Eine Buchrezension von Michael Kotsch
6 Millionen Mal soll „Die Hütte“ bisher bereits verkauft worden sein. 40 Wochen steht das Buch nun schon auf Platz Eins der Bestsellerliste der New York Times. Zwischenzeitlich wird die Verfilmung der Geschichte geplant. Auch in Deutschland rief der Verkaufsbeginn des Buches ein starkes Medienecho hervor. In der Spiegel-Bestsellerliste nimmt das Buch bereits Platz 5 ein (August 2009).
Inhalt
Im ersten Viertel des Romans wird die tragische Geschichte der Entführung und Ermordung der Tochter des Helden Mackenzie Allen Philips (Mack) erzählt (9-76). Der Hauptteil des Buches beschreibt ein Wochenende, das Mack mit Gott verbringt, gerade in der Hütte, in der die letzten Spuren der Ermordeten gefunden wurden (77-288). Beschrieben werden kleine Ausflüge und ausgedehnte Mahlzeiten. Vor allem werden aber die intensiven Dialoge zwischen Mack und Gott wiedergegeben, in denen es vor allem um Leiden und Vergebung geht. In einem knappen Schussteil dankt Young allen an dem Buch Beteiligten (289-291) und gibt seine Version der Entstehung des Romans zum Besten (292-301).
Der in seiner Trauer erstarrte Mack bekommt dreieinhalb Jahre nach dem Tod seiner Tochter einen Brief, in dem Gott ihn zu einem Wochenende in die einsame Hütte einlädt, in der Missy vermutlich ermordet wurde (19f, 74f). Mack fährt allein in die Wildnis. Plötzlich verwandelt sich die öde Mörderhütte in ein tropisches Paradies mit perfekt eingerichtetem Wochenendbungalow (92f). Gott begegnet ihm in Person zweier Frauen und eines Mannes. Wie ein Psychotherapeut fordert Gott Mack auf: „Es ist okay, … lass es einfach raus … Ich weiß, wie sehr du verletzt wurdest, und ich weiß, dass du wütend und verwirrt bist … “ (95) Häufig und ausführlich beschreibt Young Macks Mahlzeiten mit Gott (118ff, 133f, 158).
Im Rahmen einer Vertrauensübung und einer Abkürzung gehen Mack und Jesus über das Wasser eines Sees. Macks Furcht unterzugehen führt Jesus auf dessen falsche Vorstellungskraft zurück (162). Es werden auch noch andere Ausflüge geschildert in der Traumbilder und Naturlandschaften ineinander fallen. Einmal befindet sich Mack im Inneren eines Berges, wo er über Gott zu Gericht sitzt (173ff), ein andermal besteigt er einen Hügel, auf dem er unter zahllosen Lichtseelen seinem verstorbenen Vater begegnet (241ff). Mack vergibt seinem Vater, von dem er als Junge gequält wurde (248), und dem Mörder seiner Tochter (259). Mack bereut auch sein falsches Verhalten, seine Schuld Gott gegenüber (180f).
Am Ende seines Wochenendes mit Gott wacht Mack allein und unterkühlt in der armseligen Hütte auf. Er will nach Hause fahren und gerät in einen Unfall (273ff). Als er vier Tage später aus der Bewusstlosigkeit im Krankenhaus erwacht, erfährt Mack, dass er bereits am Freitag eingeliefert wurde, er also das Wochenende gar nicht in der Hütte gewesen sein kann. Zwischenzeitlich ist er sich nicht mehr sicher, ob seine Begegnung mit Gott lediglich auf Halluzinationen oder Narkotika im Krankenhausbett zurückgeführt werden kann (281). Seltsamerweise aber wird Missys Leiche genau an dem Ort gefunden, die Gott ihm gezeigt hatte (284f). Letztlich aber spielt die historische Echtheit von Macks Gottesbegegnung für den Autor auch keine Rolle – wenn nur die positive Motivation zum harmonischen Miteinander beim Leser ankommt.
Resümee
Die Hütte bedient offensichtlich den Massengeschmack religiös ausgerichteter Menschen. Leicht verdauliche und allgemein akzeptierte religiöse Überlegungen werden dem Leser mit vielen Bildern und Gefühlen vermittelt: Gott ist überall. Keine Religion habe einen exklusiven Zugang zum Himmel. Kirchliche Organisationen spielen keine wesentliche Rolle für die Verbindung mit Gott. Feste Glaubenssätze oder biblische Wahrheiten behinderten sogar einen echten Glauben. Gott respektiere den freien Willen jedes Menschen auch in ethischen Alltagsfragen. Keinesfalls stelle er irgendwelche Forderungen oder Gebote auf, nach denen die Erdenkinder sich zu richten haben. Gott sei reine Liebe, reines Verständnis und macht natürlich nie etwas, was dem Menschen weh tun könnte. (Dagegen z.B. 2Kor 12,7; Hebr 12,5ff; Offb 3,19).
Zweifellos werden im Roman zahlreiche Wahrheiten über Gott vermittelt, die sich auch in der Bibel finden. Allerdings ist die Theologie doch sehr stark durch die subjektive Sichtweise des Autors bestimmt:
– Gott begegnet dem Menschen, nach Young, kaum in einer organisierten Kirche oder Gemeinde, sehr wohl aber in der Natur, in Visionen und in anderen Religionen.
Der Große Geist der Indianer ist für Young lediglich ein anderer Name für Gott (36). Später bekennt Jesus: „Ich bin kein Christ.“ Auch wolle Gott keinesfalls Menschen zu Christen zu machen: „Jene, die mich lieben, kommen aus allen existierenden Systemen. Sie waren Buddhisten oder Mormonen, Baptisten oder Muslime …“ (209)
– Christliche Organisationen und Gemeinden kommen bei Young nicht gut weg. An keiner Stelle findet sich ein positiver Bezug zur Kirche. Auch Jesus steht im Roman den von Menschen geschaffenen Kirchen kritisch gegenüber (204ff).
– Die Zehn Gebote und andere biblischen Regeln haben, nach Young, für den mit Gott lebenden Menschen keinerlei Bedeutung mehr. Sie sollen lediglich dazu führen, „den Versuch aufzugeben, aus eigener Kraft rechtschaffend sein zu wollen. … In Jesus unterliegst du keinem Gesetz. Alle Dinge sind erlaubt.“ (234f)
– Das Gottesbild in „Der Hütte“ ist eine sehr amerikanische Verkörperung der Trinität, Vater, Sohn und Heiliger Geist, hübsch genderbewusst und multikulturell uminterpretiert. Gott ist total menschlich, er speist gerne, hält auch schon einmal einen Mittagsschlaf, er benimmt sich tollpatschig bei der Arbeit und vor allem: Er interessiert sich nur für das Wohlbefinden des Menschen, von dem er sich alles gefallen lässt. Von Unnahbarkeit, Heiligkeit oder Gerechtigkeit Gottes findet sich bei Young keine Spur (102f, 116, 119f, 133f, 254).
Die Hütte wird von Lesern vollkommen unterschiedlich wahrgenommen. Am positivsten reagieren religiöse Menschen, die selber schweres Leiden in ihrem Leben erfahren haben und postmodern geprägte Gläubige. Distanzierter geben sich Personen, die keinen Bezug zu Gott im weitesten Sinn haben und sich an keine leidvolle Vergangenheit erinnern. Kritisch wird der theologisch denkende Christ an die Hütte herangehen. Er wird sich zurecht stärker an den unterschwellig vermittelten Aussagen über Gott, die Bibel, Kirche und Heil stoßen.