. Genauer gesagt, ist es ungeheuerlich, wie Landesbischof Jochen Bohl mit Mitchristen umgeht – und das im Namen der „Toleranz“! Er fordert von den Schafen „seiner“ Herde Toleranz gegenüber seiner Toleranz im Umgang mit sexuellen Praktiken ein, die das Wort Gottes klar
als Gräuelsünde bezeichnet. Manche Glieder unserer Landeskirche, die Gott mehr gehorchen als den Menschen und deren Gewissen vom Wort Gottes geprägt ist, lehnen die Sünde ab. Doch weil sie die Sünder lieben, wollen sie, dass diese gerettet werden, auch die Homosexuellen. Diesen Leuten, die die Sünde beim Namen nennen, statt sie „im Namen der Liebe“ umzuinterpretieren, geht es gerade nicht darum, Homosexuelle zu verurteilen, ja nicht einmal darum, diese Sünde gegenüber anderen Sünden – wie Lüge oder Diebstahl – zu überhöhen, sondern darum, dass diese Leute nicht wegen ihrer Sünde – wie es Martin Luther einst drastisch ausdrückte – „ärschlings in die Hölle fahren“. Die in Jesus unverdient geschenkte Liebe und Gnade Gottes gewinnt ja erst auf dem Hintergrund des drohenden Gerichts an existenzieller Bedeutung. Dies auszublenden und Teufel und Hölle zu verschweigen, bedeutet, die Menschen zu belügen, sich vom Glaubensbekenntnis zu verabschieden und die erlösende Kraft des Kreuzes und Blutes Jesu Christi zu verleugnen. Wer das Gericht und die Hölle leugnet, meint, sich den Luxus leisten zu können, kein „armer, elender, sündiger Mensch“ sein zu wollen und der Rettung und der Abkehr von der Sünde nicht zu bedürfen. Jesus selbst sagt dazu beispielhaft in Lukas 17,34: „Ich sage euch: In jener Nacht werden zwei auf einem Bett liegen; der
eine wird angenommen, der andere wird preisgegeben werden.“
Verkündiger des Wortes Gottes, des Evangeliums, tragen eine Mitverantwortung dafür, wer wo die Ewigkeit verbringt! Wer die Gefahr verschweigt, macht sich mitschuldig. Und was hat das mit Liebe zu tun? Bob Dylan sang einst: „Für irgendeinen bist Du Wegbereiter. Es ist der Teufel oder Gott“. Für ihn
selbst war diese Erkenntnis mit einem heiligen Erschrecken verbunden. Die Evangelische Kirche in Deutschland war schon vor der Wiedervereinigung Wegbereiter von Ideologien und Synkretismen. Sei es, dass beim Marsch der 68er durch die Institutionen auch die Kirche in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sei es dadurch, dass Pfarrer aufgrund von Theologie, die sich nicht an der Bibel und den Bekenntnisschriften orientierte, Heil und Wohl verwechselt haben. Während die Christen diesseits des Eisernen Vorhangs unter dem real existierenden Sozialismus litten, hielt so mancher Pfarrer im Westen die den Klassenhass schürenden Schriften des „Gottlosen Selbstgottes“ Karl Marx, wie ihn Heinrich Heine einst betitelte, für das neue Evangelium, was zu einer Verzerrung des biblischen Gerechtigkeitsverständnisses führte. Dabei kann jeder dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10) entnehmen, dass dieser das Geld, das er dem Wirt für die Pflege des unter die Räuber Gefallenen gegeben hat, vorher erarbeitet haben muss. Außerdem hat so mancher die weltweit rund 100 Millionen Opfer der sozialistischen Diktaturen eher als Kollateralschaden betrachtet und den menschenverachtenden Charakter dieser Ideologie nicht wahrhaben wollen.
Andere, offensichtlich sehr irdisch gesinnte Theologen haben sich dem sicher wichtigen Anliegen der „Bewahrung der Schöpfung“ verschrieben, dieses oft aber inzwischen sektiererisch aus dem biblischen Zusammenhang gerissen. Weil in dem Wort aus 1. Mose 2,15 das Bebauen vor dem Bewahren steht. In der Folge ist aus dem Bewahren der Schöpfung die Vergötzung der Natur geworden. Es folgte – dem weltlichen Zeitgeist hinterherhechelnd – die „feministische Theologie“ mit der Rechtfertigung der Abtreibung und der „geschlechtergerechten Sprache“, der Kult um die Homosexuellen und nicht zuletzt das „Gender Mainstreaming“. Bereits vor 35 Jahren nahmen Theologen in der EKD einen Lebensstil, der für Gott einst Grund war, Sodom in Schutt und Asche zu legen, zum Anlass, einen Arbeitskreis zu gründen, die „Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche“ („HuK“; nicht zu verwechseln mit der Versicherung selbigen Namenskürzels!). Apropos „ökumenisch“. Während die römisch-katholische Kirche praktizierte Homosexualität von Mitarbeitern
als Illoyalität ansieht, wird in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens die biblisch begründete Ablehnung der Akzeptanz homo-sexuellen Lebensstils durch Landesbischof, Kirchenleitung und Synode als Illoyalität eingestuft und disziplinarisch geahndet. Damit ist mit Sicherheit auf diesem Gebiet keine Grundlage der sonst so vielgepriesenen Ökumene mehr gegeben.
Was Landesbischof Jochen Bohl indes treibet, trägt schon gegenreformatorische Züge, indem er in der sächsischen Landeskirche eine Art Inquisition gegen Andersdenkende praktiziert. Mich erinnert das arbeitsrechtliche Vorgehen des Bischofs gegen Lutz Scheufler peinlichst an das Verwehren bildungsmäßiger und beruflicher Entwicklung von Christen unter der SED-Diktatur, wegen deren „politisch-ideologisch unangepassten Verhaltens“. Ich hätte nicht im Geringsten geahnt, dass Christen nach der Überwindung der SED-Diktatur in ähnlich schlimme Erfahrungen des hilflosen Ausgeliefertseins machen müssen wie unter ihr. Als gemäß dem 2. SED-Unrechts-Bereinigungsgesetz anerkannter „Verfolgter Schüler“ weiß ich nur allzu gut, wovon ich schreibe. Die früheren Landesbischöfe Johannes Hempel und Volker Kreß hätten das auch gewusst.
Diese Brüder in Christus waren sich auch der Tatsache bewusst, dass die pietistisch geprägten, bibeltreuen Gemeinden das Rückgrat der sächsischen Landeskirche bilden, und sie haben das auch gelegentlich öffentlich gesagt. Herr Bohl, der keine Ahnung davon hat, was Christsein unter dem SED-Regime bedeutete, ist nun offensichtlich angetreten, unserer Landeskirche das bibeltreue Rückgrat zu brechen und stattdessen die ideologischen Verkrümmungen zu implantieren, welche die hier beschriebene ideologisierte EKD aus der Zeit vor der Wiedervereinigung prägen. Was sonst hat denn zum permanenten Rückgang der Kirchenmitglieder geführt? Manche befassen sich eben solange mit Randgruppen, bis sie selber eine sind. Bohl gehörte als Student selber einer „grünen Zelle“ an und war vor seinem Wechsel nach Sachsen stellvertretender Landesvorsitzender der Grünen im Saarland.
Wie viele evangelische Pfarrhäuser mögen es in Deutschland wohl sein, die von Theologen okkupiert sind, die Gott und sein Wort zur philosophischen Verfügungsmasse ihres eigenen Verstandes gemacht haben, für die „die Bibel nicht Gottes Wort ist“ sondern allenfalls „enthält“? Und nun maßen sich diese Leute an, Herren über den Glauben und das Denken Anderer sein zu wollen. Es ist die Gottesfurcht, die der Anfang aller Weisheit ist (Psalm 111,10)! Aber die scheint so manchem kirchlichen Amtsinhaber abhanden gekommen zu sein, verbunden mit den entsprechenden theologischen Konsequenzen.
Reformatorische Reste
Sachsen war einst die Wiege der Reformation, der auf dem „ganzen Wort Gottes ohne Menschenfurcht und ohne Menschengefälligkeit“ basierenden geistlichen Erneuerung einer verweltlichten Institution Kirche, deren Führungsstrukturen es um Macht über Menschen ging. Ebenso war Sachsen die Wiege der Friedlichen Revolution, die „mit Kerzen und Gebeten“ die Überwindung jener SED-Diktatur in der „DDR“ bewirkt hat, die mittels politisch-ideologischer Vereinnahmung und Gleichschaltung in Massenorganisationen, alle Bereiche der Gesellschaft beherrschend und überwachend, die Menschen in Grenzen haltend, zu „ihrem Glück“ zwingen wollte. Dieser
reformatorisch-revolutionäre Geist ist es auch, der im geistlichen wie im politischen Leben des Freistaates Sachsen bis in unsere Tage der pseudoreligiös-ideologischen Gleichschaltung durch die Schwulen- und Lesbenlobby widerstanden hat, auch unter Inkaufnahme der politisch korrekten Verunglimpfung, „homophob“ und „von Vorgestern“ zu sein.
Vergebung und Rechtfertigung ohne Buße sind nach lutherischem Bekenntnis undenkbar! Schließlich lautete Martin Luthers erste(!) seiner 95 Thesen: „Als unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: Tut Buße, da wollte er sagen, dass das ganze Leben des Gläubigen Buße sein solle.“ Es ist unser Vater im Himmel, der Gott, der Himmel und Erde gemacht und den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, mit dem Jesus Christus uns durch sein Blut versöhnt. Der Bekenntnisfall ist damit auch dann berührt, wenn beispielsweise ein Verhalten, das das Wort Gottes sogar ausdrücklich als Gräuelsünde bezeichnet, nicht mehr als Sünde sondern als Ausdruck gelebter Liebe und Verantwortung zweier Menschen füreinander umgedeutet wird, und demzufolge keiner Vergebung und Rechtfertigung bedürfe. Buße tun heißt Besserung, das Gegebene seinem eigentlichen Zweck noch mehr als bisher anzugleichen. Und der Zweck sexueller Gemeinschaft ist nun einmal, von der Schöpfung her betrachtet, nicht die Lustbefriedigung sondern, sich zu mehren, also Kinder zu haben! Wie pervertiert und nicht mehr schöpfungsgemäß sich unsere Gesellschaft verhält, wird ebenso in der Abtreibungspraxis deutlich, aber auch in der Betrachtung von Kindern als „Armutsrisiko“ und nicht als Segen des Herrn, wie es uns das Wort Gottes sagt. Landesbischof Bohl geht als oberster Theologe unserer Landeskirche an diese Fragen jedoch kaum theologisch sondern eher sozial-ethisch heran. Das ist aber nicht nur sein Fehler. Das haben auch die Männer und Frauen unserer Landeskirche mitzuverantworten, die ihn vorher gekannt und trotzdem gewählt haben. Darum sollten die Kirchenvorstände künftig darauf achten, dass sie nur Brüder und Schwestern in die Landessynode wählen, die in ihren Kirchgemeinden wirklich zuhause sind und das aufnehmen, was vor Ort geglaubt, gedacht und gelebt wird – weg von der Fixierung auf Amtsträger, zurück zum allgemeinen Priestertum aller Gläubigen! Jesus warnt in Matthäus 5,17-19: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Ganz in diesem Sinne sprach Martin Luther gegenüber dem Kaiser vor dem Reichstag in Worms das berühmte Bekenntnis, das an den Lutherdenkmälern im Herzen so mancher sächsischen Stadt zu lesen ist: „Ich stehe hier, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen.“
Gleichschalten statt Einen?
Doch nun hat sich mit Jochen Bohl ein Mann an die Spitze der Landeskirche gestellt, der im Widerspruch zu Luthers Bekenntnis offensichtlich auch ganz anders kann. Besonders in Bezug auf Luthers Leitwort „Das Wort sie sollen lassen stahn!“ aus dem berühmtesten Lied der evangelischen Christenheit, „Ein feste Burg ist unser Gott“. Man stelle sich doch nur mal das reformatorische Szenario vor, aus der Bekenntnis-Initiative ginge eine Bekenntnisbewegung hervor, die den Damen und Herren in der Dresdner Lukasstraße 6 die Geldhähne der frommen, mitgliederstarken Erzgebirgsgemeinden zudrehen würde. Das einzige, was sie hoffen ließe, wäre die bedauerliche aber dringend zu verändernde Tatsache, dass die meisten bibeltreuen Christen nicht kirchenpolitisch denken und handeln. Ich bin mir sicher, dass eine Urwahl der Landessynode durch die Kirchgemeinden ganz andere Mehrheitsverhältnisse ergeben würden, wenn ich an die pietistisch geprägten Gemeinden denke, für deren Glieder die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst normal ist. Der Herr Landesbischof hat indes kirchenpolitisch gehandelt, doch nicht im Sinne seines Auftrages, wie er in § 27, Absatz 3 der Verfassung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens festgeschrieben ist: „Seine Aufgabe ist es, die Einheit der Landeskirche zu bewahren und zu stärken.“ Im Gegenteil! Er hat, seit er im Amt ist, die Aufweichung des Beschlusses der Kirchenleitung vom 29. August 2001 betrieben, in dem er personelle Neubesetzungen kirchenleitender Ämter in diesem Sinne vorgenommen und Mehrheiten unter Synodalen organisiert hat, von denen die Hälfte abhängig Beschäftigte der Landeskirche sind.
Er hat damit willentlich und wissentlich den zu erwartenden Widerspruch vieler Glieder der Landeskirche provoziert, die die Bibel als Gottes Wort sowie die Bekenntnisschriften respektieren, für die mutige Männer am 25. Juni 1530 beim Reichstag in Augsburg vor Kaiser Karl V. – im wahrsten Sinne des Wortes – ihren Kopf hingehalten haben. Jochen Bohl hat bewirkt, dass nicht wenige Gemeindeglieder, die „mit Ernst Christen sein wollen“, in große Gewissensnöte getrieben worden sind und es ihnen schwerfällt, ihre geliebte Kirche, in der sie sich zum Teil Jahrzehnte lang engagiert haben und in der sie auch gesegnet wurden, noch als ihre geistliche Heimat anzusehen. Damit hat er nicht die Einheit der Landeskirche bewahrt und gestärkt, sondern vorsätzlich deren tiefe Spaltung herbeigeführt. Ich denke, dass sich die sächsische Landeskirche einen Aderlass Richtung Freikirchen genau so wenig leisten kann, wie ihn die DDR 1989 durch die Botschaftsflüchtlinge erlebt hat und von denen Erich Honecker meinte, „diesen Verrätern keine Träne nachzuweinen“.
Konsequenzen
Doch schert sich der oberste Seelsorger der sächsischen Lutheraner einen Dreck um die Gewissensnöte der Schafe seiner Herde, die mich zu diesem Einwurf veranlasst haben! Eher schien Herr Bohl in den Fällen des Evangelisten Lutz Scheufler (Waldenburg) und der Pfarrfrau Ute Brause (Oßling) nur auf einen Grund gewartet zu haben, sich dieser „fundamentalistischen“ – weil bibeltreuen – Störenfriede zu entledigen und für weitere ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Und zwar ungeachtet der Zusage gegenüber der Bekenntnis-Initiative, während des dreijährigen Gesprächsprozesses keine Tatsachen schaffen zu wollen. Herr Bohl hat Tatsachen geschaffen! Wenn er es wirklich ehrlich meinte mit dem Gesprächsprozess, um „beieinander zu bleiben“, hätte er den Beschluss der Synode für eben diese drei Jahre zurückstellen lassen. Mir drängt sich eher der Eindruck auf, er habe sich auf diese Dreijahresfrist eingelassen, weil er vielleicht meint, das Problem in eben dieser Zeit aussitzen zu können. Doch das käme einer völligen Fehleinschätzung der Glaubenstreue vieler sächsischer Lutheraner gleich, mit der sie schon Mauern zu Fall gebracht haben. Jochen Bohl scheint mit dem Dialog auch nicht vorzuhaben, die Entscheidung am Ende des Gesprächsprozesses gegebenenfalls korrigieren zu lassen, sondern dass sich bis dahin alle Abweichler seinem Kurs gebeugt haben oder gehen müssen. Ohne Rücksicht auf die Gewissen von Gemeindegliedern setzt der Landesbischof seine Machtpolitik durch. Mit diesem schwerwiegenden Versagen als Hirte hat er den Beweis erbracht, dass er für das Bischofsamt geistlich und charakterlich nicht geeignet ist. Um weiteren Schaden abzuwenden und den bereits entstandenen tiefen Riss, der inzwischen durch unsere Landeskirche geht, nicht noch tiefer werden zu lassen oder gar einen Bruch zu riskieren, gibt es nur einen Ausweg: seinen Rücktritt!
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Beitrag erscheint in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Zum Leben“.