(AG WELT) Aus ZEITJOURNAL Nr. 3/2009 (Zeitjournal hier bestellen!)
Zwei junge Christinnen (Rita Stumpp und Anita Grünwald) gehen im Sommer 2009 in den islamischen Jemen um Hilfsbedürftige in einem örtlichen Krankenhaus zu versorgen. Während ihres Aufenthalts werden sie grausam ermordet. Statt die Mordtat zu verurteilen und Glaubensfreiheit im Jemen einzufordern, verfassen zahlreiche Medienvertreter Angriffe auf die beiden Bibelschülerinnen und verurteilen alle evangelikalen Christen, die in Krisenregionen helfen wollen oder in anderen Ländern für ihren Glauben werben.
Es ist nur schwer verständlich, wie Organisationen, die in Deutschland für Meinungsfreiheit einstehen, diese in anderen Ländern zu vergessen scheinen, vor allem wenn es um religiöse Meinungen geht. Politische Aktivisten werden als Vorbilder gehandelt, religiöse Menschen als Gefahr erklärt. Das passt wohl kaum zusammen.
Es wirkt absurd, dass den beiden Frauen vorgeworfen wird, sie hätten möglicherweise Einheimischen von ihrem Glauben erzählt und damit ihre Ermordung heraufbeschworen. Zum einen fehlen stichhaltige Hinweis auf eine solche Mission, zumal die Bibelschülerinnen kein Arabisch sprachen und sich erst wenige Tage im Jemen aufhielten. Zum anderen kann die Meinung- und Religionsfreiheit kaum beim Bekenntnis zum christlichen Glauben aufhören.
Auch christliche Helfer halten sich gewöhnlich an soziale Regeln und Gesetzgebung ihres Gastlandes. In totalitären Regionen reden sie nicht mehr und nicht weniger über ihren Glauben, als säkulare Entwicklungshelfer über Familienplanung und Demokratisierung. In den zur Diskussion stehenden islamischen Ländern ist das Bekenntnis zum christlichen Glauben zumeist gar kein Problem. Es wird von einem Christen geradezu erwartet, zu seiner Überzeugung zu stehen. Verboten hingegen sind lediglich Versuche, den Islam schlecht zu machen bzw. Muslime zum Abfall von ihrer Religion zu drängen.
Zeitgleich mit der Kritik deutscher Medien an der Tätigkeit der beiden Bibelschülerinnen demonstrierten tausende von Muslimen im Jemen für die christlichen Helfer und gegen deren Ermordung. In den allermeisten Ländern wird die Hilfe evangelikaler Christen gerne gesehen, im Gegensatz zu Kritik in heimischen Presseorganen. In vorauseilendem Gehorsam wird gefordert, Christen dürften in keinem islamischen Land über ihren Glauben reden, obwohl das für die meisten Muslime die normalste Sache von der Welt ist.
Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass Menschen nicht nur materielle Hilfe brauchen, sondern menschliche Nähe und seelischen Beistand. Eine nur auf das Materielle konzentrierte Hilfe verkürzt das Menschsein und degradiert den Menschen zum bloßen Hilfeempfänger.
Die Arbeitsgemeinschaft für Weltanschauungsfragen e.V. fordert politische Verantwortungsträger in Deutschland auf, sich stärker als bisher für weltweite Religionsfreiheit einzusetzen und für den Schutz religiöser Minderheiten. Insbesondere fordert die Arbeitsgemeinschaft gegen die Diskriminierung von Christen in zahlreichen islamischen Ländern Stellung zu beziehen.
Michael Kotsch
[Anmerkung der Redaktion AG WELT: Ein Kommentar muss nicht in jedem Fall mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.]