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Gedanken eines alten Mannes über das Buch von Anselm Grün „Vom Glück des Älterwerdens“

Grün1Von Rolf Müller

Unsere Gäste hatten für die Hausfrau einen Blumenstrauß und für mich das Buch von Anselm Grün mitgebracht. Ich hatte über diesen Pater schon einiges gelesen. Außerdem hatte ich verschiedene Bücher von ihm auf den Büchertischen christlicher Gemeinden und in christlichen Buchhandlungen liegen sehen. Selber hatte ich von ihm noch kein Buch gelesen. Und nun wurde ich mit „Vom Glück des Älterwerdens – Mehr Gelassenheit und Weisheit mit Pater Anselm Grün“ beschenkt. Schon aus Gründen der Höflichkeit unseren Gästen gegenüber habe ich also das vom Äußeren her gefällig aufgemachte Werk gelesen. Vom Titel lächelte mich das Foto des vollbärtigen Paters mit den freundlichen Augen an. Das Buch ist in einer gut leserlichen, nicht zu kleinen Schrift gedruckt und mit vielen schönen Bildern ausgestattet.

Zum Autor

Dr. theol. Anselm Grün wurde am 14. Januar 1945 in Junkershausen geboren und wuchs in der Nähe von München auf. Er legte 1964 sein Abitur am Riemenschneider-Gymnasium in Würzburg ab und trat an der Benediktiner-Abtei Münsterschwarzach als Novize ein. Von 1965 bis 1971 studierte er Philosophie und Theologie in St. Ottilien und Rom. 1974 promovierte er zum Doktor der Theologie. Anschließend studierte Anselm Grün in Nürnberg Betriebswirt-schaftslehre. Er leitet heute die wirtschaftlichen Belange seines Klosters als Cellerar. Seine Bücher sind in Millionenauflagen weltweit verbreitet und in viele Sprachen übersetzt worden. Anselm Grün ist zum Inbegriff eines spirituellen Aufbruchs geworden, der aus den Klöstern kommt und immer mehr Menschen anzieht. Anselm Grün ließ sich nicht nur von der Bibel und den Schriften der alten Mönchsväter der früheren Jahrhunderte inspirieren. Er las auch die Psychologie Carl Gustav Jungs sehr genau und widmete sich intensiv asiatischen Meditationstechniken. Die Verbindung von Psychologie und Spiritualität hat für viele Menschen möglich gemacht, die eigene Tradition wieder neu und hilfreich auf ihr eigenes Leben zu beziehen. [Dr. Rudolf Walter, „Vom Glück des Älterwerdens“ Reader´s Digest, Sonderausgabe 2010]

Zum Buch

Anselm Grün vermittelt seinen Lesern Weisheiten aus aller Welt und gibt Ratschläge zum Thema „Älterwerden“, aber es ist kein christliches Buch. Er bezieht sich kaum auf die Bibel.

Er beruft sich auf Carl Gustav Jung, auf verschiedene Päpste, den Mystiker und Dichter Andreas Gryphius, den Benediktiner und Eremit David Steindl-Rast, den Jesuit Alfred Delp, den charismatischen Seelsorger Johannes Bosco, den Mystiker Johannes Tauler, Albert Schweitzer, Carl Friedrich von Weizsäcker, den heiligen Benedikt, Picasso, Hermann Hesse, Jörg Zink, den Zenmeister Karlfried Graf von Dürckheim, Viktor E. Frankl, Henri J. M. Nouwen, Karl Rahner, Martin Walser, die Gebrüder Grimm, Ernst Bloch, Max Frisch, Heinrich Jung-Stilling, Augustinus, Tagore, Rainer Maria Rilke, Platon, Meister Eckehart, Theodor Fontane und viele andere.

Anselm Grün zitiert Sprichwörter und Weisheiten aus China, Polen, Estland, Vietnam, Deutschland, Spanien, Arabien, Türkei, Irland, Persien, Japan und Frankreich. Allein aus dieser Aufzählung wird deutlich, dass es Anselm Grün um allgemeine Lebensweisheiten aus allen Bereichen geht.

Die Bibel spielt nur eine untergeordnete Rolle und wird nach Bedarf uminterpretiert.

Zitate aus dem Buch „Vom Glück des Älterwerdens“

„Wie der Vogel, so hat auch unsere Seele Flügel. Sie kann uns über die alltäglichen Probleme hinweghelfen. Wir erheben uns mit unserer Seele zum Himmel. Dort kann uns die Angst nicht mehr erreichen.“ (S. 36)

„Die Psychologie spricht davon, dass wir mit unserem inneren Kind in Berührung kommen sollen, das eine Quelle von Inspiration und Lebendigkeit ist. Und das innere Kind hat ein Gespür für seine Einmaligkeit. `Ich bin. Ich bin, wer ich bin.`“ (S. 52)

„Die Seele meldet sich in Träumen oder auch in psychosomatischen Beschwerden zu Wort und zeigt, dass wir uns der inneren Welt zuwenden sollen.“ (S. 67)

„Wenn außen nicht mehr viel geht, kann ich mich nach innen wenden. Ich lerne still zu werden, auf die Träume zu achten und auf die leisen Impulse, die in meiner Seele hochsteigen wenn ich einfach nur still dasitze. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen, die mir im Tod vorausgegangen sind und von denen ich glaube, dass sie jetzt bei Gott sind. Ich spüre eine neue Verbundenheit mit allem, was ist.“ (S. 108)

„Für mich ist ein Weg, mein wahres Wesen zu erkennen, still zu werden und in mich hineinzuhorchen. Stimmt es so mit mir? Bin ich stimmig? Stimme ich überein mit meinem Innersten?“ (S. 177)

„Es hilft, sich einfach still hinzusetzen und in sich hineinzuhorchen. Ich spüre in meinem Leib, ob mein Leben so, wie ich es lebe, stimmt. Mein Leib zeigt mir, wo ich an mir vorbeilebe. Wenn ich auf meinen Leib horche, möchte ich ehrlich mit mir umgehen. Im Horchen auf den Leib komme ich in Berührung mit mir selbst. Ich spüre, ob ich mich wohlfühle in meinem Leib oder ob mir mein Leib zeigt, dass ich im Zwiespalt mit meinem innersten Wesen lebe.“ (S. 183)

„Im Schweigen werden wir genährt und gestillt, aber nicht mit äußeren Dingen, sondern mit der Sehnsucht. Die Sehnsucht ist etwas Heiliges in uns. Sie bringt uns in Berührung mit dem inneren Reichtum unserer Seele.“ (S. 184)

„Es sind verschiedene Erfahrungen, die ich in der Stille mache. Manch- mal habe ich das Gefühl, Gott schaut mich an. Und unter seinen Augen darf ich sein, wie ich bin. Ein andermal sehe ich Gott nicht als Gegenüber. Ich bin in der Stille einfach eins mit mir selbst. Und in dieser Einheit fühle ich mich zugleich eins mit allem, was ist, eins mit der Schöpfung, eins mit den Menschen und eins mit dem Urgrund allen Seins, mit Gott. In dieser Erfahrung des Eins Seins steht die Zeit still. Da fallen Zeit und Ewigkeit zusammen. Da sind Gott und Mensch eins. Himmel und Erde verbinden sich. Es sind tiefe Augen-blicke des Glücks, die in der Stille möglich sind. Ich muss die Stille nicht machen, sie ist schon da. Wenn ich durch Wälder wandere, abseits der Straßen, dann umgibt mich die Stille. Ich muss sie nur wahrnehmen. Dann wird sie mich heilend umhüllen und auch meine Seele still machen. Aber die Stille ist nicht nur außerhalb. Sie ist auch in mir. Die Mystiker sind davon überzeugt, dass in uns ein Raum der Stille ist, in dem Gott wohnt. Wir müssen die Stille nicht schaffen. Sie ist in uns.“ (S. 185)

„Wenn wir gelassen akzeptieren, was wirklich ist und nichts verdrängen, dann kann das Wunder geschehen, von dem viele Märchen erzählen. Dann erleben wir plötzlich und ohne unser Zutun das Erlösende, das Befreiende, das Andere. Da wird aus dem Frosch ein Prinz und aus dem Aschenputtel eine Prinzessin. Da kommt der arme junge Mann über Nacht zu unermesslichem Reichtum. Da wird das unscheinbare Mädchen zu einer wunderschönen Königin. Der Kuss des Prinzen weckt Dornröschen aus ihrem Schlaf und schenkt ihr ein neues glückliches Leben.“ (S. 208)

„Spiritualität ist ein Weg in das eigene Innere. Wir können ihr auch in einem Ritual nachgehen, wenn wir uns einmal in aller Ruhe hinsetzen und in uns hineinhorchen. Was taucht da an Gedanken und Gefühlen auf? Sind es nur die Erinnerungen an das Frühere? Sind es Selbstvorwürfe? Sind es nicht erfüllte Wünsche? All diese Gedanken und Gefühle dürfen sein. Aber wir sollen versuchen, durch diese Gedanken und Gefühle hindurch auf den Grund unserer Seele zu gelangen. Dort kommen wir in Berührung mit dem ursprünglichen Bild, das Gott sich von uns gemacht hat. Wir werden dieses Bild nicht konkret sehen. Aber wir bekommen eine Ahnung davon, wer wir von unserem Ursprung her sind. Jeder ist einmalig und einzigartig. Auf dem Grund unserer Seele ahnen wir etwas von unserer Einmaligkeit und zugleich von Gott, der im Grund unserer Seele wohnt als das Geheimnis, das uns übersteigt.“ (S. 227)

„Spiritualität im Alter bedeutet, dass ich mit dem inneren Raum der Stille in Berührung bin, in dem Gott in mir wohnt. Diese Wohnung Gottes in mir wird im Tod nicht zerstört, sondern nur verwandelt in die ewige Wohnung, in der ich für immer in Gott daheim sein darf.“ (S. 230)

„Wenn wir uns bequem hinsetzen und in unseren Leib hineinhorchen, können wir fragen: Wo fühlt es sich in meinem Leib am besten an? Wo ist ein angenehmer Ort in meinem Leib, an dem ich mich wohlfühle? Ich kann diesen angenehmen Ort mit meinem sanften Atem betreten und in diesem inneren Raum ein wenig verweilen. Ich spüre mich selbst. Und in mir, meinem Leib, ist es angenehm. Ich bin daheim in mir, weil ich ahne, das in mir mehr ist als meine Lebensgeschichte. In mir wohnt ein Geheimnis, das mich übersteigt. Das ist letztlich Gott. Aber dort, wo Gott in mir wohnt, bin ich zugleich ganz ich selbst.“ (S. 231)

„Wenn ich an Gott glaube, dann werde ich auch an die Menschen glauben. Ich glaube, dass sie Kinder Gottes sind, dass in jedem Christus und in jedem ein guter Kern ist, zumindest die Sehnsucht, gut zu sein.“ (S. 238)

Zitate aus anderen Veröffentlichungen von Anselm Grün

„Es ist gut und sinnvoll, für die Verstorbenen zu beten. Aber soll einer nach 20 Jahren noch dafür beten, dass sein verstorbener Vater aus dem Fegefeuer in den Himmel kommen möge? Das Beten für die Verstorbenen hat natürlich immer Sinn. Aber es verwandelt sich. Zu Beginn ist das Beten Fürbitte, dass der Verstorbene sich für Gott entscheidet, dass er den Sprung in die Liebe Gottes schafft. Dann wird es zu einem Gebet, das mich mit dem Verstorbenen verbindet, zu einem Gebet, in dem mich der Verstorbene auf das eigentliche Ziel meines Lebens hinweist. Und es wird dann oft auch zu einem Gespräch mit dem Verstorbenen, und zu einer Bitte an ihn, mich zu begleiten und mich zu bewahren vor einem Verfehlen meines Lebens.“ [Aus „Wenn ich in Gott hineinhorche“ Matthias- Grünewald-Verlag Mainz 2. Auflage 1997 S. 42]

„Im Ausatmen können wir uns vorstellen, wie wir all die Gedanken, die immer wieder hochkommen, einfach abfließen lassen. Wenn wir das eine Zeitlang tun, werden wir innerlich ruhig. Dann können wir den Atem mit einem Wort verbinden. Wir können z. B. beim Einatmen still sagen „Siehe“ und beim Ausatmen „Ich bin bei dir“. Ich muss mich bei dieser Meditation gar nicht konzentrieren.“ [Aus „Herzensruhe“ S. 112]

„Wenn wir durch Wort und Atem immer tiefer in den eigenen Seelengrund gelangen, dann kann es sein, dass es für einen Augenblick ganz still ist in uns. Ich spüre dann: jetzt berühre ich das Eigentliche. Jetzt bin ich ganz da, ganz bei mir, ganz bei Gott.“ [Aus „Herzensruhe“ S. 114]

„Das Jesusgebet bringt mich immer und überall mit mir selbst in Berührung und lässt mich die Einheit mit Gott mitten in der Unruhe des Alltags erfahren. Wenn ich mit dem Einatmen die Worte spreche „Herr Jesus Christus“ und beim Ausatmen „Sohn Gottes, erbarme dich meiner“ dann bin ich dort, wo Christus ist. Dann erlebe ich, dass Christus hinabsteigt in alle Abgründe meiner Seele.“ [Aus „Herzensruhe“ S. 145-146]

Das falsche Evangelium des Anselm Grün

Anselm Grün vertritt ein anderes Evangelium als die Bibel. Bei ihm ist der Mensch kein verlorener Sünder. Er kann sich selbst erlösen, indem er in sein Inneres taucht und mit dem guten Kern, der in jedem Menschen vorhanden ist, eins wird. Deshalb zitiert er im Buch „Vom Glück des Älterwerdens“ laufend Carl Gustav Jung und alle möglichen Philosophen, Psychologen, Mystiker, Theologen, Dichter, Denker und Ideologen, aber er weist kaum auf das Wort Gottes hin. Das spielt bei Grün nur eine untergeordnete Rolle.

Anselm Grün glaubt an Tote als Lebensberater. Er wird statt vom Heiligen Geist von Totengeistern geleitet. Hier zeigt sich der Bezug Grüns zu Carl Gustav Jung. Dessen Tiefenpsychologie ist von spiritistischer Literatur und okkulten Erfahrungen geprägt. Das hat mit biblischer Wahrheit wenig zu tun.

Bei Grün wohnt Gott nicht mehr durch den Glauben in einem Menschen ( Eph. 3,17), das kann man auch durch Atemtechniken erreichen. Das lehren Yogis, Gurus und Schamanen. In der Bibel finden wir das nicht. Laut Grün findet man Christus nicht im Wort Gottes, sondern man begegnet ihm angeblich im eigenen Seelengrund. Mir ist es unverständlich, wie eine derart eindeutig falsche Lehre solche Zustimmung in vielen evangelikalen Kreisen finden kann. Die Mystik kann sich praktisch mit jeder Irrlehre oder falschen Religion verbinden. Jesus Christus betont, dass im Menschen nichts Gutes wohnt (Matth. 15, 18-20). Bei Grün dagegen findet man Gott im Seelengrund des Menschen als eine Art kosmische Kraft. In der Bibel steht der persönliche Gott als Richter und Retter gegenüber.

Schlussbemerkungen und Fazit

Grüns Botschaft, die vom guten göttlichen Kern des Menschen ausgeht, ist kein Evangelium, sondern humanistisches New-Age-Denken. Dahinter steht der Gedanke, dass der Mensch das „Göttliche“ in sich zu entfalten hat. Man kann es auch Selbstverwirklichung nennen.

Der Sündenfall des Menschen ist kein Thema für Grün. Bei ihm weiß man nicht, ob er für Christen oder Nicht-Christen schreibt. Mein Eindruck ist, dass es für ihn da keinen Unterschied gibt. Er fordert nicht auf, umzukehren und Buße zu tun. Wie man Christ wird, bleibt bei ihm nebulös und schwammig. Das Heilsgeschehen wird in psychologische Deutungsmuster uminterpretiert. Die Menschen werden in breiter Basis manipuliert und dem biblischen Befund entfremdet. Christliche Erlösungsvorstellungen sind für Grün aggressiv, pessimistisch und lebensverneinend. Stattdessen hat er eine breite Palette anzubieten, angefangen mit der Tradition der Mönche bis hin zur tiefenpsychologischen Schriftauslegung. Seine Schriften haben die Spiritualität der Wüstenväter und des heiligen Benedikt von Nursia zum Thema. Es kommt Anselm Grün vor allem auf die Vermittlung von Weisheit an. Man kann als Christ bei Grün durchaus Anregungen für die Lebensführung erhalten. Trotzdem ist Vorsicht und Unterscheidungsvermögen geboten.

In seinem Buch „Erlösung“ schreibt Grün:

„In manchen Köpfen schwirrt noch immer die Idee herum, dass Gott seinen Sohn sterben lässt, um unsere Sünden zu vergeben. Doch was ist das für ein Gott, der den Tod seines Sohnes nötig hat, um uns vergeben zu können?“

Und an anderer Stelle: „Jesus darf nicht als der große Retter verstanden werden.“ Damit greift Grün den Kern des biblischen Evangeliums an und alle Christen, die Jesus als Retter von ihren Sünden ansehen.

Ohne auf jedes Detail eingehen zu können, möchte ich folgendes Fazit ziehen: Grüns Werk enthält manche Anregungen, aber gleichzeitig ist es kritisch zu betrachten und mit Vorsicht zu genießen. Er legt das Gewicht auf Lebensweisheit, die von fernöstlichem Denken, von Zen-Buddhismus, der griechischen Philosophie und der Gnosis der Antike geprägt ist. Das christliche Denken ist ihm zu eng. Gott ist für ihn im göttlichen Kern des Menschen. Grün gibt sich christlich, ist es aber nicht. Er verbreitet antichristliches Denken und verkündigt einen anderen Christus.

Der Blumenstrauß, den unsere Gäste für meine Frau mitbrachten, erfreut uns noch immer. Bald wird er verwelkt sein. Das Buch von Anselm Grün habe ich gelesen. Was nun? Behalten möchte ich es nicht, aber weitergeben natürlich auch nicht. Vielleicht sollte ich den Rat eines Bekannten befolgen, der in Bezug auf ein anders Buch sagte: „Man sollte dieses Buch nicht achtlos beiseite legen, sondern mit Schwung in die Ecke feuern!“
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Ersterscheinung des Beitrages beim Bibelbund e.V. in „Biblisch Glauben, Denken, Leben“

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