(AG WELT) Die Ausgaben für Gesundheit sind im Jahr 2007 in Deutschland um knapp acht Milliarden Euro gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, betrugen sie 252,8 Milliarden Euro. Das waren 7,8 Milliarden Euro oder 3,2 Prozent mehr als 2006. Die Ausgaben entsprachen 10,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und beliefen sich auf gut 3070 Euro je Einwohner.
Allein mir fehlt der Glaube
Es ist richtig: Zu viele Menschen leiden an Übergewicht und „Fresssucht“ und die meisten sehnen sich danach, die überflüssigen Pfunde loszuwerden nach dem Motto: „Koste es was es wolle. Allein mir fehlt der Glaube.“ Das Geld scheint dabei oft weniger das Problem zu sein. Mit dem Glauben ist es da schon komplizierter. Aber auch hier soll es Abhilfe geben. Schon länger zieht die „Gottes-Diät“ ihre Kreise. Werbesprüche „Wer glaubt, nimmt ab“, „Mit frommen Sprüchen gegen die Kilo`s“ oder „Durch Gebete abnehmen“, stehen weit oben auf den Ranglisten der Diskussionsplattformen im World Wide Web.
Alle Register gezogen
Dass die Gottes-Diät helfen soll, meint Gwen Shamblin, die weltweit „Weigh down“- Workshops anbietet. Bibelverse, Rosenkränze und Ave Marias sollen die Zahlen auf der Körperwaage minimieren. Ein Schlankheitstrend, dem viele (Frauen) Glauben schenken. Denn Blitzdiät, „Schlank im Schlaf“, Kohl- und Eierdiät, alle haben nichts oder nur wenig genützt. Alle Register wurden gezogen, doch für die meisten war alles nur sinnlose Schufterei. Mit dem rechten Glauben soll damit nun endlich Schluss sein.
Dass dich der Teufel nicht in Versuchung führe
Shamblins These: Gott will Menschen mit kalorienreichem verführerischem Teufelszeug wie Schokolade nicht quälen, sondern erfreuen. Allerdings will Gott, so behauptet die Abwrack-Lady, dass der Mensch sich nicht mit Leckereien vollstopfen, sondern den Kühlschrank rechtzeitig zumachen soll. Die Lösung sei doch ganz einfach: FDH (Friss die Hälfte) und bete, dass dich der Teufel nicht in Versuchung führe. Immer dann, wenn der Hunger kommt, soll sich der Mensch mit einigen Bibelversen ablenken, mit zwei, drei Ave Marias oder Vaterunser den knurrenden Magen zur Ruhe bringen.
Multimillionärin
Die Diät-Lady torpedierte mit ihrer Diät-Religion Amerikas größte Talkshows „Larry King Live“ und „Tyra Banks Show“ und schaffte es mit Ratgeberbestsellern und mit 125 Dollar teuren Abspeckkursen zur mehrfachen Millionärin. Auch Online bietet Shamblin 8-Wochen-Kurse mit Gebeten, Motivationstraining und Vorträgen und Bibelstudium.
Bei Heißhunger hilft der Kirchenbesuch
Die Amerikanerin predigt gegen Todsünden wie Völlerei und Gier und ruft ihre Anhänger auf, die „Versklavung ans Essen“ aufzugeben, stattdessen den knurrenden Magen mit Gottesgläubigkeit zu stillen. Bei Heißhunger soll ein Kirchenbesuch helfen. Allein wer viel bete, würde von der Fresssucht befreit.
Diätistisches
Bei vielen, auch in Shamblins „Nachfolgerkreisen“, ist die vielgepriesene Frömmigkeitsdiät umstritten. Doch die Millionärin ist nicht allein. Auch andere Kultgruppen und Geschäftemacher gründen ihre Diätkonzepte auf Religion. Beispiel: Don Colberts Buch „What would Jesus eat?“. Diese und andere diätistische Titel füllen die Regale der Buchhandlungen.
„Barley Max – Lebendiges Eses vom Halleluja-Feld“
19,75 Dollar kostet die Dose mit Vitaminen und Spurenelementen aus roher Gerste und Luzerne und soll für 30 Tage reichen. Rezepte fürs Leben aus Gottes Garten und den passenden Entsafter für 500 Dollar dazu hält die Fa. „Halleluja-Äcker“ im Internet bereit . Es gäbe eine Alternative, die Gott in der Bibel gezeigt hat, meint Pfarrer George Malkmus, Gründer von Halleluja-Äcker und schreibt: „Alle wilden Tiere essen ihre Nahrung roh.“ Halleluja-Äcker ist eine nicht-konfessionelle christliche Kirche, die die Gesundheit ihrer Mitglieder mit roher Nahrung erreichen und mit der Hilfe von Glauben und Diät Krankheiten besiegen will. Sie wird von Dr. Don Colbert unterstützt.
Das Statement einer Journalistin
Society-Reporterin Louise Stein bekennt in einem FOCUS-Kommentar: „Natürlich habe auch ich der US-Diättheorie nicht widerstehen können und sie ausprobiert, schon allein aus Recherchezwecken und wegen des zwackenden Designerbikinis. Vier Wochen lang habe ich morgens und abends gebetet und täglich ein wenig durchs Alte Testament geblättert. Gleichzeitig habe ich mit viel Gottvertrauen und ein wenig irdischer Genießerfreude – schließlich war ich ja im Urlaub (Kolumne 49 & 50) – kalifornischen Wein, spanischen Schinken oder bayerische Biergarten-Brezen zu mir genommen. Was soll ich Ihnen sagen: Ich habe trotz brav zelebrierter Frömmigkeit unerklärliche zwei Kilo zugenommen. Ich glaube, ich muss Gott mal so richtig ins Gebet nehmen.“
Leben und Sterben
Wer meint, dass ihn irgendeine eine religiöse Diättheorie von seiner Fettleibigkeit oder Fresssucht befreien kann, irrt. Wer glaubt und darauf vertraut, dass Gott heilen kann (denn Fresssucht ist eine Krankheit), sollte ernsthaft mit ihm im Gebet sprechen und ihn um Hilfe bitten. Auch ärztliche Hilfe sollte in Anspruch genommen werden. Aber Gott allein hat den Menschen mit Leib, Seele und Geist geschaffen und nur er allein weiß auch, welchen Weg er mit jedem einzelnen Menschen gehen will. Gott hat uns einen Körper geschenkt, mit dem wir sorgsam umgehen sollen. Doch es bleibt uns verborgen, warum der eine Mensch trotz Fettleibigkeit 100 Jahre alt wird und ein anderer trotz gesunder Lebensweise schon mit Fünzig an Krebs sterben muss. Leben und Sterben liegen allein in Gottes Hand. Eines ist gewiss: Bei Gott ist kein Ding unmöglich! Er kann heilen, aber wenn er es will. Unsere Vorstellung vom Heilwerden ist und bleibt menschlich. Vorsicht ist geboten, wenn das Gebet zu Gott missbraucht wird, wenn es – gepaart mit „guten“ Ratschlägen und Pillen – den Weg in die religiöse Selbsterlösung führt. Doch allein Jesus Christus ist der Heiland und keiner sonst!
Ergänzend sei hinzugefügt, dass die Diät-Millionärin Gwen Shamblin lehrt, die Dreieinigkeit Gottes sei nicht biblisch. Sie predigt, dass Jesus Christus nicht Gott, sondern nur sein Sohn sei. Viele christliche Gemeinden hätten ihre Mitglieder dazu aufgerufen, die Shamblin-Bücher nicht zu lesen.
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Thomas Schneider
[Anmerkung der Redaktion AG WELT: Ein Kommentar muss nicht in jedem Fall mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.]