PDF: Widersprüche in der Bibel?
In Gesprächen werden Christen immer wieder mit der Ansicht konfrontiert, die Bibel sei altmodisch und widersprüchlich. Zumeist beruht diese Meinung aber lediglich auf wenig begründeten Vorurteilen und leichtfertig übernommenen Aussagen bibelkritischer Medien.
1. Pauschalvorwürfe
1.1. Die Bibel ist voller Widersprüche!
Ein solch allgemeiner Vorwurf soll zumeist eine vollkommene Unkenntnis der Bibel verschleiern. Am besten sollte der Gesprächspartner aufgefordert werden, konkrete Widersprüche zu benennen. Die können dann meist ohne große Probleme plausibel erklärt werden.
1.2. Die Angaben der Bibel sind frei erfunden!
Wer solch eine Aussage macht muss sich auch fragen lassen, was denn genau erfunden sein soll und warum? Denn das Leben von Herrschern wie Nebukadnezar, Kyrus oder Augustus lassen sich sicher genauso wenig ernsthaft in Frage stellen wie die Existenz von den in der Bibel genannten Ländern, Städten und Gebirgen. Zumeist verbirgt sich hinter dem Erfindungsvorwurf ein vager Zweifel an der Historizität von Abraham, Mose oder Jesus. Zuerst müsste geklärt werden aufgrund welcher historischen Angaben denn die Existenz dieser Personen bezweifelt wird. Dann müsste erklärt werden, wie sie eine solch große Nachwirkung entfalten konnten? Warum sich Menschen sich für die Wahrheit der Aussagen dieser Personen töten ließen, warum keine ihrer zeitgenössischen Gegner ihre Existenz in Frage stellte und warum beispielsweise im Fall Jesu selbst heidnische (Sueton, Tacitus) und jüdische (Josephus) Historiker selbstverständlich von dessen Existenz ausgehen? Auch die zufriedenstellende Erklärung zeitgenössischer Aussagen der Anhänger Jesu dürften schwer zu erklären lassen, zumal sie keinerlei Vorteil von ihren Gaben zu erhoffen hatten.
1.3. Die Bibel ist längst überholt!
Würde jede Wahrheit über ein festgelegtes Haltbarkeitsdatum verfügen, müssten sich auch manche Aussagen der Bibel abgeschrieben werden. Der mehrere Tausend Jahre alte Satz des Thales allerdings gilt heute noch genauso wie zur Zeit seiner Abfassung. Wo die Bibel Motive, Antriebe und Psychologie des Menschen beschreibt, lesen sich ihre Aussagen noch immer hoch aktuell. Trotz Auto und Handy haben sich die Menschen in den vergangenen zweitausend Jahren nur wenig verändert. Wenn sich Gott tatsächlich durch die Bibel mitteilen wollte, so sind die Aussagen zu seinem Verhältnis zu den Menschen sicher genauso wenig überholt wie die historischen und psychologischen Anmerkungen der Bibel.
1.4. Die Bibel widerspricht der Wissenschaft!
Nachgefragt werden müsste zuerst gegen welche Wissenschaft sich die Bibel denn im Einzelnen stellt. Wenn dem so sein sollte, müsste noch geklärt werden warum die Wissenschaft und nicht die Bibel in der betreffenden Streitfrage recht bekommen sollte. Zu schnell wird dabei dem momentanen Stand der Forschung vorschnell absolute Gültigkeit eingeräumt, obwohl Wissenschaftler selbst immer wieder auf die Begrenzungen ihres Wissens hingewiesen haben (vgl. Kritischer Rationalismus). Darüber hinaus ist die Wissenschaftsgeschichte voll von gesicherten Erkenntnissen, die sich später als absolut falsch herausgestellt haben (z. B. Die Behauptung eines Äthers der alle Stoffe durchdringt, Anfang des 20. Jahrhunderts).
Zumeist wird der vermeintliche Widerspruch zur Wissenschaft jedoch nur auf die Naturwissenschaft insbesondere die Evolutionstheorie bezogen. Dabei sollte beachtet werden, dass keine Aussage der Bibel den von Biologen dargelegten Fakten widersprechen. Weder Fossilien, noch Gesteinsschichten oder genetische Veränderungen sind strittig. Uneinigkeit herrscht in folgenden Fragen: Wie kam es zur Entstehung der ersten Zelle? Welche Frage spielt Gott bei der Entstehung des Lebens? Und: Können Mutationen prinzipiell neue Organe entstehen lassen? Diese Fragen sind bei Fachleuten bis heute allerdings höchst umstritten und keineswegs befriedigend beantwortet, da es sich hier durchweg um Theorien und Prognosen nicht aber um eindeutige wissenschaftliche Ergebnisse handelt.
1.5. Die Bibel kümmert sich nur um Glaubensfragen, mich interessiert nur was ich wissen kann!
Viele Aussagen der Bibel beziehen sich auf ‘wissenschaftliche’ Aussagen. Dazu gehören geschichtliche Angaben über Namen von Herrschern, Verläufe von Schlachten usw. ebenso wie geographische und biologische Beschreibungen wie Städtenamen, Flussläufe oder Angaben über die Vegetation oder psychologische Feststellungen über das Verhältnis zwischen Mann und Frau oder Geldgier und Machtstreben. Diese Aussagen lassen sich auch mit einer populären Auffassung wissenschaftlichen Wissens betrachten.
Wer allerdings zu stark zwischen scheinbar sicherem Wissen der Wissenschaft und vorgeblich unsicherem Glauben der Bibel unterscheiden will, sollte sich schnellstens mit neueren Forschungen der Erkenntnistheorie und Quantenphysik beschäftigen. Nach dem Studium von Heisenbergs Unschärfe-relation, Gödels Unvollständigkeitstheorem und Poppers Kritischem Rationalismus wird er bald gemerkt haben, dass das wissenschaftliche Wissen bei Weitem nicht so sicher und endgültig ist wie landläufig angenommen. Wer hingegen bereit ist sich auf die Axiome und Paradigmen der Bibel einzulassen, wird erkennen, dass die Aussagen der Bibel keinesfalls bloße Vermutungen enthalten.
1.6. Die Bibel ist im Laufe der Jahrtausende verfälscht worden!
Natürlich gab es auch bei der Überlieferung der Bibel Abschreibfehler und manchmal auch bewusste, theologisch begründete Veränderungsversuche. Die historische Forschung der letzten Jahrhunderte förderte Tausende von Abschriften einzelner Bibelteile aus mehr als 2000 Jahren zutage. Das damit zur bestbelegten Schrift der Antike aufgestiegene Buch erwies sich dadurch allerdings nur als äußerst genau überliefert. Die allermeisten Abweichungen beziehen sich auf Satzzeichen, dem Gebrauch von Synonymen (z.B. ‘laufen’ statt ‘rennen’) und anderen Veränderungen, die den Inhalt unberührt lassen. Trotz intensivster Forschung ist bisher kein Fall bekannt geworden, wonach wesentliche Aussagen der Bibel durch deren Überlieferung verändert wurden, obwohl nicht nur Christen, sondern auch Vertreter anderer Religionen und Atheisten mit großem Interesse nach solchen Überlieferungsfehlern gesucht haben.
Die Bibel ist nur ein Buch neben zahlreichen anderen religiösen Schriften! Dieser Vorwurf spricht nicht unbedingt gegen die Bibel. In zahlreichen Aussagen stimmen die großen ‘Heiligen Schriften’ der verschiedenen Religionen nämlich überein. Unzweifelhaft sind demnach grundlegende Aussagen wie die Existenz Gottes, das Weiterleben nach dem Tod, ein Gericht über den Menschen nach seinen Taten, die Entstehung der Welt durch Gott aber auch interessante Einzelheiten wie die Historizität einer weltweiten Flut. Auch in den meisten ethischen Forderungen stimmen die reli-giösen Überlieferungen der Völker weitgehend überein.
Allerdings gibt es auch Unterschiede, beispielsweise in der Vorstellung von Gott, dem Urproblem der Menschen oder seiner Möglichkeit wieder zu Gott kommen zu können. Sich widersprechende Aussagen sollten allerdings nicht dazu verführen vorschnell alle der angebotenen Er-klärungen abzulehnen. Wie in den Natur-wissenschaften sollten stattdessen alle Lösungsansätze miteinander verglichen und überprüft werden. Die historische, logische und naturwissenschaftliche Stimmigkeit biblischer Angaben wird bald die Überlegenheit ihrer Zuverlässigkeit erkennen lassen. Eine persönliche Überprüfung ihrer existentiellen Aussagen kann schnell zu einem Ergebnis führen ob auch ihre Versprechungen von Lebensveränderung und Gebetserhörung realistisch sind.
2. Problemstellen
2.1. Mangelnde Logik
Wen konnte Kain heiraten, nachdem er seinen Bruder erschlug und fliehen musste? Aller Wahrscheinlichkeit heiratete er eine seiner Schwestern, denn er hatte noch viele Geschwister (1Mo 5,4). Geschwisterehe war damals auch noch kein Problem, weil es in der Vollkommenen Schöpfung Gottes noch keine genetischen Defekte gab, die erst das Problem einer Ehe unter Verwandten hervorruft (erhöhte Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs rezessiver Erberkrankungen z.B. Bluterkrankheit). – Wie konnte Mose seinen eigenen Tod beschreiben (5Mo 34)? Einerseits hätte er seinen Tod prophetisch vorhersehen und aufschreiben können. Andererseits ist es auch denkbar, dass sein Nachfolger Josua diese Ergänzung an Moses Bericht nach seinem Tod anfügt, um diese Epoche des Heilshandelns Gottes inhaltlich abzuschließen. – Woher wissen wir über den Verlauf der Versuchung Jesu (Mt 4; Mk 1; Lk 4), obwohl Jesus doch allein mit dem Teufel in der Wüste war?
Entweder gab es – was unwahrscheinlich ist – doch einen heimlichen Beobachter dieses Ereignisses, der seinen Bericht später bei den Evangelisten ablieferte oder sie erfuhren von diesem Kampf Jesu durch eine direkte Offenbarung Gottes. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass Jesus seinen Jüngern später selbst von diesem Ereignis erzählt hat.
2.2. Rundungen
Wie heute selbst in wissenschaftlichen Publikationen üblich werden auch in der Bibel Zahlen der Einfachheit halber gerundet, so z.B. Der Umfang der Waschschüssel für die Priester, der nach der Angabe des Durchmessers einen Umfang von 31,41 Ellen haben müsste. In 1Kö 7.32 wird jedoch ein Umfang von 30 Ellen angegeben. Hier handelt es sich aber weder um einen Rechenfehler des Autors noch um einen Irrtum Gottes, sondern um eine allgemein übliche Rundung. Anderseits wäre es auch möglich, dass sich die Angaben einmal auf den innen und einmal auf den Außendurchmesser des Gefäßes beziehen, dessen Wand nach Angaben der Bibel immerhin rund 7,5 cm stark gewesen sein soll. In diesem Fall wären die Größenangaben auch mathe-matisch recht korrekt.
2.3. Abweichende Zahlenangaben
Manche der voneinander abweichenden Zahlenangaben sind offensichtlich auf Abschreibfehler zurückzuführen. So wohl die Zahl der von David getöteten Soldaten mit 700 (2Sam 10,18) und mit 7000 (1Chr 19,18). Der Unterschied in der Preisangabe, die David für das Grundstück Araunas bezahlte lässt sich wohl dadurch erklären, dass in in 2Sam 24,24 (50 Silberschekel) der Kaufpreis lediglich auf die Tenne als solche bezogen wird in 1Chr 21,25 (600 Schekel) aber das ganze Land um die Tenne mit-gerechnet wurde.
2.4. Abweichende Genealogien (Stammbäume)
Die Genealogie in 1Mo 10,24 unter-scheidet sich von den Angaben des Stammbaumes Jesu in Lk 3 und der unterscheidet sich wiederum von den Angaben in Mt 1. Viele Unterschiede in den Genealogien beruhen darauf, dass sie nicht vollständig sind und unter einem besonderen Blickwinkel verfasst wurden. Wird Jesus als ‘Sohn Davids’ bezeichnet, heißt das nicht, er sei direkt von David gezeugt worden, sondern lediglich, dass er einer seiner direkten Nachkommen ist. Andere Zwischen-glieder werden ausgelassen, weil sie für den Verfasser nicht wichtig genug er-schienen und einen mehrerer Jahrtausende umfassenden Stamm-baum nur unnötig verkompli-zierten.
Die unterschiedlichen Stamm-bäume Jesu beruhen auch in der unterschiedlichen Absicht der Verfasser. Matthäus präsentiert Jesus als königlicher Christus und zeichnet seine Herkunft nach seinem juristischen Vater Joseph nach, Lukas hingegen betont die menschliche Herkunft Jesu und geht deshalb dem Stammbaum der Maria nach.
2.5. Abweichende Berichte in den Evangelien
In den Evangelien finden sich unterschiedliche Berichte über Heilungen Jesu, seine Predigten und reisen, über die Verleugnung des Petrus oder die Ereignisse am Morgen der Auferstehung Jesu. Diese Unterschiede werden manchmal als Wider-sprüche angesehen und so zur Infrage-stellung der Bibel herangezogen. Doch ist dabei folgendes zu beachten:
– nicht alle ähnlichen Berichte beziehen sich auf dasselbe Ereignis (Jesus hatte Hunderte von Menschen geheilt. Wenn von zwei Blindenheilungen berichtet wird, die unter ähnlichen Umständen abliefen, könnte es sich auch um verschiedene Ereignisse handeln in denen Jesus ähnlich vorging).
– nicht jeder Autor erwähnt alles, weil ihm nicht alles gleich wichtig ist oder weil er sich an eine bestimmte Hörerschaft wendet. Der Besucher eines Konzertes wird seiner Großmutter anders berichten als seinem Freund, ein Musikjournalist wird einen anderen Artikel verfassen als der Redakteur eines Finanzmagazins, ohne das einer notwendigerweise die Unwahrheit sagt. Manche scheinbaren Widersprüche lösen sich auf, wenn sie nebeneinander als ergänzende Berichte eines Ereignisses gelesen werden.
2.6. Abweichende Zitate
An einigen Stellen im Neuen Testament werden Zitate dem falschen alttestamentlichen Autor zugeschrieben (Mt 27,9 Jeremia statt Sacharja; Mk 1,2f Jesaja statt Maleachi). In den meisten Fällen werden von dem neutestament-lichen Autor in einem Atemzug mehrere alttestamentliche Autoren zitiert, die sich auf eine von ihm beschriebene Begebenheit beziehen. Im Judentum war es damals üblich in einem solchen Fall nur den berühmteren der beiden zu nennen, so gehen auch die Autoren des NT vor. Darüber hinaus spielt es eine Rolle in welchem der angeführten Zitate sich die Hauptaussage des angesprochenen Sachverhalts befindet.
2.7. Widersprüche zur Archäologie
Manche Archäologen datieren den Auszug Israels aus Ägypten auf das Jahr 1290 v.Chr. Weil in 2Mo 1,11 steht, dass die Israeliten als Sklaven an der Stadt Ramses arbeiteten. Andererseits datiert 1Kö 6,1 den Auszug aus Ägypten 480 Jahre vor dem Tempelbau Salomos (966 v.Chr.). Auch Jephta sagt um 1100 v.Chr dass Israel sein Land vor rund 300 Jahren eingenommen hat. Mit dieser Datierung stimmt auch Apg 13,19f überein.
Die Annahme Israel hätte um 1300 v.Chr. keine Moabiter und Edomiter angetroffen, gegen die sie vorgeblich gekämpft hatten, erübrigte sich mit weiteren Ausgrabungen. Die Nennung Ramses lässt sich historisch jedoch auch anders erklären: Der Name Ramses muss sich nicht wie bis dahin angenommen auf Ramses den Großen beziehen, es könnte auch auf den früher lebenden Ramses I gemünzt sein. Auch in der Amtszeit von Thutmosis III um 1450 v.Chr. wird schon ein wichtiger Amtsträger namens Ramose erwähnt. Wie schon mehrfach nachgewiesen trugen ägyptische Pharaonen auch mehrerer Namen, sodass sich die biblische Angabe auf einen bisher wenig beachteten Namen des entsprechenden Herrschers in der Zeit des Mose beziehen könnte. Auch möglich wäre eine Umbenennung der Stadt, an der die Israeliten arbeiteten, weil der die Bauarbeiten beginnende Pharao in Ungnade fiel. In Israel wurde dann zum besseren Verständnis der später übliche Name eingefügt.
2.8. Theologische Widersprüche
Einerseits finden sich in der Bibel Aussagen darüber, dass Jesus Gott ist, andererseits lesen wir dass er göttliche Eigenschaften hatte. Einerseits werden wir aufgefordert uns für ein Leben mit Gott zu entscheiden, andererseits wird uns entgegnet wir könnten uns gar nicht entscheiden, weil es auf die willkürliche Erwählung Gottes ankäme.
Wahrscheinlich handelt es sich bei diesen auch für die Verfasser der biblischen Schriften offensichtlichen Aussagen jedoch lediglich um zwei Seiten einer Medaille. Beides gilt auch wenn es uns widersprüchlich erscheint. Das liegt an unserem begrenzten Erkennt-nisvermögen. So wie für jemanden, der die Gesetze der Aerodynamik nicht kennt klar ist, dass ein Körper, der schwerer als Luft ist nicht fliegen kann, scheinen uns diese Aussagen der Bibel nicht zusammen zu passen, entweder ich entscheide mich oder Gott entscheidet sich. Für den in der Physik bewanderten ist auch das Beispiel des Lichtes interessant, das sich je nach Versuchsaufbau als Welle oder als Teilchen erweist, obwohl sich beides gegenseitig ausschließt. Sicher würde deshalb niemand die Existenz des Lichtes bezweifeln, wohl aber die bisher gängigen Denkmodelle, die beide Formen für ein Objekt ausschließen. Da Gottes Wirklichkeitswahrnehmung um einiges komplexer sein dürfte als unsere ist durchaus anzunehmen, dass nach momentaner Vorstellung widersprüchliche Aussagen in einer neuen Kategorie aufgehoben (Hegel) das heißt übereinstimmend stimmig erklärt werden können.
2.9. Ethische Widersprüche
Wie kann Gott das Töten von Tausenden von Menschen, selbst von Kindern anordnen (5Mo 7,2; Jos 6,15-21; 8,26f; 10,40; 11,12)? Für die meisten ist der Tod von Menschen heute nicht generell abzulehnen, es kommt auf die Begründung an. Abtreibungen oder Euthanasie an Alten und Behinderten machen nur wenigen Europäern Probleme, die Abschlachtung von Millionen durch Kommunisten in Russland oder Kambodscha schien den Initiatoren politisch nötig, ebenso wie das Vorgehen der Nato in Serbien oder in Afghanistan. Fraglich ist also nicht die Tötung der Menschen an sich, sondern der möglich Grund dafür. In der Bibel wird die fortgesetzte und exzessive Überschreitung der Gebote Gottes als Begründung des Vorgehens gegen die Kanaaniter angegeben (3Mo 18,25; Ps 51,5). Ob Gottes Strafmaß meinem Gerechtigkeits-empfinden entspricht ist dann allerdings noch eine andere Frage. Die stellt sich allerdings auch bei irdischer Strafbemessung immer wieder.
2.10. Umgangssprache
So wie viele Menschen auch heute noch vom Sonnenaufgang reden, obwohl sie akademisch wissen, dass die Bewegung der Erde und nicht eine Wanderung der Sonne für den „Sonnenuntergang” verantwortlich ist, müssen wir auch den Autoren der Bibel zugestehen, dass sie allgemein bekannte Bezeichnungen verwandten (Jos 10,12; Jes 40,22), damit aber nicht immer allgemeinverbindliche naturwissenschaftliche Aussagen machen wollten.
Wenn von dem Ohr Gottes (Ps 31,3) oder von seinem Angesicht (Ps 51,11) gesprochen wird handelt es sich nicht um Teile einer realen Personenbeschreibung Gottes sondern um das Stillelement des Anthropormorphismus, mit dem uns das Handeln Gottes in menschlich verständlicher Weise nahe gebracht werden soll. Auch gebrauchen biblische Autoren stilistische Elemente wie Übertreibungen (1Mo 11,4; Mt 7,3) oder Ironie (Am 4,4; 2Kor 11,19f), um ihren Aussagen, deren eigentliche Zielrichtung aber weiterhin deutlich erkennbar bleibt, für den Leser zuzuspitzen.
3. Persönliche Ablehnung
3.1. Die Bibel passt nicht zu meinem Lebenskonzept!
Das kann zutreffen. Aussagen der Bibel hinterfragen fast jedes Konzept von einem zufriedenen erfolgreichen Leben. Persönlich muss jeder jedoch klären, welches Lebenskonzept auf Dauer tatsächlich das bessere ist. Weil ich zufällig durch Er-ziehung, Prägung der Gesellschaft oder der Medien eine bestimmte Lebensform favorisiere, muss diese noch lange nicht mir entsprechen oder gar richtig sein. Obwohl Nazis, wie Kommunisten als auch pathologische Massenmörder ihren Lebensstil als durch aus attraktiv empfanden lehnen wir ihn heute zumeist als falsch ab. Wer gibt mir die Sicherheit, dass nicht auch meine Lebenswerte sich im Nachhinein als brüchig herausstellen? Wichtig ist es zu erkennen, welches Lebens-konzept am meisten der Wirklichkeit entspricht, nicht welches meiner Trägheit, Genusssucht oder dem momentanen Trend entgegenkommt. Eigene Erfahrungen und Lebensrückblicke älterer Menschen lassen dabei Sex, Geld, Essen, Reisen, Karriere und andere Lebensdrogen schnell als flüchtig und schal erscheinen.
3.2. Die Bibel verbietet mir alles!
Natürlich findet sich in der Bibel ein Haufen Einschränkungen und Verbote, doch nur zu meinem Nutzen. Verbote sind allerdings nicht pauschal schlecht. Viele Verbote er-scheinen mühsam, manche auch unverständlich oder überflüssig, trotzdem könnten sie sich als recht hilfreich erweisen. Ignoriere ich an der Grenze zwischen Iran und Irak das Schild, dass mir den Zutritt auf ein bestimmtes Stück Wüste verbietet, könnte ich leicht mit der nächsten Miene in die Luft fliegen. Schütte ich gegen die Anweisung des Herstellers Wasser statt Benzin in mein neues Auto wird es sich nicht weit vorwärts bewegen. Wenn Regeln mich vor Schaden bewahren oder mir erfolgreicheres Vorankommen ermöglichen sollte ich mich an ihnen orientieren, auch wenn sie mir möglicherweise unverständlich erscheinen. Um mir nicht durch eine Unzahl von Verboten das Leben blockieren zu lassen muss ich die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Verbotgebers beachten. Gott als mein Konstrukteur und jemand der sich seine Liebe zu mir sein Leben kosten ließ scheint sowohl kompetent als auch wohlmeinend genug mir zu sagen auf was ich in meinem Interesse besser verzichten sollte.
Neben den Verboten sollten auch die bei Weitem überwiegenden Zusagen und Versprechen Gottes für diejenigen, die mit ihm leben wollen nicht in Vergessenheit geraten.
3.3. Jeder hat seine Wahrheit, die Bibel ist intolerant!
Natürlich kann jeder als intolerant bezeichnet werden, der eine Wahrheit erkennt und dadurch andere Aussagen als falsch bezeichnet. Das machen alle Religionen, alle Politiker und natürlich auch alle Wissenschaftler. Wer behauptet, Uran schädige das Erbgut, widerspricht damit dem, der es als unschädlich ansieht, wer darauf beharrt 4×4 ergebe 16 stellt den als Lügner dar der auf 10 als Ergebnis tippt. Wer meinen kunstvoll mit dem Computer entworfenen Flugschein als falsch bezeichnet, fliegt möglicherweise sicherer, könnte von mir aber auch als intolerant bezeichnet werden, weil er meine Wahrheit nicht akzeptiert. Wahrheit ist nicht eine Frage persönlicher Beliebigkeit sondern der Übereinstimmung mit der Realität.
Überprüft werden muss nicht ob nach der Bibel andere Religionen im Irrtum sind, sondern ob diese Ablehnung richtig, das heißt wirklichkeitsgemäß ist. Wer das bejaht fragt nicht mehr nach seiner Wahrheit, sondern nach der einen Wahrheit, wie auch in jedem anderen Lebensbereich. Eine Wahrheit, die nur für mich gilt ist eine Einbildung aber keine Wahrheit.
3.4. Die Bibel überzeugt mich nicht 100%!
Das mag der Fall sein, kann aber auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein. Wer das behauptet könnte sich noch nicht genügend mit der Bibel auseinandergesetzt haben, er könnt bestimmte Aussagen intellektuell nicht verstanden haben (nicht jeder versteht die Relativitätstheorie), möglicherweise ist in dieser Frage eine 100-%ige Sicherheit auch schlicht nicht möglich. Allerdings müssen wir manchmal auch in Angelegenheiten, in denen wir nicht absolut sicher sind nach bestmöglicher Prüfung zu einer Beurteilung kommen. Alle Liebesbeteuerungen meiner Freundin können jeden möglichen Zweifel an der Echtheit ihrer Liebe nicht ausräumen (wer sieht schon in das Herz eines Menschen). Weder Uniform noch Pilotenschein geben mir die Garantie dafür, das der Pilot meines Fluges wirklich fliegen kann (Betrüger gibt es nicht erst seit dem Hauptmann von Köpenick). Aber wenn ich nach intensiver Auseinandersetzung eine Person als glaubwürdig ansehe, kann ich im praktischen Leben mit ihr erfahren, ob ihre Versprechungen der Realität entsprechen. So ist es auch bei Gott. Ich muss nicht erst alles was in der Bibel steht 100-%ig für wahr halten ehe ich mich auf ein Leben mit ihm einlasse, manches wird mir erst im Leben mit ihm klar werden. In anderen Fragen bin ich auch längerfristig auf mein Vertrauen zu ihm angewiesen.
3.5. Ich will der Bibel nicht glauben!
Das ist eine ehrlich und durchaus legitime Position. Sie fordert allerdings auch sich nicht über alle daraus folgenden Konsequenzen zu beschweren. Wer einen unbe-schrankten Bahnübergang trotz Warnung überfährt, darf sich nicht über sein schrottreifes Auto wundern, wer trotz gegenteiliger Empfehlungen des Gesundheitsministeriums einen Liter Diesel verschluckt kann schlecht Schadenersatz einfordern und wer Gottes Mitteilungen an sich ignoriert sollte sich nicht über ein verpfuschtes Leben wundern oder Gott nach seinem Tod Vorhaltungen machen, weil er für die Übertretungen göttlicher Gebote zur Rechenschaft gezogen wird.
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Autor: Michael Kotsch
(Quelle: Zeitjournal Nr. 2 / 2009) © AG Welt e.V.