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In Führung gehen. Aber mit welchen Werten?

Helmut Matthies, Leiter idea e.V. Foto: Thomas Schneider
Helmut Matthies, Leiter idea e.V. Foto: Thomas Schneider
Von Thomas Schneider

„Wenn Bosse beten, so könnte man einen Kongress in Leipzig überschreiben…“ Mit diesen Worten begann Uta Georgi am vergangenen Donnerstag die Anmoderation zu einem Beitrag im Sachsenspiegel des MDR-Fernsehens.

Allein die Tatsache, dass säkulare Medien überhaupt Notiz von einer „christlichen Veranstaltung“ nehmen, grenzt schon an ein Wunder. Denn immer wieder werden bekennende Christen entweder belächelt oder wegen ihres fundamentalen Glaubens gewaltbereiten Islamisten gleichgestellt.

Inzwischen ist er Geschichte: der 8. Kongress christlicher Führungskräfte. Mehr als 3.200 Besucher trafen sich vom 17. bis 19. Januar im Congress Center der Messestadt Leipzig unter dem Motto „Mit Werten in Führung gehen“.

Aber mit welchen Werten?

Joey Kelly, Musiker und Extremsportler. Foto: Thomas Schneider

Der Musiker und Extremsportler Joey Kelly versprach laut Programmheft: „Ich komme, um von meiner Eigenmotivation zu berichten, mir neue Ziele zu setzen und meine Erfahrungen weiterzugeben, wie ich diese erreichen kann“. – Er hielt Wort und präsentierte eine Selbstdarstellungsshow. Ein unglaublicher Wortschwall prasselte auf die Zuhörer nieder. Die Videoclips ließen wohl bis an die fünfzig Mal schrill und laut den Namen „Joey Kelly!“ durch die Lautsprecherboxen hämmern. Mehrfach lobte er seine Kontakte zur umstrittenen Jugendzeitschrift „BRAVO“. Kellys Credo: Wenn du nur an dich glaubst und dich anstrengst, kannst du jedes Ziel erreichen. – Ein Kongressteilnehmer sagte gegenüber AG WELT:

„Bis zum Auftritt dieses Mannes hat mich vieles vom Gesagten im Glauben gestärkt, nun aber scheint der Teufel zugeschlagen zu haben.“

Noor van Haaften, Publizistin. Foto: Thomas Schneider
M i t Gott leben

Bevor Kelly auf die Bühne trat, hielt die niederländische Publizistin Noor van Haaften eine bewegende Bibelarbeit – wie ich meine: passend für einen „christlichen Kongress“. Sie betonte, dass Christen nicht nur nach Gottes Werten leben sollten, sondern m i t dem Gott dieser Werte. Und auch Atheisten, die nach der Pfeife von Göttern wie Mammon, Eros oder Hedonismus tanzen, könnten Gott nicht einfach bei Seite schieben, so Haaften.

Irmhild Bärend, war Direktorin bei „Geschenke der Hoffnung“. Foto: Thomas Schneider
„Lebenslinien“ passten ins Konzept christlicher Führung

Das Abendprogramm „Lebenslinien“ bot im Angesicht der durch einen Unfall querschnittsgelähmten Irmhild Bärend die großartige Chance, eigene Nöte und gottloses Lamentieren zu vergessen. Eindrucksvoll schilderte die frühere Chefredakteurin der Zeitschrift „Entscheidung“ und Direktorin des Hilfswerks „Geschenke der Hoffnung“, wie ihr Gott hilft, Lebensfreude zu haben. Auch das Glaubenszeugnis des Personenschützers und Selbstverteidigungstrainers Michael Stahl oder die Initiative „Job Factory“ von Robert Roth, der arbeitslosen Jugendlichen eine Perspektive ermöglicht, passten ins Konzept christlicher Führung.

Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister Berlin-Neukölln. Foto: Thomas Schneider
„Kita-Pflicht für Kleinkinder ab einem Jahr“
Auch der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, war als Referent eingeladen. Er forderte eine „Kita-Pflicht für Kleinkinder ab einem Jahr“. Und das nicht genug. Das Kindergeld solle halbiert, das Betreuungsgeld gestrichen und stattdessen mehr Mittel in Kinderkrippen gesteckt werden. Seine zynische Kritik an der Kindererziehung durch Eltern gipfelte in den Worten: „Andere investieren in Krippen. Wir investieren hingegen in die Hoffnung, dass alle Eltern vom Kindergeld eine Geige kaufen“.

Felicia Taylor, bereicherte den Kongress mit Gospel. Foto: Thomas Schneider
Wenn ein Unternehmer auf die Knie geht

In beeindruckender Weise zeigte der evangelische Verleger Norman Rentrop den Kongressteilnehmern was Demut ist. Kniend warb er um das Verstehen, dass die Staatsfinanzkrise ein Abbild der Glaubenskrise sei. Gott habe den Menschen kein Leben ohne Krisen versprochen, aber ihnen zugesagt, bis ans Ende der Welt bei ihnen zu sein. „Finanzen sind nicht der Kern, der Kern ist der Glaube“, betonte Rentrop und fragte die Besucher: „Stellen wir Gott in die Mitte, oder folgen wir anderen Göttern?“

Dr. Peter Zimmerling, Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Foto: Thomas Schneider
Weg von der Amtskirche, hin zur Beteiligungskirche

Dr. Peter Zimmerling, seit 2005 Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig für Praktische Theologie, betonte in seinem Referat die Notwendigkeit des Eingestehens von Schuld und Versagen. Schuldigwerden gehöre zum Christsein, so der Theologieprofessor. In der Leugnung von Schuld erkenne man eine Krankheit. Die christliche Gemeinde sei der Beweis gegen den Unglauben. Nur müsse Offenheit wachsen, um die eigene Lieblosigkeit zu erkennen. Zimmerling sprach sich für einen ernsthaften Umgang mit dem „Priestertum aller Gläubigen“ in Kirchen und Gemeinden aus. Schon Martin Luther habe betont: „Was aus der Tauf gekrochen, ist Bischof und Papst“. Zimmerling forderte in seinem Plädoyer, den Weg von der Amtskirche zur Beteiligungskirche zu gehen: „Kirche, das sind wir!“

Msgr. Prof. Dr. Peter Schallenberg, Direktor KSZ. Foto: Thomas Schneider
Gott ist die Versöhnung über das eigene Unvermögen hinaus
Der Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, Msgr. Prof. Dr. Peter Schallenberg, beschäftigte sich mit der Frage „Wer ist Gott und was machen wir, wenn es ihn gibt?“ Er ließ keinen Zweifel daran, dass Gott dann nicht Gott ist, wenn er darauf gerichtet sei, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Was Menschen denken, sei zu sehr auf deren Wünsche ausgerichtet. So gebe es zwar in der Ewigkeit ein Wiedersehen aber kein Wiedererkennen. Gottes Wort lehre zwar, dass der an Jesus Glaubende die Ewigkeit Gottes schauen werde, aber nicht wie. Der Mensch werde sich in der Ewigkeit ganz auf Gott konzentrieren. So sollten sich Christen „nie zufrieden geben mit einem Leben in Raum und Zeit“. Gott sei „die Versöhnung über das eigene Unvermögen hinaus“, so Schallenberg.

Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister. Foto: Thomas Schneider
Bundesinnenminister für Wertmaßstäbe, die Jesus Christus gegeben hat

Ein klares Christusbekenntnis legte der deutsche Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ab. Christen sollten sich „aktiv zu den Wertmaßstäben der Bibel bekennen, die Jesus Christus gegeben hat“. Sie seien wertvoll für ein gelingendes Leben in der Gesellschaft. Ohne diese Werte sei „kein Staat zu machen“. Alle kollektivistischen Ideologien, wie Nationalsozialismus oder Kommunismus, „unterdrücken Menschen und berauben sie ihrer Individualität“, mahnte Friedrich. Er glaube, dass „Gott den Menschen in Würde geschaffen hat und ihn vor Ideologien und utopischen Heilsversprechen“ bewahren will. Zur Diskussion um den fehlenden Gottesbezug in der EU-Verfassung meinte Friedrich, dass die Kirchen signalisiert hätten, sie könnten mit dem Entwurf leben. Auf die Frage eines Besuchers, wie er mit politischen Anfeindungen und Widerstand leben könne, sagte Friedrich: „Ich weiß, dass es jemanden gibt, der einen Plan für mich hat und ein Rezept, das mir hilft.“ Tolerant sei der, der ein klares Wertefundament hat und andere in ihrer Meinung akzeptiert. Jedoch kämpfe er „für ein christliches Europa.“ Und der Kampf gegen Christenverfolgung sei ein Fundament seiner Politik.

Johannes Warth, Ermutiger und Überlebenstrainer. Foto: Thomas Schneider
Ein „Hofnarr“ gibt Glaubensstärkung mit auf den Weg

Einer der wohl besten Pferde im Kongress-Stall war der „Ermutiger und Überlebensberater“ Johannes Warth. Ganz nach der Tradition eines „Hofnarren“ bringt er mit einem Mix aus Wortwitz, Bildersprache und artistischen Aktionen Menschen zum Nachdenken über ihr Leben. Seine Beiträge waren niemals oberflächlich oder anstößig. Der gebürtige Oberschwabe hat 12 Grundsätze. Im letzten heißt es: „Gott hat keine ruhige Überfahrt versprochen, sondern ein sicheres Ankommen.“ Warth nimmt die Leute nicht aufs Korn um sie platt zu machen, sondern gibt ihnen Glaubensstärke mit auf den Weg.

„Jesus Christus ist also ein Super-Star…“

Die meisten Seminare und Fachplenen tangierten – sicher zielorientiert – Bereiche aus Wirtschaft und Finanzen. AG WELT hat einige Besucher befragt, wie sie den Kongress bewerten:

„Der Kongress war insgesamt recht vielfältig und gut. Was mir gefehlt hat, das ist die geistliche Tiefe. Diesbezüglich war mancher Vorgängerkongress besser.“

„Bei manchen Referenten habe ich mich gefragt, ob sie an Jesus glauben. Denn von ihm wurde nur am Rande oder überhaupt nicht gesprochen. Meiner Meinung nach sollte aber gerade der Bezug zu unserem Herrn Mittelpunkt eines christlichen Führungskräftekongresses sein.“

„Nun, ich staune was Christen alles steigen lassen. Jesus Christus ist also ein Super-Star, wenn ich das richtig kapiert habe. Ich bin nämlich kein Christ im kirchlichen Sinne. Mich hat ein guter Freund mitgeschleppt.“

„Manche Leute hier haben vor lauter Erfolgssucht ihren Schöpfer aus den Augen verloren. Da ist ja der Bundesinnenminister näher an Jesus dran.“

„So einen Kongress auf die Beine zu stellen, da gehören schon Mut und Kraft dazu. Schade, dass er inhaltlich liberaler geworden ist. Aber vielleicht war ich ja in den falschen Veranstaltungen. Das Plenum jedenfalls war – bis auf den Selbstdarsteller Kelly – sehr gut. Warth war Spitze.“

„Wenn ich eine Bewertung zwischen 1 und 5 abgeben müsste, läge die bei 2,5. Sehr gut waren: Rentrop, Matthies, Friedrich, Warth und Co und die Lebenszeugnisse. Weniger gut waren: Underberg, Rosskopf, Buschkowsky und Knoblauch.“

„Alles in allem bin ich zufrieden. Nur dass das Programm für Familienunternehmer noch mal extra was kostete, ist nicht nachvollziehbar. Der Mammon scheint immer tiefer zu greifen. Vielleicht sollte mehr Jesus-Botschaft in die Führungsetagen.“

Sarah Brendel, bereicherte mit Lobpreis das Kongressprogramm. Foto: Thomas Schneider
1 Trillion Internetseiten, die keine Werte vermitteln

Der Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, Helmut Matthies, sprach in seinem Kongress-Abschlussreferat von „einer Trillion Internetseiten, die keine Werte vermitteln.“ Die Wertefrage sei eine Gottesfrage. Auch viele Christen würden einfach unverheiratet zusammenleben, „schlafen aber in fair gehandelter Bettwäsche!“. Die Zehn Gebote bleiben als „Grundwertekatalog für alle Menschen“ bestehen, so Matthies. Doch Kirchliche Appelle zum Sonntags-Gebot „gehen in die Irre. Heiden kennen Gott nicht.“ Und es sei falsch, wenn immer wieder kirchliche Erklärungen abgegeben würden, um alle Religionen zusammenzuführen. „Muslime glauben an den Allah Mohammeds. Christen glauben an den Vater Jesu Christi.“, mahnte der Pfarrer und Journalist. Er wünsche sich, dass auch Linksorientierte am Marsch für das Leben teilnehmen und manche Christen linksorientierte Meinungen, wie etwa gerechte Entlohnung, ernst nehmen würden. Seit 1945 seien mehr als 10 Millionen Kinder abgetrieben worden. Deutschland habe die älteste Bevölkerung Europas und das zweitälteste Volk der Welt. Christen hätten zwar ewig gültige Werte, man könne sie aber niemanden aufzwingen.

Halle vor dem Plenum mit rund 250 Ausstellern. Foto: Thomas Schneider
Unternehmer fordern, am Wahrheitsgehalt der Bibel festzuhalten

Zwischen einzelnen Kongressteilnehmern gab es am Rande der Veranstaltungen immer wieder Gespräche zu Angebot und Nachfrage. Einer der Diskussionspunkte: der Umgang der Kirchen mit dem Thema Homosexualität. Ein Unternehmer einer Gesprächsgruppe meinte: „Es ist der falsche Weg einen Gottesdienst zu stören“, wie es Vertreter der Schaffranek-Sekte zum Eröffnungsgottesdienst getan hätten. Besser sei es, ein Netzwerk aus Unternehmern und Privatpersonen zu gründen: „Dem Landesbischof und seiner Kirchenleitung muss gesagt werden dass die Bibel nicht nur Gottes Wort enthält, sondern das vom Heiligen Geist inspirierte Wort Gottes ist.“ In Sachsen sei man dabei, so der Unternehmer, ein solches Netzwerk auf die Beine zu stellen.

Der nächste Kongress christlicher Führungskräfte 2015 in Hamburg
Der nächste Führungskräftekongress: 2015 in Hamburg

Der nächste Kongress christlicher Führungskräfte findet vom 26. bis 28. Februar 2015 in Hamburg statt. Für Einzelteilnehmer kostet dann die Teilnahme (ohne Übernachtung) 298 Euro und für Ehepaare 268 Euro pro Person. In Hamburg öffnet dafür das dortige Congress Center seine Pforten.

Die umstrittenen Wittenberger Lutherfiguren zum Kongress. Foto: Thomas Schneider

Bleibt zu wünschen, dass die Veranstalter in Vorbereitung auf den neuen Kongress für mehr bibeltreue Referenten beten, erfolgssüchtige Gutmenschen nicht einladen und dem pluralistischen Zeitgeist den Zutritt verweigern.

Derartige Großveranstaltungen in Freiheit durchführen zu dürfen, ist ein großartiges Geschenk. Anderswo in der Welt werden Menschen umgebracht, wenn sie eine Bibel zu Hause haben. Um die Bibel als das irrtumslose Wort Gottes darf sich auch ein Kongress christlicher Führungskräfte drehen, nach dem Motto: Mehr Jesus, weniger Kult und Mammon. Johannes Warth würde vielleicht noch mit auf den Weg geben: „Dann brauchd s au nedd d Lutherbubben“

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