Quelle: idea.de
Santiago/Berlin (idea) – Nach dem Tod des wegen zahlreicher Verbrechen verurteilten Gründers und Leiters der umstrittenen Siedlung „Colonia Dignidad“ in Chile, Paul Schäfer, haben seine Opfer ein schärferes Vorgehen gegen dessen Helfershelfer gefordert.
Der 88-jährige Schäfer war am 24. April in einem Gefängniskrankenhaus in Santiago de Chile einem Herzleiden erlegen. 2006 war er wegen sexuellen Missbrauchs von 25 Minderjährigen, Mordes, Folter, Waffenschmuggels und anderer Verbrechen zu 33 Jahren Haft verurteilt worden. Die Not- und Interessengemeinschaft der Colonia-Dignidad-Geschädigten wies in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung darauf hin, dass die Führungsgruppe der Kolonie um Schäfer zwar in diversen Verfahren wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch und anderer Delikte verurteilt worden sei, sich die Betreffenden aber weiter auf freiem Fuß befänden. Die Urteile müssten vollstreckt werden. Die Interessengemeinschaft ist zudem davon überzeugt, dass angesichts der Schwere von Schäfers Schuld die fünf Jahre, die er in Haft verbüßt habe, zu kurz gewesen sei.
Kinder von Familien getrennt
1956 hatte Schäfer als evangelisch-lutherischer Jugendpfleger die Private Soziale Mission gegründet. In der Nähe von Siegburg richtet er ein Kinderheim ein. Nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen aufgenommen hatte, floh er 1961 nach Chile. Dem Prediger folgten zahlreiche Familien – überwiegend Baptisten – in die hermetisch abgeschottete sogenannte „Kolonie der Würde“. Schäfer agierte dort als Herrscher aller Lebensbereiche. So trennte er Kinder von ihren Familien. Während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente die Kolonie als Folterzentrum des Geheimdienstes. 22 Regimegegner sollen dort ermordet und ihre Leichen verbrannt worden sein. Die Verbrechen kamen erst nach Ende der Pinochet-Diktatur ans Licht. 1996 tauchte Schäfer unter, nachdem erneut Strafverfahren gegen ihn anhängig waren. Im März 2005 wurde er in Buenos Aires (Argentinien) verhaftet und nach Chile ausgeliefert.
Auf Schäfer wartet göttliche Gerechtigkeit
Die heutigen Bewohner der Siedlung, die nun Bayerisches Dorf heißt, haben sich von Schäfer losgesagt und in einem Offenen Brief die Opfer um Vergebung gebeten. Sie bedauern darin, nichts gegen den „despotischen Leiter“ unternommen zu haben. Nach Schäfers Tod haben sie sich gegen eine Beisetzung auf dem Gelände ausgesprochen. 2006 hatte der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) Presseberichte als falsch zurück gewiesen, Schäfer sei Baptist gewesen. Richtig sei allerdings, dass Schäfer gemeinsam mit dem Baptistenpastor Hugo Baar und rund 200 ehemaligen Baptisten nach Chile ausgewandert sei. Der Präsident Chiles, Sebastian Pinera, erklärte, auf Schäfer warte „die göttliche Gerechtigkeit“.