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Theologe sucht Fußball-Gott

Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

(AG WELT) Zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft hat die Universität in Bielefeld dem Forschungsmagazin „BI.research“ den Titel „Fußball//Football“ gewidmet. Im Editorial schreibt der Rektor der Universität, Gerhard Sagerer, dass Fußballfans auch dazu in den Blick genommen werden müssten, inwieweit Fußball Religion sei.

In einer „Fan-Studie“ wolle der Theologe und Religionspsychologe Constantin Klein mit einer Arbeitsgruppe herausfinden, ob Fußball etwas mit Religion und Gottesglaube zu tun hat. Unter der Überschrift „Die Heilige Zeit der Sportschau“ analysiert Klein im Uni-Forschungsmagazin Fußball mit Religionstheorien. Wenn es um „Sinnstiftung“ gehe, schreibt Klein, dann

„habe Fußball für überzeugte Fans das Zeug zur Religion.“

So sei „Schalke 04… in Gelsenkirchen Religion… Und Toni Turek war der erste deutsche Fußballgott, der auch noch das Wunder von Bern möglich machte“, so Klein.

„Beziehungen zum Glauben, zu Gott und Religion“, gebe es „im Lieblingssport der Deutschen zuhauf“. Wenn ein Spieler ein T-Shirt mit dem Satz „Jesus liebt dich“ darauf trage, sei das überdeutlich: „Er will als gläubiger Christ erkannt werden“.

Wenn die Fans ins „Stadion zum heiligen Rasen“ pilgerten, um ihren Idolen zu huldigen – „und das Ganze möglichst in Kutte“, sei das für den Religionspsychologen kein „gotteslästerliches Verhalten“. Auch das Bekreuzigen vor einem Spiel, „um sich der göttlichen Unterstützung zu versichern“, sei für ihn kein Problem. Und wo heutzutage unter dem Wasser oder auf einem Berggipfel geheiratet werde, da könne man sich auch im Fußballstadion göttlichen Segen für die Heirat holen.

Im westlichen Abendland sei „Religion“ nur auf das Christentum bezogen“. In anderen Ländern sei „Religion“ eine Vokabel, die

„mit Kult und Kultur, mit Philosophie, Formen der Weltdeutung und vielleicht sogar – wie im Buddhismus – mit Wissenschaft zu tun“ habe.

Demnach könne, so Klein, Fußball Teil eines religiösen Rituals sein. Bei einem Ableger der Moon-Sekte, deren Guru Jông Myông Sôk ist, sei das beispielsweise so:

„Der Gottesdienst geht hier über in ein Fußballspiel, bei dem der Guru zwischendurch die Seiten wechselt. Dem liegt die Idee zugrunde, dass er über zugepasste Bälle segensreiche Kräfte auf seine Mitspieler überträgt und sie damit gegen das Böse stärkt.“

Der englische Fußballspieler David Beckham stehe bei einem Mönch in Bangkok als selbst gefertigte Goldstatue in einem buddhistischen Schrein. Bei etwaigen Diskussionen habe der Mönch darauf verwiesen, dass Beckham „Begeisterung und Inspiration wie ein Heiliger“ erzeuge.

Deutschlands Sicht in solchen Dingen sei „eurozentrisch“. Die Volksfrömmigkeit sei viel breiter und konzentriere sich nicht nur auf die „Hochreligion“ der Kirchen. So fände man in Oberbayern nichts dabei, Abendmahlsoblaten aus dem Gottesdienst mitzunehmen und dem Vieh unters Futter zu streuen, damit es fruchtbar und gesund bleibe. Früher sei man, so Klein, für Gott und Vaterland in den Krieg gezogen, da sei es doch „viel zivilisierter, sich göttlichen Beistand im Sport zu wünschen“.

Klein räumt ein, dass die Religiosität mancher Spieler mit Aberglauben verbunden sei. Man wolle Ungewissheiten, die der Sport nun mal mit sich bringe, möglichst gering halten. Klein sieht darin aber kein Problem, wenn sich Spieler um des Glücks Willen ihre Schuhe in einer bestimmten Reihenfolge anziehen oder immer an derselben Stelle den Sportplatz betreten. Das sei zwar irrational, deswegen aber psychologisch nicht unwirksam. Dazu Kleins Begründungen:

„Das erzeugt ein Gefühl der Kontrolle, und für viele Ethnologen ist das die Erklärung für Magie… Es bringt vielleicht beim Elfmeterschießen das entscheidende Quentchen Selbstsicherheit.“

Der Studienleiter nennt dann noch eine ganze Reihe von Beispielen, aus denen eine Verbindung zwischen Fußball uns Religion ableitet werden könne: Fans vom BVB Dortmund singen zur Gospelmelodie „Amazing Grace“ ihre Hymne „Leuchte, mein Stern Borussia“. Nicht zuletzt sei bei diesem Fußball-Club ein kirchlicher Ursprung über den „Jungmännerverein Dreifaltigkeit“ nachweisbar. Im Chorgestühl der Kathedrale von Gloucester fände man Schnitzereien von Mönchen, die eine Leidenschaft für den Fußball gehabt hätten. In Florenz habe man, so zeige es eine Abbildung aus dem 17. Jahrhundert, von Kirchentor zu Kirchentor Fußball gespielt. Noch heute werde diese Tradition einmal im Jahr gepflegt.

Der Theologe und Psychologe Klein ist, so schreibt „BI.research“, der Überzeugung, dass jede Weltanschauung darauf abziele, dem Leben einen Sinn zu geben. Dieser könne auch darin bestehen, einmal in der Woche ins Fußballstadion zu pilgern. Klein ergänzt:

„Dann gibt es den profanen Alltag und den Festtag am Samstag zwischen 18.30 und 20 Uhr, wenn die Sportschau übertragen wird. In dieser Zeit sollten bloß keine Anrufe kommen: Sie ist heilig.“

Fußball sei, so unterscheidet Klein, nicht Religion, aber religionsfähig. Inhaltlich sei Religion der Glaube an Gott. Und wenn Fußballfans an einen Gott glauben, der das Fußballgeschehen lenke, dann sei das erfüllt.

Kommentar

„Fußball: mein Leben?“ – Nichts gegen Sport und schon gar nichts gegen Fußball! Nimmt aber im Leben eines Christen Fußball den Platz von Jesus Christus ein, wird der Schöpfer und Vollender der Welt – um im Bild zu bleiben – auf die Ersatzbank gesetzt. Fußball kann für Christen gemeinschaftsfördernd sein. Fußball kann aber auch dazu dienen, ein Alibi vor Gott zu finden: Wo warst du, Adam? „Ich war im Fußballstadion.“

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