(AG WELT) Ist Gandhi in der Hölle? Mit dieser Frage eröffnet der amerikanische Pastor und Buchautor Rob Bell sein Buch „Das letzte Wort hat die Liebe“. Provokativ und herausfordernd, wie im gesamten Buch entfaltet Rob Bell Fragestellungen und Gedanken zum Themenkomplex Himmel, Hölle und Erlösung.
Im klassischen Verständnis des Christentums ist der Himmel der Ort, wo Gott wohnt und wohin er die Gläubigen nach dem Tod, am Jüngsten Tag, holen wird. Die Hölle hingegen ist der Ort, an dem der Teufel, die Dämonen, und alle Menschen die Gott abgelehnt haben, ewig gerichtet werden.
Nicht so bei Rob Bell. Für ihn sind Himmel und Hölle keine jenseitigen Begriffe. Vielmehr finden Himmel und Hölle auf der Erde statt. Dies sowohl im Jetzt als auch in der Zukunft.
Sein Verständnis von Himmel, Hölle und Erlösung illustriert Bell am Gleichnis vom verlorenen Sohn. Nachdem der jüngere Sohn das Vermögen seines Vaters verschleudert hat, kommt er zurück und glaubt, nicht mehr Sohn sein zu können. Für Bell ist das die Hölle. An dem Punkt, wo der Sohn das Denken des Vaters über ihn annimmt, verwandelt sich sein Leben in den Himmel. Der ältere Sohn hingegen schmollt und will nicht an dem Fest des Vaters teilnehmen. Ihm steht alles zur Verfügung, aber nimmt es nicht wahr. Die Hölle.
Für Rob Bell sind also Himmel und Hölle keine Orte, sondern eher eine Art Zustandsbeschreibung des Menschen. Nach dem Tod kommt der Mensch nach Bellschen Überlegungen ins Totenreich; nach dem Jüngsten Gericht werden alle Menschen auferstehen und im Reich Gottes leben. Sünder hingegen werden den Frieden solange nicht als Himmel genießen können, wie sie Gottes Denken über sich selbst nicht angenommen haben. Jeder Mensch habe, so Bell, aber auch dann noch die Möglichkeit Jesus als Retter anzunehmen.
Bei dieser Interpretation übersieht Bell völlig den Aspekt der Sühne, der in Jesu Heilshandeln eine zentrale Rolle spielt. Gott schickt Menschen eben nicht aus sadistischen Motiven in die Hölle, wie er es karikierend darstellt. Vielmehr ist die Gute Nachricht, dass Gott selbst alles Nötige getan hat, um die Schuld der Menschen und das bereits gefällte Urteil zu beseitigen.
Gottes Souveränität zeigt sich eben nicht darin, dass er alle Menschen in sein Reich bittet, sondern darin, dass er in Christus Gnade anbietet und entscheidet, wen er rettet und wen nicht. Rob Bell sieht diese freie Gnade als Willkür an.
An einigen Stellen versteigt sich Rob Bell in Aussagen über Menschen, die an jenseitige Himmel und Hölle glauben. So behauptet er zum Beispiel, dass diese Menschen weniger Gutes tun.
Rob Bell schreibt sein Buch auf provokante und herausfordernde Art. Er stellt eine Unmenge an Fragen, ohne sie letztlich befriedigend zu beantworten. Manchmal gehen die Gedankengänge des Autors auch etwas wirr durcheinander. Bell will altbekannte Thesen der Allversöhnung und esoterische Jenseitsvorstellungen bei evangelischen Christen hoffähig machen.
Buchrezension AG WELT