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Freikirchen: Wenn der vom Sonntagsblatt aufgedrückte Sektenstempel wirkungslos bleibt

Screenshot sonntagsblatt.de

von Thomas Schneider

Das evangelische Online-Magazin Sonntagsblatt, das zum Verein „Evangelischer Presseverband für Bayern (EPV)“ gehört und sich – wie so viele – die „geschlechtergerechte Sprache“ (Redakteur*innen, Pfarrer*innen) auf seine mediale Fahne geschrieben hat, veröffentlichte am 11. Februar dieses Jahres ein Interview mit dem „landeskirchlichen Beauftragten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für geistige und religiöse Strömungen der Gegenwart“, Haringke Fugmann.

Darin geht es um die Frage: „Was hat es mit Freikirchen auf sich?“ Fugmann erklärt in Kurzfassung die Gründe für das Entstehen von Freikirchen und wie insbesondere die Pfingstbewegung nicht nur in Freikirchen und Gemeindeneugründungen zu finden ist, sondern als sog. „charismatische Bewegung“ auch Einzug in der evangelischen und katholischen Kirche gehalten hat. Zugleich beschreibt der Kirchenbeauftragte die „Wurzeln“ des Pietismus und die „Grundprinzipien“ des „nicht konfessionell gebundenen“ Evangelikalismus. Als „zentralen Aspekt evangelikalen Glaubens“ erkennt Fugmann, „dass die Bibel als wichtigste geistliche Autorität angesehen wird.“ Wichtig sei auch „die Praxis des täglichen Bibellesens“ und „die persönliche Beziehung zu Jesus Christus“.

Doch eine solch nüchterne Bewertung zu Freikirchen schien dem vom Sonntagsblatt beauftragten Redakteur Oliver Marquart nicht so recht zu passen. „Das klingt alles recht harmlos“, meint dieser und fragt: „Wie gefährlich sind Freikirchen aus Ihrer Sicht?“ Darauf Fugmann: „Ich neige eigentlich dazu, die Begrifflichkeit ‚gefährlich‘ in diesem Kontext nicht zu verwenden. Bei Freikirchen handelt es sich lediglich um eine andere Organisationsform.“ Seiner Ansicht nach gebe es beim Großteil „keinerlei Bedenken hinsichtlich ihrer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und ihrem Engagement für andere“. Es sei „einfach eine andere Art von Kirche“, es gebe „möglicherweise Unterschiede in der Frömmigkeit und im Gottesdienstablauf, aber bei den meisten Menschen, die einer Freikirche angehören, gibt es keine Grundlage für Vorbehalte oder Bedenken“, so Fugmann.

So langsam scheint das wohl den Sonntagsblatt-Redakteur Marquart zu nerven und so haut er (ohne den Begriff „Fundamentalismis“ in den Mund zu nehmen) kräftig in die angeschlagene Kerbe: „Sie sehen also nichts, was grundsätzlich problematisch wäre?“ Und wieder antwortet der „Sektenbeauftragte“ (so nannte man früher diese landeskirchlichen Beauftragten) nüchtern und sachlich: Er finde es schwierig, wenn beispielsweise „eine Gemeinde einen starken Heilungsoptimismus vertritt, bis hin zu Heilungsversprechen.“ Dies könne, so Fugmann, „zu einer Belastung führen, insbesondere wenn suggeriert wird, dass mangelnder Glaube für ausbleibende Heilung verantwortlich sei“. Solches sollte jedoch aus seiner Sicht „nicht verallgemeinert werden auf alle Freikirchen“.

Marquart lässt nicht locker und zieht – was die von Fugmann abgelehnte Verallgemeinerung betrifft – seine vorletzte brisante Interview-Karte: „Gilt das auch für rigide Ansichten über Homosexualität oder die Rolle der Frau?“ Doch auch hier antwortet der „Kirchenmann“ souverän: Die Einstellung zu Homosexualität und Frauenrolle in manchen freikirchlichen Gemeinden hänge damit zusammen, „dass tendenziell eine wörtliche Auslegung der Bibel favorisiert wird“ und dies führe dazu, „dass die Moralvorstellungen möglicherweise konservativer sind als im Durchschnitt der Bevölkerung, insbesondere in Bezug auf Sexualmoral“. Da ihm aber keine konkreten Zahlen vorlägen, fiele es ihm schwer „Aussagen darüber zu treffen, ob diese Tendenz stark oder schwach ausgeprägt ist.“

Nun zielt eine Frage des Redakteurs in eine Richtung, in die er sein Gespräch wohl von Anfang an orientiert haben wollte: „Gibt es auch Tendenzen zu Verhaltensmustern von Sekten?“ Fugmann kontert geschickt: „Ich würde in diesem Zusammenhang nicht von Sekten sprechen, sondern eben von Freikirchen.“

Am Ende zieht der Kirchenbeauftragte ein interessantes Fazit, das kaum noch bei landeskirchlichen „Sektenbeauftragten“ anzutreffen ist: „Ich denke, es ist wichtig, Menschen nicht unter Generalverdacht zu stellen. Mein Fazit wäre, dass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist, wenn es um Freikirchen geht. Ich würde denen, die sich dafür interessieren, raten, sich gut zu informieren und die Dinge sorgfältig zu prüfen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Für mich ist ein mündiges Christsein auch ein informiertes Christsein. In Deutschland haben wir Glaubens- und Gewissensfreiheit im Grundgesetz, solange man dabei die Rechte anderer respektiert. Mit dieser Freiheit geht jedoch auch Verantwortung einher. Wenn man frei ist zu glauben oder nicht zu glauben, ist man letztendlich auch dafür verantwortlich, was man glaubt oder nicht glaubt. Dies ist ein zentraler Punkt für mich. Menschen sollten informierte Entscheidungen treffen und sich über die möglichen Konsequenzen im Klaren sein. Dies gilt nicht nur für Freikirchen…“

Der vom Sonntagsblatt aufgedrückte Sektenstempel ist – zumindest in diesem Interview – wirkungslos geblieben.

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