(AG WELT) Die Sekten-Expertin Ursula Caberta hat ihn nach Hamburg eingeladen: den Ex-Scientologen Mark Rathbun. Wie das Hamburger Abendblatt schreibt, hätten am Mittwoch ein Dutzend Anhänger der Scientology-Sekte vor der Innenbehörde am Johanniswall gegen den Auftritt von Rathbun demonstriert.
Auf Plakaten habe man Caberta, die erst kürzlich mit ihrem „Schwarzbuch Esoterik“ und ihren Äußerungen zur „Fliege-Essenz“ in die Schlagzeilen geraten war, als „Inquisitorin“ beschimpft.
Mit dem früheren Scientology-Manager Rathbun habe Caberta eines der prominentesten Kenner der „Scientology-Kirche“ in die Hansestadt geholt. So war er laut Innenbehörde als „Finanzchef“ die „Nummer zwei des internationalen Managements“ der Sekte in den USA.
Dass sich Rathbun von der Ideologie der Sekte nicht gelöst hat, sei für Caberta unproblematisch. Ihr sei „egal, welches Buch sich die Leute unter ihr Kopfkissen legen“. Rathbun habe bekannt, dass er auch weiter Scientology praktiziere, dazu aber keine Kirche brauche, „die einen in die finanzielle Misere treibt oder Familien auseinanderreißt.“
Laut Rathbun soll es innerhalb der Sekte auch zu Gewaltausbrüchen gekommen sein, er berichtet über Tritte und Faustschläge ins Gesicht. Er selbst sei beteiligt gewesen und habe andere dazu angestiftet. Miscavige, den Scientology-Chef, bezeichnet er als „Psychopathen“. In der Politik soll es, so der hochrangige Aussteiger, Verstrickungen mit Scientology auf höchster Ebene gegeben haben.
Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet die Organisation, weil sie eine Gesellschaftsform anstrebe, „in der zentrale Grundwerte außer Kraft gesetzt werden sollen“. Im Verfassungsschutzbericht 2010 ist nachzulesen:
„Bei ihrer beabsichtigten Ausbreitung in der Gesellschaft zielt die `Scientology Organisation` vorzugsweise auf politische Einrichtungen: In Brüssel auf das Europäische Parlament, in Berlin auf den Bundestag und in Hamburg auf den Senat, die Parteien und diverse Auslandsvertretungen. Es geht dabei um lobbyistische Arbeit, die Verbreitung von scientologischen Inhalten. Politiker werden gezielt angesprochen, und ihnen wird SO-Propaganda übersandt… Die Scientologen glauben an den stets beschworenen Erfolg ihrer Organisation und ihre Fähigkeiten, eine aus ihrer Sicht „bessere“ Gesellschaft zu erreichen: `Wir sind die einzige Gruppe auf der Erde, die wirklich eine brauchbare Lösung hat.` (Impact, Ausgabe 124, 2010).“
Tatsächlich aber hätten sich, so das Schutzorgan für die demokratische Grundordnung, die Mitgliederzahlen verringert. Erfolge seien trotz massiver Werbekampagnen ausgeblieben.
Ab September 2010 übernahm der Hamburger Verfassungsschutz Aufgaben der früheren „Arbeitsgruppe Scientology“ (AGS) in der Innenbehörde und bietet seither Informationen, Beratung und Ausstiegshilfe an. Das Angebot des Landesamtes werde gut angenommen. Bereits am Ende des Jahres 2010 sei es zu mehr als 200 Anfragen an diese neue Beratungsstelle gekommen.
Einschätzungen der Verfassungsschutzbehörden bewegen sich zwischen 100.000 und 120.000 Scientologen weltweit. 2006 hat der Scientology-Vorsitzende David Miscavige noch von „10 Millionen Mitgliedern“ weltweit (Impact 155/2006) gesprochen. Seitdem gebe es keine neuen Zahlen von Scientology. Laut Verfassungschutzbericht sei der „Mitgliederbestand im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr mit etwa 650 SO-Angehörigen in Hamburg und Umgebung unverändert“.
Scientologen seien überall zu finden: als Geschäftsführer mittelständischer Betriebe bis hinein in den Lern- oder Nachhilfebereich, bei Lebensberatungen oder persönlichen und geschäftlichen Kontakten verschiedener Art.
Der Hamburger Verfassungsschutz bietet fachkundigen Rat unter der Telefonnummer 040/244443 oder im Internet unter www.hamburg.de
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