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Ist die Evangelische Kirche ein Auslaufmodell?

Foto: Thomas Schneider/agwelt
Foto: Thomas Schneider/agwelt

Gedanken eine alten Mannes zur Evangelischen Kirche
Eine kritische Betrachtung von Rolf Müller

Wie kann die Kirche wachsen? Wie kann sie verhindern, ein Auslaufmodell zu werden? Darüber gibt es verschiedene Meinungen. Hier ein paar Vorschläge von Experten:

„Die Kirche muss an Festen mitwirken, gegen Armut kämpfen, Migranten integrieren und persönliche Beziehungen aufbauen.“ (Bischof Markus Dröge, ideaSpektrum 43/2013, S.30)

„Die Kirche soll offen über Sexualität diskutieren und das auch zum Thema der Predigten machen: „Adam und Eva – die ersten Betroffenen“, „Jonathan und David – zwei Männer voll zärtlicher Liebe füreinander“. (Pfarrer Rudolf Renner, ideaSpektrum 43/2013, S. 31)

„Man muss dem Friedensthema mehr Beachtung schenken: Unterstützung von Friedensdiensten, regelmäßige Gespräche mit Politikern, Informationsveranstaltungen über gewaltfreie Lösungen bei Auseinandersetzungen.“ (Synodalpräsidentin Margit Fleckenstein, ideaSpektrum 43/2013, S.33)

„Unsere Kinderreferentin hatte sich ein bärenstarkes Kinderprogramm ausgedacht. Sie hatte mich in ein Bärenfell gesteckt und mir obendrein den Namen Bruno verliehen. Die Kinder waren begeistert.“ (dzm aktuell 4/13, S.6)

„Ein absolutes Highlight war der Tanzworkshop mit Franzi aus der blu:boks Berlin. Über mehrere Tage studierte sie mit Jugendlichen einen Tanz ein. Auf der Bühne vor Publikum wurde der Tanz dann aufgeführt. Viele Eltern und Freunde kamen dazu und gaben einen wirklich fetten Applaus.“ (dzm aktuell 4/13, S.7)

An Ideen und Vorschlägen mangelt es nicht, aber sind sie dem Wort Gottes gemäß?

Es dominieren Tagespolitik und Zeitgeist

Es dominieren in der kirchlichen Verkündigung Tagespolitik und Zeitgeist. Die Kirchen leeren sich durch unbiblische Lehren. Man meint es gut, man möchte den Kirchenfernen das Evangelium schmackhaft machen. Ist denn das Wort Gottes geschmacklos? Womit will man den Geschmack „verbessern“? Ist die Heilige Schrift nicht gut genug? Muss man sie feministisch in „gerechter Sprache“ aufbereiten oder in gotteslästerlicher Gossensprache unter die Leute bringen?

Es gibt ein großes Problem in der Evangelischen Kirche: Die Theologen sollen sich mit der Bibel beschäftigen, als ob es Gott nicht gäbe. Sonntags sollen sie dann aber predigen, als ob die Bibel doch irgendwie Gottes Wort wäre. Das Resultat kann man oft am Gottesdienstbesuch ablesen. Die größte Gefahr droht der Kirche von innen. Sie ist dabei, sich selbst abzuschaffen. Die Kirchenleitung macht nicht mehr das Wort Gottes zum Maßstab ihrer Entscheidungen.

Die Welt verbessern

Muss die Kirche wirklich in Verkündigung und Selbstdarstellung den gesellschaftspolitischen Pluralismus widerspiegeln? Man gewinnt den Eindruck, die Kirchenleiter wissen selbst nicht mehr, was eigentlich das Christentum ausmacht. Die Botschaft der Schrift wird den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst. Die Kirche zieht sich selbst den Boden unter den Füßen weg.

Der Gottesdienst war schon immer der Mittelpunkt des Gemeindelebens in der Evangelischen Kirche. Wie sieht er heute aus? Egal ob Textauslegung oder ein Thema eine Rolle spielt, inhaltlich macht das oft keinen Unterschied. Wir hören Beispiele aus Fernsehnachrichten und Zeitungskommentaren der letzten Woche. Wir erfahren, dass die Welt nicht in Ordnung ist und verbessert werden muss.

Liebe wird im Zusammenhang mit dem Zeitgeist verstanden

Uns wird gesagt: Wenn wir doch so lieben würden, wie Jesus geliebt hat! Was aus Liebe getan wird, sei gut, ob es Mann mit Mann oder Frau mit Frau macht; ob wir abtreiben oder austragen, wenn nur alles aus Liebe geschieht, ist es in Ordnung. „Liebe“ wird im Zusammenhang mit dem Zeitgeist verstanden und positiv verklärt. Das hat mit biblischen Glaubensaussagen wenig zu tun. Das Wort Gottes spielt in der Evangelischen Kirche nur eine nebensächliche oder gar keine Rolle.

Paulus schreibt, dass die Botschaft vom Kreuz der Welt entweder eine Torheit oder ein Ärgernis ist. Das ist wahr. Trotzdem muss diese Botschaft verkündigt werden, denn sie gründet auf der Realität des in der Bibel bezeugten Christus. Und sie ist für alle, die glauben, eine Gotteskraft. Viele Theologen meinen, das mache die „gute Stimmung“ kaputt. Es ist ihnen zu pietistisch. Aber könnte es nicht vielmehr sein, dass viele Theologen diese Realität noch nicht erfahren haben? Sind sie deshalb „blinde Blindenleiter“? Der Theologe Günther Kegel sagte:

„Wenn man von der Unfehlbarkeit der Bibel ausgehen würde, wäre die ganze akademische Theologenschaft eine einzige Bande von Irrlehrern.“

Es dient nicht der Kursfindung, wenn man den Leuchtturm aufs Schiff holt

Wo sind noch die Diener Gottes, die mit Vollmacht und Standhaftigkeit das Wort der Wahrheit in der Kraft Gottes predigen? Nur wer treu am Wort Gottes festhält, wird bleiben. Nur die frohe Botschaft von Jesus Christus stillt den Durst der Menschen. Was vom Evangelium wegführt, ist wenig hilfreich. Es dient nicht der Kursfindung, wenn man den Leuchtturm aufs Schiff holt. Nur wo Christen sich den Zeitströmungen entgegenstellen, können sie Salz und Licht sein.

Der alte Mann fragt sich: Hat die Evangelische Kirche noch eine ernstzunehmende Botschaft? Ist sie sich ihrer Botschaft gewiss? Gründet sich ihre Botschaft „allein auf die Schrift“? Wird die Evangelische Kirche vom Geist Gottes oder vom Zeitgeist getrieben? Es ist ein Problem der Kirche, dass die Mehrheit ihrer Pfarrer aufgrund ihrer theologischen Ausbildung und ihres mangelhaften Verstehens der Bibel nicht in der Lage ist, das Evangelium zu verkündigen. Ich möchte das im Folgenden begründen:

Dem durchschnittlichen Pfarrer ist zweifelhaft,

1. dass ein persönlicher Gott die Welt geschaffen hat,
2. dass Gott seinen Sohn durch die Geburt durch die Jungfrau Maria Fleisch werden lassen hat,
3. dass Gott seinen Sohn den Sühnetod am Kreuz sterben lassen hat,
4. dass Gott ihn am dritten Tag danach leibhaftig auferweckt und ihn nach vierzig Tagen in den Himmel aufgenommen hat,
5. dass Jesus Christus wiederkommen wird.

Der Zweifel als „Bruder des Glaubens“

Wenn diese Grundlagen christlichen Glaubens ganz oder teilweise geleugnet werden oder als nicht wirklich geschehen uminterpretiert werden, fehlt diesen Pfarrern die Kompetenz für ihre eigentliche Aufgabe. Sie sind ungeeignet für ihren Dienst. Wer selbst nicht glaubt, was er sagt, ist ein Heuchler. Leben und Glauben klaffen auseinander, sind unglaubwürdig. Das hat Folgen. Wenn das Evangelium Gottes nicht mehr verkündigt wird, wenn der Glaube an Jesus Christus und sein Erlösungswerk am Kreuz nicht mehr im Mittelpunkt der Predigt stehen, werden viele Menschen in ihren Sünden sterben und verloren gehen. Wozu braucht man eine Kirche, die die Hauptsache verschweigt? Eine solche Kirche ist zwangsläufig ein Auslaufmodell.

In der Evangelischen Kirche hat der Zweifel als „Bruder des Glaubens“ seinen Ort. Nichts ist sicher, nichts ist gewiss. Orientierung ist Fehlanzeige, fast alles ist möglich. Es fehlt der funktionierende Kompass, die Wegweiser zeigen in die falsche Richtung. Evangeliumsverkündigung geschieht nur noch am Rand. Es findet keine Unterscheidung zwischen Zeitgeist und Gottes Geist mehr statt. Das Erbe der Reformation hat man verspielt. Man bietet viel Show, aber wenig Evangelium; viel Religiöses, aber wenig Christus; viel politisches Geschwätz, aber wenig Bibel und Bekenntnis. Träume und Wünsche werden an die Stelle von Gottes Wort gesetzt. Der allmächtige Gott selber achtet die Gesetze, die er in seine Schöpfung hineingelegt hat. Woher nehmen Menschen die Dreistigkeit, diese zu missachten?

Man mag dem alten Mann vorwerfen, er sähe alles zu negativ. Er berücksichtige nicht die guten Seiten, die in der Evangelischen Kirche ja auch vorhanden sind. Es gibt (noch) gläubige Pfarrer, die das Wort Gottes schriftgemäß verkündigen. Es gibt Gemeindeglieder, die Christus als ihren Herrn und Heiland im Glauben aufgenommen haben. Es gibt Kirchenmitglieder, die das Erlösungswerk Jesu im Glauben ergriffen haben und fröhliche Zeugen Jesu sind. Aber gibt es auch Bischöfe und Kirchenleiter, von denen man das sagen kann?

Meine Überlegungen galten der Frage: „Ist die Evangelische Kirche ein Auslaufmodell?“ Nimmt sie ihre eigentliche Aufgabe noch wahr? Kann man sie vergessen oder besteht noch Hoffnung? Wenn ja, was kann sie tun? Weitermachen wie bisher? Oder durch aufrichtige Reue und Buße umkehren?

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