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…wir haben aber gerne mitgemacht

Diktatur. Foto: Lisa Spreckelmeyer/ pixelio.de

Von Michael Kotsch

„Sie haben uns verführt zu ihren Zwecken, wir haben aber gerne mitgemacht“, schreibt der Schriftsteller Erich Loest über seine Jugend im Nationalsozialismus.

Heute erscheint Hitler vielen nur noch als seltsame Figur, geradezu als Karikatur eines Diktators. Im Vergleich zu manchen Spielfilm-Bösewichtern wirkt er harmlos, aus einer längst vergangenen Zeit. Man versteht nicht mehr wie sich Millionen von Menschen von diesem Menschen haben faszinieren lassen können, wie sie ihn geradezu als Erlöser feierten.

Journalisten und Historiker fördern Unverständnis

Dieses Unverständnis wird wahrscheinlich noch unwillentlich durch die Charakterisierungen von Journalisten und Historikern gefördert, die Hitler als „arm und armselig“ (Guido Knopp), als ein „Niemand aus Wien“ (Joseph P.Stern) oder als „eine Spottgeburt aus Dreck, aus unsäglicher Verklemmtheit, tiefstem Provinzialismus“ (Hans-Ulrich Wehler) bezeichnen.

Vielleicht verfälscht die begründete Abscheu über den deutschen Diktator den objektiven Blick und vielleicht verbauen gerade diese empörten Umschreibungen die Möglichkeit auch längerfristig Lehren aus dem Nationalsozialismus zu ziehen. Wem Hitler dermaßen absurd und lächerlich dargestellt wird, der hält es für vollkommen ausgeschlossen heute auf eine ähnliche Person hereinzufallen. Je weniger man sich in die scheinbar „dummen Vorfahren“ hineinversetzen kann, und versteht, warum sie Hitler zugejubelt haben, desto weniger ist man heute geschützt vor neuen Verführern und Ideologen, deren Inhalte natürlich anders lauten werden. Und das betrifft Intellektuelle und einfache Gemüter gleichermaßen.

Hitler verstand die Sehnsucht der Menschen anzusprechen

Schon 1921 verstand Hitler es die Massen beispielsweise im Circus Krone in München zu begeistern. Politiker, Wissenschaftler und Künstler sahen in ihm den starken Mann, der Deutschland aus einer Phase von Unsicherheit und Depression herausführen könnte. Irgendwie verstand es Hitler die Sehnsucht der Menschen anzusprechen und alle ideologischen Ideale seiner Zeit miteinander zu verbinden, den Nationalismus und den Sozialismus, den Individualismus und den Kollektivismus, den Konservativismus und die Progressivität. Geschickt nutzte er die Möglichkeiten der modernen Massenmedien, deren Vertreter ihn größtenteils begeistert feierten.

Hitler gab Menschen den Eindruck von Bedeutung zu sein, gebraucht zu werden und einen historischen Auftrag zu erfüllen. Er behauptete, die Welt vor einer globalen Bedrohung zu retten. Dieser „Kampf“ diente dann zur akzeptierten Einschränkung von Meinungs-und Glaubensfreiheit. Die Menschen identifizierten sich mit Hitler und das nicht nur in Deutschland. Wäre er 1938 einem Unfall oder einem Anschlag zum Opfer gefallen, würde er von vielen Deutschen wahrscheinlich bis heute als einer der wichtigsten Staatsmänner des 20.Jahrhunderts angesehen. Bis in die Gegenwart fasziniert Hitler auch junge Menschen, insbesondere aus der rechtsradikalen Szene. Als kollektives Tabu bestimmt er bis heute die Diskussionen um Armee, Euthanasie oder Gentechnologie.

Hitler-Verschnitte versprechen die „Rettung der Welt“

Da sich Menschen nicht grundsätzlich verändert haben, besteht jederzeit die erneute Gefahr, dass sich skrupellose Agitatoren inszenieren, versuchen die Meinung der Massen zu manipulieren und Andersdenkende zu unterdrücken. Sehr wahrscheinlich werden diese zukünftigen Hitler-Verschnitte nicht mehr mit denselben, zwischenzeitlich antiquierten Parolen kommen, sondern mit anderen Ideen die „Rettung der Welt“ versprechen oder die „Abschaffung bestehender Ordnung“ oder eine „vollkommen neue Zeit“ oder den notwendigen „Kampf gegen das Böse“.

Wer die Maßstäbe der Bibel nicht kennt…

Immer wenn die öffentliche Meinung zu uniform wird, wenn bestimmte Überzeugungen verbannt oder lächerlich gemacht werden, wenn Werte nur noch von Massenmedien bestimmt sind, dann besteht die Gefahr von Totalitarismus und Meinungsdiktatur. Wenn dann noch der äußere Druck einer wirtschaftlichen oder politischen Krise dazukommt, sind wahrscheinlich auch heute viele Menschen bereit einem neuen „starken Mann“ oder einer „starken Frau“ zuzujubeln und ihr begeistert zur Macht zu verhelfen.

Wer selbst zu denken verlernt hat und keine zeitlosen Maßstäbe wie die der Bibel kennt, steht in erhöhter Gefahr, erneut einem falschen Messias auf den Leim zu gehen. Menschen sind stärker verführbar, wenn sie Gott verdrängen und sich – oder ihr momentanes Empfinden – für das Maß aller Dinge halten.

Michael Kotsch ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen e.V., Lehrer für Kirchengeschichte, Konfessions- und Sektenkunde, Religionswissenschaft und Apologetik an der Bibelschule Brake, Vorsitzender im Bibelbund e.V., verheiratet und Vater von drei Kindern.

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