AG Welt e.V.

Die Mormonen – Vom Tellerwäscher zum Millionär

PDF: Die Mormonen – Vom Tellerwäscher zum Millionär

In deutschen Großstädten trifft man gelegentlich auf lächelnde junge Männer mit amerikanischem Akzent, deren Namensschild am schwarzen Anzug sie beispielsweise als „Elder Smith” vorstellt. Gemeinhin werden sie als „Mormonen“ bezeichnet, korrekt aber lautet der Name ihrer Gruppierung: „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzen Tage“.

Junge Mormonen sollen nach Möglichkeit selbstfinanziert für zwei Jahre als Missionare in ein Land ziehen, das die Kirchenleitung ihnen zuweist. Dort erzählen sie davon, dass Jesus nach seinem Tod in Jerusalem noch amerikanischen Indianern erschienen sei, deren Vorfahren um 600 v. Chr. aus den biblischen Ländern des Nahen Ostens ausgewandert wären. Nach dem Untergang der „christlichen Indianer” soll deren letzter Prophet die Offenbarungen Jesu aufgeschrieben haben. Diese Schriften, das Buch Mormon, will Joseph Smith 1827 gefunden haben. Der Engel Moroni zeigte ihm das Versteck und händigte ihm eine „Prophetenbrille” aus, mit deren Hilfe er den „neuägyptischen” Text ins Englische über-setzen konnte. Leider nahm der Engel anschließend sowohl die Schriften als auch die Brille wieder an sich.

Nach einer spannenden Odyssee gelangten die ersten Mormonen ins Tal des großen Salzsees und gründeten dort den Mormonenstaat Utah. Bis 1890 galt die Vielehe hier als von Gott gewollt. Weiterhin konnten schwarze Amerikaner bis in die 1960er Jahre in der Kirche nicht aufsteigen, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe als von Gott gestraft angesehen wurden. Dann wurden beide Einrichtungen durch neue Offenbarungen den Notwendigkeiten der Zeit angepasst. Weitere Offenbarungen finden sich in den Büchern „Lehren und Bündnisse“ und „Die köstliche Perle“.

Mormonen betonen, dass diese Schriften lediglich eine Bestätigung biblischer Aussagen seien. An der Spitze der Mormonen steht bis heute ein Prophet/Präsident (seit 2008 Thomas Spencer Monson), dem der „Rat der Zwölf Apostel” untergeordnet ist. Die meisten Mormonen leben in dem US-Bundesstaat Utah. In den USA machen sie durch verschiedene Sozialaktionen und Auftritte des Mormon Tabernacle Choir auf sich aufmerksam. In Deutschland leben rund 36.000 Mormonen in 184 Gemeinden. Mormonische Tempel stehen in Freiberg (Sachsen) und in Friedrichsdorf (Frankfurt).

Leben und Lehre

In ihrer Werbung und ihrem Alltag betonen Mormonen die Bedeutung der Familie. Mormonen werden dazu ermutigt, viele Kinder zu bekommen und mindestens einen Familienabend pro Woche zu reservieren. Eine in ihrem Tempel zugesiegelte Ehe besteht ihrer Auffassung nach auch im Jenseits weiter. Mann und Frau würden dort mit ihren Kindern zusammenleben, weitere Nachkommen zeugen und als Götter über einen eigenen Planeten herrschen. Die Hauptlehre der Mormonen lässt sich in zwei Sätzen zu-sammenfassen: „Was Gott jetzt ist, wirst du einst sein” und: „Was du jetzt bist, war Gott einst.” Die mormonische Lehre skizziert sozusagen eine Art religiöse Evolution, an deren Ende jeder selbst Gott werden kann. Die heute lebenden Menschen werden übrigens als reale Kinder eines himmlischen Ehepaars angesehen.

In den Tempeln, von denen es in den meisten Ländern nur einen gibt, soll den Mormonen der Heilige Geist vermittelt und göttliche Geheimnisse (Endowments) mitgeteilt werden, mit denen sie sich im Jenseits ausweisen können. Auch Verstorbene können sich noch den Heiligen der Letzten Tage anschließen, wenn deren Nachkommen sich für sie in einem Mormonen-Tempel taufen lassen. Deshalb betreiben Mormonen eine ausgedehnte Ahnenforschung (Genealogie). Deren Ergebnisse lagern in atombombensicheren Bunkern und werden zu Werbezwecken auch Nichtmormonen zur Verfügung gestellt (z.B. im Computerprogramm Personal Ancestral File). Um ihren Körper rein zu halten, verzichten Mormonen auf den Konsum jeglicher anregender Substanzen wie Alkohol, Kaffee oder Schwarztee.

Kritik

Aus christlicher Sicht ist sowohl die Vermenschlichung Gottes als auch die Vergöttlichung des Menschen zu kritisieren. Außerdem fällt die Erlösung durch den stellvertretenden Tod Jesu einer fortschreitenden Selbsterlösung zum Opfer. Auch die Lehren ewiger Ehen und eines Religionswechsels im Jenseits sind nicht mit den Aussagen der Bibel vereinbar. Theologisch problematisch ist ebenfalls die mormonische Lehre, Jesus Christus und Satan seien himmlische Brüder.

Bibelstellen:
– zur Maßgeblichkeit der Bibel (Matt. 5,18ff; Gal. 1,8f; 1.Joh. 4,3; Hebr. 1,1f; Offb. 22,18)
– zum Unterschied zwischen Mensch und Gott (4. Mose 23,19; 2. Chr. 14,10; Hiob 4,17; 11,7f; 33,12; Hes. 28,2; Hos. 11,9; Röm. 3,4; 2. Thess. 2,4)
– zur Erlösung nach dem Tod (Lk. 16,19ff; 2.Kor. 5,10; Heb. 9,27)
– zu den ewigen Ehen (Matt. 22,25-30; Lk. 20,29-36; Röm. 7,2; 1.Kor. 7,39).

Literatur:
– Rüdiger Hauth: Die Mormonen. Sekte oder neue Kirche Jesu Christi? Ein Ratgeber, Herder Verlag, Freiburg 1995
– Samuel Leuenberger: Mormonen – Heilige der letzten Tage, Lichtzeichen Verlag, Lage 2000
________________________________________

Menschen werden Götter
________________________________________
Zitate aus „Grundbegriffe des Evangeliums“, einem bis heute bei den Mormonen verbreiteten Lehrbuch.

Himmlische Eltern: „Gott ist nicht nur unser Herrscher und Schöpfer, er ist auch unser himmlischer Vater. Alle Menschen sind buchstäblich Söhne und Töchter Gottes … Der Mensch wurde als Geist von himm-lischen Eltern gezeugt und geboren und in den ewigen Wohnungen des Vaters bis zur Reife aufgezogen, bevor er in einem zeitlichen (physischen) Körper auf die Erde kam.“ (S. 9)

Göttliche Evolution: „Unsere Eltern im Himmel haben uns ein celestiales Heim geschaffen, das schöner und herrlicher ist als jeder Ort auf Erden. … Sie wussten jedoch, dass wir nur dann über einen gewissen Punkt hinaus Fortschritt machen und uns entwickeln können, wenn wir sie eine Zeitlang verlassen. Sie wollen, dass wir die göttlichen Eigenschaften, die sie besitzen, ebenfalls entwickeln.“ (S. 11)

Nur eine wahre Kirche: „Als Jesus Christus auf Erden lebte, errichtete er seine Kirche, die einzig wahre Kirche. … Nachdem der Erretter in den Himmel aufgefahren war, änderten die Menschen die Verordnungen und Lehren, die er und die Apostel eingeführt hatten. Wegen der Abkehr von der Wahrheit gab es keine direkte Offen-barung mehr … Es wurden viele verschiedene Kirchen gegründet, von denen jede behauptete, sie sei die einzig wahre, aber verkündeten einander widersprechende Lehren. … Jahrhundertelang lebte die Menschheit in geistiger Finsternis. Etwa 1700 n.Chr. erwachte ein neues religiöses Interesse. … Die Zeit für die Wiederherstellung der wahren Kirche Jesu Christi war gekommen.“ (S. 103)

Die einzig gültige Taufe: „Es gibt nur eine richtige Weise, wie man getauft werden kann. Der Herr hat dem Propheten Joseph Smith offenbart, derjenige, der die nötige Priestertumsvollmacht trägt, soll mit demjenigen, der zur Taufe erschienen ist, in das Wasser hinabsteigen … Die Taufe durch Untertauchen – von einem ausgeführt, der die Vollmacht dazu hat [Priester der Mormonen] – ist die einzig wahre und annehmbare Weise, sich taufen zu lassen.“ (S. 123)

Ehen für die Ewigkeit: Seit Adam und Eva „hat das Gebot bestanden, dass wir heiraten und Kinder bekommen sollen, so dass wir aus eigener Erfahrung lernen können, Eltern im Himmel zu sein. … Nur wenn wir treu sind, werden wir unsere Familie für immer haben. Unser Leben auf der Erde wird den Ausschlag dafür geben, ob wir würdig sind, Eltern im Himmel zu werden. … Als Eltern arbeiten wir mit dem Himmlischen Vater zusammen. Er möchte, dass jedes seiner Geistkinder einen irdischen Körper erhält …“ (S.200)

Menschen werden Götter: „Als wir noch bei unserem himmlischen Vater lebten, legte er uns, seinen Geistkindern, einen Plan für unseren Fortschritt vor. Wir können so werden wie er … Erhöhung ist ewiges Leben – das Leben, das Gott führt. Er lebt in großer Herrlichkeit, er ist vollkommen. Er besitzt alle Erkenntnis und Weisheit. Gott ist der Vater von Geistkindern; er ist ein Schöpfer. Wir können Götter werden wie er; das ist Erhöhung.“ (S.253)
________________________________________
Autor: Michael Kotsch
(Quelle: Zeitjournal Nr. 4 / Dezember 2009) © AG Welt e.V.

Die mobile Version verlassen