PDF: Dan Brown und die Freimaurer
Länger als erwartet mussten Dan Browns Leser auf die Fortsetzung seines Bestsellers „Sakrileg“ (2004) warten. Mit großem Werbeaufwand wurde jetzt „Das verlorene Symbol“ vorgestellt. Wieder einmal ist Robert Langdon unterwegs, Harvard-Professor und Experte für die Entschlüsselung und Deutung mysteriöser Symbole.
Ging es in „Sakrileg“ um eine gigantische Verschwörung des Vatikan, mit dem Ziel, die Ehe Jesu mit Maria Magdalena geheim zu halten, erweist Brown in seinem neuen 765-Seiten-Schmöker einer weiteren Verschwörungstheorie seine Reverenz: die der allgegenwärtigen Frei-maurer. Die äußere Form der Handlung kennen Brown-Leser schon aus seinen früheren Büchern: Ein genialer Mann (Langdon) stößt auf ein Geheimnis, das vertuscht werden soll.
Zusammen mit einer schönen Frau (Katherine Solomon) und unter großem Zeitdruck (nur 24 Stunden) muss ein katastrophales Unheil abgewendet werden. Der Weg zur Lösung des Problems verläuft über zahllose Actionszenen, Rätselaufgaben und Geheimorganisationen. Natürlich besiegt Langdon am Ende seinen mächtigen und teuflischen Gegner (Mal’akh).
In einfachen Zügen lässt sich die Handlung in Browns neuem Roman so zusammenfassen: Der zu einem Vortrag über die Freimaurer nach Washington gereiste Langdon erhält einen Anruf. Es ist ein schrecklich tätowierter Mann, der sich Mal’akh, „Engel“, nennt. Er hat den verstümmelten Solomon, ebenfalls ein Freimaurer, in seiner Gewalt. Und er will, dass Langdon ihm beim Entschlüsseln des letzten großen Geheimnisses der Freimaurer hilft. Zwölf Stunden bleiben Browns Helden, um eine Katastrophe zu verhindern, „von der sich das Land nicht mehr erholen wird“ – zwölf Stunden, in denen er durch Washington zieht, um eine Pyramide zu finden, die Aufschluss über alles gibt.
Fortan jagt der Professor über die berühmten Schauplätze der Hauptstadt, doch die wahren Geheimnisse sind in dunklen Kammern, Tempeln und Tunneln verborgen. Verfolgt wird er dabei nicht nur vom mörderischen Mal’akh, sondern auch von der CIA-Agentin Sato, von der zunächst unklar bleibt, auf welcher Seite sie eigentlich steht.
Losgelöst von dem literarischen Mangel eines reichlich künstlichen Endes werden Christen durch Dan Browns Roman insbesondere hinsichtlich zweier Aspekte herausgefordert:
1. Wieder einmal greift der Autor die Bibel als die Grundlage christlichen Glaubens an. Diesmal führt er recht esoterische Deutungen für neutestamentliche Gleichnisse an und versucht, christliche Überzeugungen und Symbole auf antike Mysterienkulte und ägyptische Glaubensvorstellungen zurückzuführen. Ähnliche Ideen gab es seit der sogenannten Religionsgeschichtlichen Schule (Ende des 19. Jahrhunderts) immer wieder. Bis auf rein äußerliche Ähnlichkeiten besteht allerdings kaum ein wirklicher Bezug zwischen biblischen Glaubensvorstellungen und Mysterienkulten.
2. Freimaurer werden bei Brown zuweilen zwar etwas skurril, ansonsten aber durchaus sympathisch und als äußerst einflussreich dargestellt. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem humanistisch-esoterischen Gedankengut sucht der Leser vergeblich.
Sicher ist es richtig, dass Gründerväter der USA wie George Washington und Benjamin Franklin Freimaurer waren. Auch in der Folgezeit bis in die Gegenwart spielte die Freimaurerei unter Künstlern, Wissenschaftlern und Politikern in Westeuropa und Nordamerika eine durchaus bedeutsame Rolle.
Im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Freimaurer eine der wenigen Gruppen, in denen neue, demokratische oder auch kirchenkritische und pluralistische Thesen frei geäußert werden durften. Mit den Jahren entwickelten sich die Freimaurer jedoch eher zu einem Treffpunkt etablierter Machtmenschen, die unbeachtet von der Öffentlichkeit ihren internationalen Geschäften nachgehen wollten und nepotistische Logen – Freunde in Politik und Wirtschaft – etablierten (bis hin zur italienischen Loge P 2 mit ihrer Verbindung zum Vatikan und zur Mafia).
Abgesehen von diesen geheimbündlerischen Aktivitäten kritisieren Christen zu Recht die magisch-esoterischen Rituale der Freimaurer, ihr deistisches, unpersönliches Gottesbild, die Bestrebungen einer Welteinheitsreligion und den totalitären Anspruch der Frei-maurerei auf ihre Mitglieder (Zugehörigkeit und Verpflichtung bis in den Tod). Vor Ort und auf den niedrigeren Einweihungsgraden dominieren bei den Freimaurern Gemeinschaft, soziale und humanistische Aktivitäten. Die höheren Grade jedoch widmen sich auch problematischen esoterischen Riten und setzen sich für religiöse Vorstellungen ein, die im Gegensatz zu christlichen Glaubensvorstellungen stehen. Nicht umsonst erklärt die katholische Kirche bis heute die Unverein-barkeit von christlichem Glauben und Freimaurerei. Von den weltweit etwa 6 Millionen Freimaurern besuchen 20.000 rund 400 deutsche Logen.
Literatur:
– Dan Brown: Das verlorene Symbol (The Lost Symbol), Lübbe, Bergisch Gladbach 2009
– Martin Hohl: Freimaurerei – Wurzeln, Ziele, Hintergründe, Lichtzeichen Verlag, Lage 2006
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Autor: Michael Kotsch
(Quelle: Zeitjournal Nr. 4 / Dezember 2009) © AG Welt e.V.