(AG WELT) Zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages am 27.September 2009 stehen in einigen Bundesländern auch „Die Violetten – für spirituelle Politik“ auf dem Stimmzettel. Die 2001 mit Sitz in Kassel gegründete deutsche Kleinpartei setzt sich für den Schutz der Natur und für „direkte Demokratie“ (Volksabstimmungen, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid) ein. Sie fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen, wehrt sich gegen Tierversuche und Ausländerfeindlichkeit und will eine Gesellschaft entwickeln, in der „jeder von seinem Bewusstseinsstand aus denken, fühlen und handeln und sich zu höherem Bewusstsein entwickeln kann“.
Wahlergebnisse im Promillebereich
Bei der Bundestagswahl 2002 kandidierten „Die Violetten“ nur in Nordrhein-Westfalen und erhielten dort 2.412 Zweitstimmen, das entspricht bundesweit 0,005 %. Bei der Europawahl 2009 erhielt die Partei mit 46.355 etwa 0,2 % der gültigen Stimmen. Bei der Landtagswahl in Sachsen 2009 wurden sie mangels Unterschriften nicht zugelassen. Zur Bundestagswahl treten die Violetten in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin an. Nur dort stehen sie dann auch auf den Stimmzetteln und können gewählt werden.
Eine Partei für spirituelle Menschen
In der Präambel der „Violetten“ steht:
„Um Spiritualität in Öffentlichkeit und Politik zu tragen, haben mit Beginn des 3. Jahrtausends Geistesfreunde aus mehreren Bundesländern die Partei „Die Violetten – für spirituelle Politik“ gegründet. Die Violetten sehen sich als Vertreter und Sprachrohr einer wachsenden Zahl von spirituellen Menschen an. Von all jenen, die sich der geistigen Dimension unserer Welt bewusst sind und die ihre ganzheitliche und nicht nur rein materialistische Weltanschauung auch in der Politik vertreten sehen möchten. Spirituell heißt für uns, in erster Linie dem Wohl allen Seins verpflichtet zu sein. Es heißt, das Verbindende anstatt das Trennenden zu betonen, in Liebe, Toleranz und Verantwortung zu handeln und das Göttliche in allem was ist zu sehen. Wir streben eine Gesellschaftsordnung an, in der Selbsterkenntnis durch die individuelle spirituelle Entwicklung, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kreativität, offene Kommunikation, ökologisches Denken, Gewaltfreiheit, Freiheit im Geistesleben, Menschlichkeit im Wirtschaftsleben, Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit von Frau und Mann und Toleranz obenan stehen. Wir wissen, dass jeder Mensch nur von seinem Bewusstseinsstand aus denken, fühlen und handeln kann; daher bringen wir allen Verständnis entgegen, wobei wir jedoch jeder Form von Gewalt entschieden entgegentreten. Da die Erde für alle Menschen die Stätte der Entwicklung zu höherem Bewusstsein ist, setzen wir uns für den Schutz der Natur auf allen Ebenen und den verantwortlichen Umgang mit der Erde ein.“
Spirituelle Vernetzungen und die Einsicht durch Erleuchtung
„Die Violetten“ werden von der europaweiten spirituellen Vereinigung „dynamik5“ unterstützt mit dem Ziel, eine Plattform für alle Menschen zu sein, deren Denken und Handeln in einem neuen ganzheitlichen Bewusstsein wurzelt und diese Haltung politisch artikulieren wollen. „dynamik5“ ist der politische Kern von „Holon“, einem Netzwerk für Tierhomöopathie. „Die Violetten“ und ihre Netzwerker vertreten die Ideologie des Ökospiritualismus, eines neuen Gesellschaftskonzeptes, das statt auf Profitmaximierung und Eigennutz, auf „neue Werte“ setzt. Ähnlich wie die Denker des „New Age“ setzen „Die Violetten“ (in Verbindung mit „dynamik5“ und „Holos“) auf eine universelle Spiritualität, gleichsam auf Einsicht durch Erleuchtung. Sie haben ein anderes Verständnis von Demokratie und Marktwirtschaft und empfehlen freien Sex als Lösung aller Weltprobleme, wie AIDS und Krieg. Unter anderen soll dazu der Soziologe und Psychologe Dr. Dieter Duhm Thesen aufgestellt haben. Duhm wurde im Zusammenhang mit der linken „68er“-Bewegung bekannt und schrieb das Buch „Die Angst im Kapitalismus“. Später stand Duhm zeitweilig mit der berüchtigten „Sex-Sekte“ AAO (Kommune Friedrichshof) des später wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verurteilten Aktionskünstlers Otto Mühl in Kontakt. Für Duhm typisch ist die Vermischung von „linken“ weltrevolutionären Ideen mit New Age-Gedankengut und sehr viel Sex in Theorie und Praxis (Projekt Tamera).
Esoterik und mehr
„Die Violetten“ sind eine Art Esoteriker-Partei und arbeitet seit der „Holon“-Tagung 2005 auf Burg Waldeck inhaltlich eng mit „dynamik5“ zusammen. Dazu wurde am 17.Mai eine gemeinsame Presseerklärung gegeben. Das Weltbild der „Violetten“ ist stark theosophisch geprägt. Ihre religiösen Bestrebungen bestehen darin, Erkenntnisse über Götter und das Göttliche auf einem Weg intuitiver Schauung zu suchen, wie sie in den mystischen Lehren (Jakob Böhme, Friedrich Christoph Oetinger, Louis Claude de Saint-Martin) und in Teilen des islamischen Sufismus und der antiken Gnosis auftreten. Theosophie bezeichnet die durch die Okkultistin Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) begründete esoterische Weltanschauung.
Partei, Sekte, Kult
Vertreter der „Violetten“ sind u.a. im Zentrum für Experimentelle Gemeinschafts-Gestaltung (ZEGG) zu finden. Es versteht sich als Forschungs- und Bildungszentrum mit eigener Gemeinschaft. Das ZEGG wird kontrovers bewertet. Für die einen handelt es sich um ein harmloses Campleben, für andere um einen gefährlichen Psychokult.
Aussteiger sprechen von „Ausbeutung pur“, von einer „Endzeitsekte“. Die böse alte Welt gehe unter und überleben würden alle, die in ZEGG leben und mit „ökospirituellen Überlebensfeldern in Resonanz“ stehen. Nach Duhm stellen Heilungsbiotope eine Art Kristallisationskerne der “Heiligen Matrix” des einstigen und zukünftigen Zeitalters des Matriarchats, des Friedens, der Harmonie mit der Natur und der sexuellen Freiheit dar. Durch die Vernetzung der einzelnen in den Heilungsbiotopen aufzubauenden Felder soll dann in einigen Jahren das allgemeine “Überlebensfeld” entstehen, das die Transformation bewirkt und ein Überleben der Krise, in der die derzeitige “Matrix” der Gewalt, Ausbeutung usw. zerbricht, ermöglicht.
[Anmerkung der Redaktion AG WELT: Eine Nachricht ist die Mitteilung über ein Ereignis und muss nicht in jedem Fall mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.]