Politik – geht´s mich was an?
„Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn‘s ihr wohlgeht, so geht‘s euch auch wohl.“ (Jeremia 29,7)
Ich falle jetzt mal mit der Tür ins Haus: Mich betrübt, dass viele Christen Angst davor haben, sich politisch zu äußern. Mich nervt diese „Haltet euch da lieber raus“-Einstellung gegenüber denjenigen, die sich eine politische Meinung zutrauen. Ich kann und ich will nicht verstehen, dass wir Christen politischen Themen immer eine Sonderstellung zusprechen.
Wollen Sie diese Information jetzt schon zur Seite legen? Nein? Das freut mich! Vielleicht meint der eine oder andere: Was hat der Bibelvers aus Jeremia 29,7 mit Politik zu tun? Halt! Da haben wir schon den Denkfehler. Ja, es stimmt, dass Politik ihren vorgesehenen Platz hat. Doch obwohl Berlin beispielsweise weit weg von Osthessen oder vom Erzgebirge ist, sind Steuersenkungen, Autobahnausbau und Gesundheitsreformen ziemlich nah an mir und an meinem Alltag dran. Entscheidungen, in Berlin getroffen, bestimmen meinen Alltag. Näher an meinem Leben geht es kaum!
Dennoch beobachte ich unter Christen eine große Ignoranz und sogar Verneinung politischer Themen. Wir tauschen uns über das TV-Programm aus, über Fußball und neue Autos, vielleicht gerade noch über Missstände am Arbeitsplatz und in der Familie, aber kaum über aktuelle Wahlprognosen. Wir können stundenlang über die neusten Ernährungsratgeber und irrwirtzige Erziehungsbücher diskutieren, aber nicht über die neusten Parteiprogramme. Politische Meinungen werden verurteilt und der Austausch darüber erst gar nicht zugelassen. Kurz gesagt lautet unter uns das Credo: „Christen sollen nichts mit Politik zu tun haben. Denn Christen mit politischer Meinung können in der Politik sowieso keinen klaren Weg gehen, sondern müssen sich verbiegen und Kompromisse schließen.“
Auf der einen Seite muss ich diesem Argument zustimmen. Innerhalb einer Demokratie (wir erinnern uns an Richter 21,25: „In jenen Tagen war kein König in Israel. Jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Das ist Demokratie!) In einer Demokratie werden Ideen nur mit Mehrheiten umgesetzt. Die Mehrheit gewinnt man selten mit starren Positionen. Es müssen Kompromisse eingegangen werden. Dabei ist es natürlich herausfordernd, den eigenen, christlichen Werten treu zu bleiben. Aber das ist die Realität, in der wir leben. Es bringt nichts, so zu tun, als gäbe es diese Realität nicht. Wir können nichts verneinen, was direkt vor unserer Haustür passiert. Wer trotzdem konstant verneint und ignoriert, wird irgendwann zum Nörgler. Denn früher oder später werden uns politische Themen einholen. Und dann wird es noch schwieriger darauf zu reagieren, weil wir es nicht gelernt haben. Über das, was wir nicht verstehen, zu nörgeln, ist leicht. Doch wer sich heraushält und nicht handelt, wird behandelt. Egal ob Ignoranz oder Nörgeln: Heraushalten kann keine Lösung sein. – Soweit der weltliche Aspekt aus der Sicht des Christen.
Kommen wir zum geistlichen Aspekt. Unser Herr selbst hat Juden gescholten, weil sie die Politik aus den Augen verloren haben. Sie glauben das nicht? Dann schlagen Sie bitte Matthäus 16,3 auf. Da sagt der Herr selbst: „Des Morgens sprecht ihr: Es wird heute ein Unwetter kommen, denn der Himmel ist rot und trübe. Über das Aussehen des Himmels wisst ihr zu urteilen, über die Zeichen der Zeit aber könnt ihr nicht urteilen?“ – Das ist eine starke Rüge! Sie bedeutet, dass wir zu tadeln sind, wenn wir uns nicht um die Dinge um uns herum bemühen und darum, wie sie sich entwickeln. Wenn ich das so sage, möchte ich mich recht so verstanden wissen: Es ist an uns, Farbe zu bekennen, die Farben des Paniers unseres Herrn Jesus Christus! Es ist an uns, auch gegen alle Widerstände, Seine Absichten, Seine Intentionen, Seine Regeln öffentlich deutlich zu machen. Es ist nicht an uns – ganz und gar nicht – Chancen unseres Einsatzes auszuloten und danach zu entscheiden, ob wir aktiv werden oder nicht, ob wir uns einsetzen oder nicht. Wir sind, wie 2. Korinther 5,20 uns sagt, „Botschafter an Christi statt“! Habt Ihr schon einmal von einem Botschafter gehört, der von seinem König einen Auftrag bekommt, einem anderen König eine Botschaft zu überbringen? Habt Ihr dabei auch gehört, dass er zuerst darüber nachdenkt, ob es gerade gelegen ist, diese Botschaft zu bringen, oder ob er es besser sein lassen sollte? Diesen Botschafter würde der König mit Sicherheit sofort entlassen!
Nun – als „Botschafter an Christi statt“ ist es unsere absolute Pflicht und Schuldigkeit, die Botschaften unseres Herrn in die Öffentlichkeit an unserem jeweiligen Ort zu tragen. Wir wissen das und stimmen dem zu, obwohl wir ja mittlerweile auch schon heiß darüber diskutieren, ob wir evangelisieren wollen oder nicht, ob es gerade opportun ist oder nicht; und oft endet mittlerweile auch diese Diskussion in dem wohlfeilen resignierenden Satz: „Hier ist schwieriger Boden, es hat ja sowieso alles keinen Zweck!“ – Was für eine
Botschaft verbreiten wir wohl DAMIT?! Und es ist ja auch nicht so, dass die Ermahnung Jesu für uns bei Matthäus eine einmalige Aufforderung in Gottes unverbrüchlichem Wort wäre. Nein! Wir haben zwei Zeugen, die diese Ermahnung an uns richten im Auftrag Gottes, womit ihre Gültigkeit ausreichend festgestellt ist, denn: „Durch zweier oder dreier Zeugen Mund soll jede Sache bestätigt werden.“
(5. Mose 17,6; 19,15; Matthäus 18,16; 2.Korinther 13,1). Und diese beiden Zeugen, die uns da aufs Gründlichste ermahnen, sind in der Person Gottes vereinigt: Es sind der Vater und der Sohn!
Wir haben am Anfang einen Vers gelesen, an den sollten wir uns jetzt erinnern. Es war die Aufforderung Gottes an sein Volk in der Wegführung durch den Propheten Jeremia, und wir sollten sie noch einmal lesen (Jeremia 29,7): „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn‘s ihr wohlgeht, so geht‘s euch auch wohl.“ – Wir könnten jetzt zuerst, wie das oft bei besserwisserischen Brüdern der Fall ist, darüber diskutieren, ob wir hier überhaupt gemeint sind. Sie würden dann sagen: „Jeremia war beauftragt, zu den Juden zu reden. Wir sind aber keine Juden, sondern Gläubige aus den Heiden. Und dann, selbst wenn es auch diese meinte, sind wir ja keine Weggeführten. Manche von uns leben sogar noch im hohen Alter in ihren Elternhäusern!“ Wer aber so argumentiert, urteilt fleischlich und hat das Evangelium nicht verstanden. Denn wir sind Weggeführte, nämlich Herausgerufene aus der gefallenen Welt und für Gott Geheiligte, herausgerückt aus der Macht der Sünde. Und wir sind – wie die Juden – Volk Gottes, „Schafe aus einem anderen Pferch“, wie der Herr selbst in Johannes 10,16 sagt. Jeremia 29,7 gilt also für uns ebenso wie für die Juden!
Was heißt das nun: „Suchet der Stadt Bestes“? Was bedeutet es? Wie geht das? Wie kann man das machen? Nun – die einfachste Erklärung ist: Indem man das Schlechte von ihr fernzuhalten sucht! Ist das möglich, ohne sich zu äußern? Ist das möglich, ohne aktiv zu werden? Ich denke nicht. Was ist nun also an uns, dass wir es tun sollen? Politisches Handeln beginnt im Kopf. Aber der Kopf allein genügt nicht, wie wir alle wissen. Denn wenn wir uns auf unseren Kopf allein verlassen, dann sind wir genau an dem Punkt, an dem leider alle jene stehen, die das Prinzip der Errettung und das Evangelium im Kopf verstanden haben und dennoch nicht errettet sind, weil es nicht in ihr Herz gedrungen ist. Es müssen also Kopf und Herz zusammenkommen, wenn Christen in Christi Sinn politisch handeln wollen.
Heißt das, dass jeder Christ politisch handeln soll? Genau das heißt es! Politisches Handeln bedeutet jedoch nicht zwingend, dass man Mitglied einer Partei wird oder immer und überall eine politische Meinung äußern, vertreten und verteidigen muss. Politisches Handeln beginnt vielmehr im Kopf. Es geht nicht um die großen Taten oder Meinungen, sondern darum, sich auf politische Themen einzulassen und sie nicht aus der Realität auszuklammern. Es geht darum, in der Bibel die politische Dimension zu finden und diesen Standpunkt zu vertreten und zu leben. Und es geht auch darum, nicht jeden geistlich denkenden Bruder, nicht jede geistlich denkende Schwester, die sich politisch äußern, zu verurteilen. Unterstützen statt verurteilen, das könnte ein Leitbild für das Verhältnis von Christ und Politik sein. Ist das nicht sowieso ein Leitgedanke, den uns der Herr Jesus Christus vorgelebt hat? Ich wünsche mir, dass wir jenen Christen, die sich der politischen Herausforderung stellen, genauso begegnen können. Ich wünsche mir, dass wir nicht denjenigen den Mut nehmen, die dafür kämpfen, dass Wort und Wille Gottes im Alltag, gesellschaftlich wie politisch, Gewicht erhalten. Das walte der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist!
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