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Hat sich die Neuapostolische Kirche geändert?

Katechismus der NAK. Foto: AG WELT/Fotoarchiv
Katechismus der NAK. Foto: AG WELT/Fotoarchiv

Von einem ehemaligen Kirchenmitglied der Neuapostolischen Kirche (NAK)

Wer den 2012 erschienenen Katechismus der NAK liest, findet viel Wahrheit, die durchzogen ist von den alten Irrtümern und Irrlehren. Diese haben sich nicht geändert, werden aber in einem „neuen Kleid“ präsentiert und sind raffiniert verpackt. Wer sich nicht intensiv damit befasst, ist in Gefahr getäuscht zu werden. Oberflächlich betrachtet könnte der Eindruck entstehen, die NAK wäre auf einem guten Weg, hin zu Christus und hin zu einer „ökumenefähigen“ Lehre (was immer das auch heißen mag).

Deshalb ist es wichtig, ihre Lehre klar darzustellen, so wie sie wirklich ist und immer war: hierarchisch geleitet von Menschen, die sich Apostel nennen, vertrauend auf die Wirkung von Sakramenten, verstrickt in Bibelkritik und mit ihrer Entschlafenenlehre gefährlich nahe am Okkultismus.

Das neue Kirchenverständnis der NAK

In diesem Beitrag soll es um das neue Kirchenverständnis der NAK gehen. Vor 2006 hieß es noch: „Die Neuapostolische Kirche ist die Kirche Jesu Christi, gleich den apostolischen Gemeinden zur Zeit der ersten Apostel.“ (Fragen und Antworten Nr.167) Man verstand sich als „das Werk Gottes“. Was hat sich seitdem geändert?
Der öffentliche Informationsabend am 24. Januar 2006 durch den damals amtierenden Stammapostel Dr. Willhelm Leber war der Startschuss für mehrere Lehränderungen.

Positiv aufgenommen wurde in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) die Anerkennung der Taufe anderer Kirchen, sofern sie „trinitarisch“ durchgeführt wurde. Früher musste die Taufe von einem priesterlichen Amtsträger der NAK bestätigt werden, damit ein Getaufter in die NAK-Gemeinde aufgenommen werden konnte. Nur nach dieser Bestätigung konnte anschließend durch Handauflegung eines NAK-Apostels die Versiegelung (= Empfangnahme des Heiligen Geistes) durchgeführt werden.

Man sah in der Anerkennung der Taufe eine Öffnung der Kirche und erhoffte sich eine Abwendung von ihrem exklusiven Heilsanspruch. In der Veröffentlichung des Katechismus (Kat.) fanden die eingeleiteten Lehränderungen nun ihren vorläufigen Abschluss.

Kirche Jesu Christi neu definiert

Auch das grundlegende Glaubensbekenntnis, das aus 10 Glaubensartikeln besteht, wurde verändert. Insbesondere das Kirchenverständnis fand eine neue Ausprägung. Hier wurde tatsächlich eine bedeutende Veränderung vorgenommen.

Man definiert die Kirche Jesu Christi nun als:

die „Versammlung derjenigen, die getauft sind, ihr Leben in der Nachfolge Christi führen und Jesus Christus als ihren Herrn bekennen“ (Kat. S. 67). Menschen werden durch die Taufe „in die Kirche Jesu Christi eingefügt“ und dadurch zu Christen. „Durch die Taufe wird die Erbsünde abgewaschen und der Gläubige aus der Gottesferne herausgeführt“ (Kat. S. 320).

Als Kirche Christi wird also nun nicht mehr die NAK gesehen, sondern die Gemeinschaft aller trinitarisch Getauften. Durch die Betonung auf die Taufe (egal ob Kinderoder Erwachsenentaufe) zeigt sich schon die Bedeutung, die die NAK den sakramentalen Handlungen und daraus folgend der Institution Kirche beimisst: „Ohne Kirche ist Christsein nicht möglich“ (Katechismus S. 269).

NAK: Heilsgeschichtliche Institution innerhalb der Kirche Jesu Christi?

Doch wie sieht sich die NAK nun selbst? Der 3. Glaubensartikel gibt Aufschluss darüber:

„Ich glaube an den Heiligen Geist, die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“

Die NAK verweist damit zunächst einmal auf die Kirche Christi, wie sie oben dargestellt wurde und unterscheidet zwischen der sichtbaren Seite der Kirche (die „vom Herrn Jesus auf Erden gestiftet ist“ – vgl. Kat. S. 269), und der unsichtbaren Seite der Kirche, die „wahrnehmbar ist in den Heilswirkungen der Sakramente und des Wortes Gottes“ (Kat. S. 270). Da aber nun die NAK das Attribut „apostolisch“ für sich als „geschichtlich realisiert“ in Anspruch nimmt, sieht sie sich selbst immer noch als die eine heilsnotwendige Institution innerhalb der Kirche Christi:

„Mit der Wiederbesetzung des Apostelamts ist es auch zur Wiederherstellung der rechten Sakramentsspendung gekommen. Auch hat die Wortverkündigung durch die Botschafter an Christi statt eine erhöhte Autorität; dies äußert sich besonders im Wachhalten der Gewissheit der nahen Wiederkunft Christi. Ebenso kann wieder die Sündenvergebung durch Apostel verkündigt werden.“ (Kat. S.275)

Die Kirche Christi war also angeblich vorher nicht vollständig, es fehlte ihr „das Amt und die damit verbundene rechte Sakramentsspendung sowie die rechte Wortverkündigung als wesentliche Elemente der Kirche Christi“, die nun „in der geschichtlichen Wirklichkeit erneut vollständig vorhanden“ sind (vgl. Kat. S.276).

Hier ein paar weitere Auszüge aus dem Katechismus zum näheren Verständnis dieses theologischen Schachzugs:

„Sie (die Kirche Christi) ist dort am deutlichsten wahrnehmbar, wo das Apostelamt, die Spendung der drei Sakramente an Lebende und an Tote sowie die rechte Wortverkündigung vorhanden ist. Dort ist das Erlösungswerk des Herrn aufgerichtet, in dem die Braut Christi für die Hochzeit im Himmel bereitet wird.“ (Kat. S.68-69).

„Unter dem Begriff ‚Erlösungswerk des Herrn‘ versteht man im Allgemeinen die Heilstat Jesu, die abgeschlossen ist. Wird dieser Begriff hier verwendet, ist damit der Teil der Kirche gemeint, in dem die Apostel wirken und jene Heilsgaben vermitteln, die der Bereitung der Erstlinge, der Braut Christi, dienen.“ (Kat. S. 69 Fußnote)

„Die Apostel sind zu allen Völkern gesandt, sie zu lehren und zu taufen. Sie rufen alle, sowohl Nichtchristen als auch die Getauften, die an Jesus Christus glauben und ihn als ihren Herrn bekennen, dazu auf, sich mit dem Heiligen Geist taufen und auf die Wiederkunft Christi vorbereiten zu lassen.“ (Kat. S.277)

Die NAK kennt keine Heilsgewissheit. Deshalb heißt es:

„Die futurische Auswirkung des Empfangs der Gabe des Heiligen Geistes ist die Erstlingsschaft. Allerdings hat der Versiegelte die Erstlingsschaft noch nicht, sondern er hat durch die Geistestaufe die Voraussetzung zu ihrer Erlangung erhalten. Der Glaubende kann, wenn er dem Tag Christi zustrebt, zur Brautgemeinde, zur ‚Gemeinschaft der Heiligen‘, gehören. Dem Versiegelten ist die Aufgabe gestellt, in der Nachfolge Christi zu bleiben und sich durch Wort und Sakrament auf die Wiederkunft Jesu Christi vorbereiten zu lassen“.

Es zeige sich also erst bei der Entrückung der Braut, wer zur „Gemeinschaft der Heiligen“ gehört – zu denen, die vom Herrn Jesus angenommen wurden. Hier tritt der Aspekt der Werksgerechtigkeit deutlich zutage. Selbst die Empfangnahme der NAK-Sakramente verbürgt den Gläubigen noch nicht die ewige Errettung bzw. Teilnahme an der Entrückung. Es bleibt immer die Ungewissheit, ob das eigene Bemühen ausgereicht und die „Vorbereitungsarbeit“ der Apostel ihre Früchte gezeigt hat (ob man „seine Lebensgestaltung bewusst auf die Wiederkunft Christi hin“ ausgerichtet hat, wie es der Katechismus auf S. 366 formuliert (schlussendlich: ob man treu die Gottesdienste der NAK besucht, „würdig“ am Abendmahl teilnimmt und Jesus in seinem Apostel nachfolgt).

Die Exklusivität der NAK bleibt

Man sieht, dass mit diesem neuen Kirchenverständnis die Exklusivität der NAK keineswegs gelockert ist. Im Gespräch mit Außenstehenden betont man zwar immer, dass man nun alle getauften Christen als Kirche Christi anerkenne, aber entscheidend für die Beurteilung der Lehre ist der offizielle Katechismus. Auch wenn der seit 2013 amtierende neue Stammapostel Jean-Luc Schneider in seinen Gottesdiensten vermehrt allgemeinchristliche Wahrheiten predigt (vielleicht auch in der Hoffnung, dass damit die Aufnahme in die ACK beschleunigt wird), verweist auch er auf den Katechismus als verbindliche Glaubensgrundlage.

Nach neuapostolischem Verständnis hat ein n i c h t neuapostolischer „Christ“ keine Sündenvergebung (weil er nicht unter die „Freisprache“ seiner individuellen Sünden im Gottesdienst der NAK kommt), keinen Heiligen Geist (weil er nicht das Sakrament der Versiegelung durch einen Apostel erlangt hat) und wenig Hoffnung, an der Entrückung teilnehmen zu können, weil er nicht zur „Braut des Herrn“ gehört, denn die Braut muss von Aposteln der NAK auf die Wiederkunft Jesu vorbereitet werden (durch „Wort und Sakrament“).

Solch ein „Christ“ hat allerdings nach neuapostolischem Verständnis mehrere Chancen, trotzdem noch errettet zu werden: Vor der Entrückung kann er nach seinem Tod die Sakramente der NAK in einem Entschlafenengottesdienst empfangen. Bei der Entrückung muss er auf eine „Ausnahme“ vertrauen, die in der Souveränität Gottes begründet liegt. Nach der Entrückung muss er sich als Märtyrer in der Trübsalszeit bewähren, um von Gott angenommen zu werden, währenddem die Neuapostolischen bereits die Hochzeit im Himmel feiern. Interessant ist, dass das Kreuz Christi, das vergossene Blut unseres Herrn und Erlösers, der stellvertretend für uns gestorben ist, in diesen „Errettungschancen“ keine direkte Rolle mehr spielt. Das ist bezeichnend für die aktuelle Lehre der NAK, die in ihrem Sakramentalismus und Ämterglauben den einfachen rettenden Glauben des Evangeliums zur Seite geschoben hat.

Interessanterweise findet man wenig Mitglieder der NAK, die diese Lehre vollumfänglich glauben. Vielen ist es peinlich darüber zu sprechen. Nur ein „harter Kern“ hat diese Lehren wirklich verinnerlicht und vertritt sie. Stattdessen vertreten viele Gläubige der NAK Sichtweisen, die der Allversöhnung nahe kommen. „Wenn man sich bemüht, wird man von Gott schon angenommen“ scheint eine allgemeine Auffassung zu sein. Das ist die Frucht jahrzehntelanger Predigten, die das eigene „Bemühen“ zur Erlangung der Seligkeit betonten. Das Kreuz Christi tritt dabei in den Hintergrund, und von der Notwendigkeit einer Bekehrung weiß man nichts. Man sieht die NAK als „sichersten Weg“ mit einer realistischen Chance von Gott angenommen zu werden, sofern man der NAK treu bleibt.

Neuapostolische brauchen das wahre Evangelium

Es ist wichtig diese Glaubensinhalte zu kennen, wenn wir uns mit Neuapostolischen über ihren Glauben unterhalten wollen. Doch wir können mit Vernunftgründen keinen Neuapostolischen überzeugen (1. Korinther 10,3-5). Streitgespräche über neuapostolische Glaubensinhalte sind kein Weg, um die Gläubigen dieser Kirche zu erreichen. Die Diskussion über das Apostelamt, über die Entschlafenenlehre oder die Sakramente führt meist in eine Sackgasse. Nur eine Waffe ist hilfreich im Umgang mit Irrlehren: Das Wort Gottes, gepaart mit viel Liebe zu den Menschen, die in diesen Lehren gefangen sind – egal ob wir es mit Neuapostolischen oder den Anhängern anderer Irrlehren zu tun haben.

Erstveröffentlichung: Brennpunkt Weltanschauung 1/2014

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