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Der Kampf um die Wahrheit (Teil 1)

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von Thomas Schneider

Für unsere Publikationen ernten wir nicht immer nur lobende Worte. Ein Pfarrer aus Sachsen mit Leipziger Vorwahl rief an und wollte mit mir über das Verständnis von Bibel und Glaube debattieren. Abschließend antwortete er auf meine Frage, was für ihn Wahrheit sei, mit dem Satz: „Ach wissen Sie, Wahrheit ist relativ!“

Dieser Pfarrer hatte ja insofern recht, als Wahrheit in Bezug auf Gottes Wort zunehmend relativiert wird. Der Behauptung „Die absolute Wahrheit kennt keiner – wenn es die überhaupt geben soll“ können viele Menschen – darunter auch Anhänger christlicher Kirchen und Gemeinden – durchaus zustimmen. Aber es gibt eben auch Menschen, die entgegnen: „Die Wahrheit ist absolut. Relativ sind nur mein Empfinden und meine Erkenntnis.“ Was aber ist Wahrheit?

Die Frage, was Wahrheit ist, zählt zu den ältesten Fragen der Philosophie und wurde von den verschiedensten Denkern durch die Jahrhunderte hindurch unterschiedlich beantwortet. Für Aristoteles, zahlreiche mittelalterliche Philosophen bis hin zu Thomas von Aquin, die der Korrespondenztheorie anhingen, bestehe Wahrheit aus der Übereinstimmung von Ding und Intellekt, der Übereinstimmung von Sache und Verstand. Nach der Korrespondenztheorie sind subjektive Aussagen genau dann wahr, wenn sie mit den Tatsachen in der objektiven Welt korrespondieren, also übereinstimmen. Und so gibt es Unmengen an philosophischen Theorien und Thesen, die erklären wollen, was Wahrheit ist.   

Die Brockhaus-Enzyklopädie beantwortet die Frage nach der Wahrheit so: „Wahrheit ist die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstand. Da dieser (Gegenstand) stets ein bestimmter ist, kann die Übereinstimmung nur durch Vergleichung mit ihm, nicht aber nach allgemeinen Regeln erkannt werden. Daraus folgt, daß es kein allgemeines Kriterium der Wahrheit geben kann, das für alle Erkenntnisse ohne Unterschied ihrer Gegenstände gültig wäre.“ – Das Brockhaus-Fazit: Es gibt keine Wahrheit, die für alle Menschen verbindlich ist.

Der 48-jährige bekennende Atheist und Vertreter moderner Aufklärung, Dr. Michael Schmidt-Salomon (Trier), schreibt in einem seiner Aufsätze:  „Ich setze im Fall der religiösen Fundamentalisten den Begriff ‚Wahrheiten‘ ausdrücklich in Anführungszeichen, weil es sich bei deren ‚offenbarten Wahrheiten‘ aus dem Verständnis der Aufklärung heraus nicht um ‚Wahrheiten‘ handelt, sondern um gefährliche Illusionen, Bewußtseinstrübungen, Irrlehren… wenn diese ähnlich dem Jesus der Bibel davon überzeugt sind, per Offenbarung in den Besitz ‚ewiger Wahrheiten‘ zu gelangen, die für alle zu gelten haben.“

Schmidt-Salomon ist freischaffender Philosoph, Schriftsteller und Vorstandssprecher der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung, die 2009 die atheistische Buskampagne „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“ unterstützt hat. Damals saß ich im Auftrag der Evangelischen Nachrichtenagentur idea in dem weißen Mercedes-Bus mit der Aufschrift „Und wenn es ihn doch gibt… Gott kennen.de“, der den Gottesgegnern ständig auf den Fersen war. Drei Wochen lang, tagtäglich, Gespräche mit Agnostikern, Atheisten, Humanisten, mit Menschen wie Schmidt-Salomon – auch und immer wieder zur Frage: Was ist Wahrheit?

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Im 2. Teil am 13. Dezember erfahren Sie, wie Menschen für die Wahrheit kämpfen und wie andere sie relativieren.

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