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„Gothic-Gottesdienst“ in evangelischer Kirche gefeiert

Foto: Lisa Spreckelmeyer
/pixelio.de

(AG WELT) Mit etwa 350 Besuchern hat der Schulpastor an der Berufsbildenden Schule in Bersenbrück, Uwe Brand, am vergangenen Freitag in der evangelischen Kirche in Nortrup-Loxten bei Osnabrück den ersten „Gothic-Gottesdienst“ Norddeutschlands gefeiert.

Ein Schüler, der im Religionsunterricht einen Vortrag zu den „Gothics“ gehalten habe, hätte den Pastor auf die Idee gebracht, einen „Gothic-Gottesdienst“ zu organisieren. Der zuständige Superintendent habe dann grünes Licht für diese kirchliche Veranstaltung mit Anhängern aus der „Gothic“-Szene gegeben.

Wie der Nordeutsche Rundfunk (NDR) berichtet, seinen „eine Lichtshow, Nebel, Musikvideos, Gedichtlesungen, Grabkerzen und ein Bühnenbild mit Totenkopf“ Bestandteile des Gottesdienstes gewesen. Aus Sicht des Pastors sei es „ein feierlicher Gottesdienst“ gewesen und es habe ihm „sehr viel Spaß gemacht“. Gegenüber dem NRD sagte Brand in einem Filmbeitrag:

„Mal gucken, wie die Szene anspricht. Ich werde sicherlich Reaktionen hören. Auch im Netz. Mal gucken.“

Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, habe dieser Pastor seit zwanzig Jahren einen Predigtauftrag in der Nortrup-Loxtener Dorotheen-Gemeinde. Er sei „offen für Gruppen, die auf anderen Wegen Antworten auf religiöse Fragen finden“, „Gothics“ zählten seiner Meinung nach dazu. In einem Interview mit der Zeitung sagte Brand:

„Es geht in der Szene um typisch religiöse Fragen: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Wer bin ich? Genau wie die Kirche hat sich auch die Gothic-Szene Antworten zurechtgelegt. Und diese sind nicht weit von unseren entfernt. Ich finde, die Szene hat eine Berechtigung, ernst genommen zu werden.“

Als er in den Achtzigern mit der New-Wave Bewegung und den Grufties aufgewachsen sei, hätte er „alles noch sehr komisch“ gefunden. „Heute finde ich die Szene sehr interessant“, so der evangelische Pastor. Der Satanismus habe seiner Meinung nach mit der „Gothic“-Szene „nichts zu tun“. Er wisse aber auch nicht, ob es unter den „Gothics“ Grenzgänger geben würde. Vor einem Jahr habe er einen „Gottesdienst gegen den Weltuntergang“ und davor „Heavy-Metal-, Rock- und Märchen-Gottesdienste“ organisiert.

Wie „DIE WELT“ berichtet, hätten „Grableuchten den Besuchern den Weg in die Kirchenbänke“ gewiesen. Auf einer Großbildleinwand habe man „Gothik-Rock oder eigene Videos“ ablaufen lassen. Nebelschwaden seien aufgestiegen und hätten den Pastor im schwarzen Talar teilweise ganz eingehüllt. „Harte Rock-Bässe wechselten mit klassischen Orgelklängen, Vaterunser und Segen mit Gedichtlesungen und Theaterszenen über Zweifel, Melancholie, Einsamkeit und Erwartungen anderer“, so die Zeitung. In der Predigt habe Brand den Besuchern zugerufen: „Ich würde so gerne wissen, wer ich bin“.

Grenze zwischen „Gothic-Szene“ und „Satanismus“ fließend

Sind die Motive für „Gothics“ tatsächlich nur in einer Verweigerung gegenüber einer Leistungs- und Fun-Gesellschaft, in der Abgrenzung zum Elternhaus oder im Protest gegen die Kirche zu suchen? Das Bayerische Landesjugendamt beim „Zentrum Bayern Familie und Soziales“ (ZBFS) im Geschäftsbereich des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums schreibt dazu:

„Die Gothic-Szene distanziert sich überwiegend vehement vom Satanismus. Sie sieht sich als eine Jugendkultur, die in einem Gefühl schwarzer Romantik den Schattenseiten des Lebens huldigt. Allerdings gibt es auch Berührungspunkte zwischen der Gothic-Szene und dem jugend-spezifischen, auffallen-wollenden Satanismus beim (schwarzen) Outfit, der Vorliebe für geheimnisvolle Symbolik und einer generellen Anti-Haltung gegenüber dem so genannt `Normalen`.“

Zu einer Buchmesse in Leipzig bekannte ein Vertreter dieser Szene gegenüber der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V.: „Nicht jeder Gothic ist ein Satanist“. Aber aus der Faszination für „Mystik und Romantik“, die durch das „Tragen schwarzer apokalyptischer Kleidung und Aufsetzen von Masken verstärkt“ werde, entwickele sich „fließend die Sehnsucht nach mehr Erfahrung im Übersinnlichen“. Besonders das Hören depressiver Musik trage dazu bei, „die richtige Welteinstellung zu finden und in die Tiefen der Finsternis abzutauchen“. Für ihn sei „der Satan zum Ratgeber im Leben“ geworden. Er gehe zum jährlich stattfindenen „Schwarzen Gottesdienst“, der in der Leipziger Peterskirche angeboten werde, „um Gleichgesinnte zu treffen“. Dort sei ohnehin nur ein kleiner Teil der „Gothic“-Anhänger Christen.

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