Auszug aus dem Titel „Was ist Positives Denken?“ (PDF-Version)
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1. Aktuelle Situation
„Ich denke positiv“ – immer häufiger hört und liest man diesen Satz. Was hat es mit der Bewegung des „Positiven Denkens“, des „Neuen Denkens“, der „Neugedankenlehre“ u.ä. auf sich? Als erste Antwort sei ein Auszug aus der Einladung zum ersten europäischen Kongress des „Neuen Denkens“ wiedergegeben: „Dieser erste europäische Kongress des ‘Neuen Denkens’ hat sich zur Aufgabe gemacht, alle die Menschen zu vereinigen, die die geistigen Werte der östlichen Religionen mit christlichem Denken und tatchristlicher Lebenspraxis vereinigen möchten. Die Bewegung des ‘Neuen Denkens’ betont ganz gezielt die Selbstverantwortung und Eigengesetzlichkeit, die Selbstbesinnung und Selbstverwirklichung des menschlichen Individuums im Einklang mit der Schöpfung, ihrem Schöpfer, also Gott, und der Bibel sowie anderer Heiliger Schriften. Das Entscheidende der Lehre des ‘Neuen Denkens’ ist jedoch, dass nicht die ‘Sündhaftigkeit’ des Menschen, sondern seine ´Gotteskindschaft‘ hervorgehoben wird, wobei alle Menschen als Kinder Gottes betrachtet werden, ohne Ausnahme von anderer Religionszugehörigkeit, politischer Ansicht oder Rasse.“
Diese Bewegung – das wird aus diesen wenigen Sätzen schon deutlich – kennt somit weder Sünde noch Erlösung durch Kreuz und Auferstehung Jesu. Sie ist ein Paradebeispiel für den Versuch des Menschen, Heil aus sich selbst zu schaffen. Sie ist eine Selbsterlösungsreligion. Der einflussreichste Autor dieser Bewegung – neben Vertretern wie Norman Vincent Peale, Napoleon Hill, Robert Schuller und anderen – ist Joseph Murphy. Deshalb werden wir uns bei der nachfolgenden Darstellung und Beurteilung auf ihn konzentrieren.
2. Joseph Murphy – Leben und Lehre
„In den Seiten dieses Buches werden Sie die machtvollsten und unfehlbar aufbauenden, umwälzenden Erkenntnisse finden, und Sie werden wissenschaftlich erwiesene und in der Praxis erprobte Techniken kennen lernen, durch die Sie sich die unendlichen Kräfte Ihres Unterbewusstseins zunutze machen können. Mit Hilfe dieser Methode eröffnen sich Ihnen neue Bereiche des Geistes, und der bewusste Einsatz dieser Kräfte wird Ihnen all den Reichtum und den Überfluß bringen, den Sie sich schon immer erwünschten.“
„Wenn Sie in diesem Buch zu lesen beginnen, machen Sie einen entscheidenden Schritt, um Ihr Leben zu ändern. Wenn Sie dieses ´Schlüsselbuch des positiven Denkens‘ zu Ende gelesen haben, werden Sie einen Schlüssel in der Hand haben, der Ihnen das Tor zu einem neuen, von Frieden und Freude erfüllten Leben in materiellem und geistigem Überfluss öffnet.“
So oder ähnlich liest man es auf den Umschlagseiten Murphyscher Bücher. Nach diesen vielversprechenden Ankündigungen wird auf dieselbe Art der Autor vorgestellt:
„Joseph Murphy, Dr. theol., jur., rer.nat., verstorben im Dezember 1981, vermittelte seit mehr als einem Vierteljahrhundert durch persönliche Beratungen und in öffentlichen Vorträgen unzähligen Menschen in aller Welt das Vertrauen in die Kraft des menschlichen Geistes. Er ist Verfasser von 25 Büchern, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden und Auflagenziffern von weit über einer Million
erreichten. Sein Studium der großen Weltreligionen hat ihn davon überzeugt, dass allem Leben eine universelle Kraft innewohnt.“
Viel mehr erfahren wir über den Autor nicht. Denn Murphy wird in der Wissenschaft nicht ernst genommen. Sein Name steht in keinem wissenschaftlichen Lexikon, und aus seinen Werken wird in der seriösen psychologischen Literatur nicht zitiert. So gibt es meines Wissens bisher auch keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihm. Dennoch muss diese Auseinandersetzung geführt werden – aus zwei Gründen:
a) Murphy ist Eklektiker. Er greift Elemente aus verschiedenartigen, aber miteinander verwandten Geistesströmungen auf. Diese Geisteströmungen ihrerseits sind ernst zu nehmen und einer Kritik zu unterziehen. Dies soll im Rahmen der Auseinandersetzung mit Murphy geschehen. Die wichtigsten Geistesströmungen, die bei Murphy zusammentreffen, sind Mystik, Pantheismus, Synkretismus, Okkultismus, Hedonismus, optimistischer Humanismus, Christian Science und Psychologie C. G. Jungs. Was bei Murphy besonders auffällt und was zu einer Kritik von der Bibel her berechtigt, ist, dass er viele seiner Aussagen mit Bibelzitaten zu stützen versucht.
b) Murphy ist ungeheuer einflussreich. Er verspricht den Leuten fast alles und hat dadurch enorme Verkaufszahlen. Seine Leser sind zu warnen – und dies soll hier geschehen. Zunächst wird seine Lehre im Zusammenhang dargestellt. Daraufhin werden in weiteren Kapiteln die Hauptquellen seines Denkens einer Beurteilung aus biblischer Sicht unterzogen.
„Es gibt eine universelle geistige Kraft. Nichts auf der Welt ist mächtiger als sie. Was immer Sie sich wünschen, diese Kraft vermag Ihren Wunsch zu erfüllen. Und diese Kraft ist geistiger Natur und in Ihnen. Es ist Ihr Geist, der Teil des universellen Geistes und eins mit ihm ist.“ – Das ist der Kern von Murphys Lehre. Murphy setzt beim Menschen und seinem Glücksstreben an. „Tun Sie, wonach Ihr Herz Sie drängt, und tun Sie es aus reinem Vergnügen an der Sache.“ Alles – Gott, Glaube, Gebet, positives Denken usw. – wird diesem Glücksstreben untergeordnet und ist nichts weiter als Schlüssel zur Erfüllung möglichst vieler Wünsche.
Gott ist nach Murphy die „unendliche Heilkraft, die göttliche Vorsehung oder einfach die Natur, das Leben, das Lebensprinzip“. „Psychologisch gesehen wird Gott für Sie das, als was Sie ihn betrachten … Ob Sie ihn die Heilige Dreifaltigkeit oder Schöpfer nennen, ob Allah, Brahma oder Wischnu, Überseele oder Vorsehung unendliche Weisheit oder Allgegenwart, Erschaffer des Universums oder göttlicher Geist, höchstes Wesen, Lebensprinzip, lebendiger Geist oder schöpferische Allmacht – es tut nichts zur Sache.“ Der Mensch ist es somit, der sich kraft seiner Vorstellung seinen Gott erschafft. Und tatsächlich setzt Murphy Gott mit dem menschlichen Unterbewusstsein gleich: „Das Wort ´Herr‘ ist auszulegen als die Allmacht bzw. die unendlichen Kräfte Ihres Unterbewusstseins.“ „Ihr Geist ist Gottes Geist, Ihre Seele ist Gottes Seele, und das Lebensprinzip (Gott) wirkt in Ihnen.“
Glaube ist demzufolge ein „Gedanke“ oder „Geistesinhalt“. „Glauben bedeutet, etwas als wahr zu akzeptieren.“ „Nicht der Inhalt oder Gegenstand seines Glaubens ist es, der die Gebete eines Menschen wirksam gestaltet. Die Erhörung tritt vielmehr dann ein, wenn das Unterbewusstsein des Betreffenden auf seine Gedanken oder Vorstellungen reagiert. Dieses Gesetz des Glaubens entfaltet seine Wirkungen in allen Religionen der Welt und verleiht ihnen ihren psychologischen Wahrheitsgehalt.“ „Es gilt … sich … voll gläubigen Vertrauens auf die unbegrenzte Macht des Unterbewusstseins zu verlassen.“ Murphy lehrt den Glauben an sich selbst, an die im Unterbewusstsein schlummernden Kräfte. Von einem Glauben an Gott kann er nur insoweit sprechen, als er Gott und Unterbewusstsein identisch sieht. Zwischen Glauben und Denken besteht für ihn kein Unterschied. Deshalb braucht der Mensch nicht an eine außerhalb von ihm existierende Macht zu glauben, sondern kann durch Programmierung seines Glaubens bzw. Denkens sein Leben verändern: „Was Sie glauben, werden Sie.“ „Denken Sie Gutes, ist Gutes die Folge; denken Sie Schlechtes, ist Schlechtes die Folge.“ Das ist der Kernsatz der Lehre vom „Positiven Denken“.
Gebet nach Murphy ist Autosuggestion und Mittel zur Selbstverwirklichung. „Christen, Buddhisten, Mohammedaner und orthodoxe Juden werden in gleicher Weise erhört … einzig und allein deshalb, weil sie geistig und seelisch von der Überzeugung durchdrungen sind, ihre Gebete würden erhört werden … Im Grunde genommen ist ja die Erhörung eines Gebets nichts anderes als die Verwirklichung bestimmter Herzenswünsche.“ „Unter einem ‘wissenschaftlichen Gebet’ verstehen wir das harmonische Zusam- […]